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Fliegende Eisbären und bröselnde Messwerte

Von Patrik Etschmay­er - Vor kurzem traf ich einen Fre­und und es passierte ein Fehler. Wir began­nen über den Kli­mawan­del zu sprechen, der für mich täglich beobacht­bare Real­ität und für ihn eine Erfind­ung ist. Dabei hagel­ten innert kurze Zeit eine ganze Rei­he von Argu­menten auf mich ein, die ich in Echtzeit schlicht und ergreifend nicht über­prüfen kon­nte. Ja, ich kann mich nicht ein­mal an alle erin­nern, doch einige notierte ich danach. Aus der Auflis­tung wird klar, dass hier wirk­lich eine Law­ine niederg­ing, die in ihrer Gesamtheit wom­öglich überzeu­gen kön­nte, aber drin­gend ein­er Über­prü­fung im Detail bedarf:

a) Trotz der ange­blichen Kli­maer­wär­mung gäbe es immer mehr Eis­bären und diese wür­den sog­ar mit Hub­schraubern gerettet!

b) Kli­maforsch­er wer­den bess­er bezahlt, wenn sie Angst­szenar­ien ver­bre­it­en als wenn sie die Wahrheit sagten (dass es keinen Kli­mawan­del gibt.)

c) Kli­maforsch­er hät­ten in den 1970er Jahren eine Eiszeit vorherge­sagt.

d) Kli­mawan­del werde poli­tisch instru­men­tal­isiert

e) Satel­liten­mes­sun­gen belegten, dass es gar nicht wärmer werde

g) CO2 sei Pflanzendünger und es sei grün­er als je zuvor und alles sei an sich gut

Fan­gen wir bei a) wie Eis­bär an. Die Sit­u­a­tion hier ist unklar, vor allem, weil es keine belast­baren Langzeit­beobach­tun­gen der Pop­u­la­tio­nen gibt. Die am besten observierte Pop­u­la­tion, in der Beau­fort-See, ist in den let­zten 10 Jahren um 40% geschrumpft. Von den 18 weit­eren wis­senschaftlich definierten Pop­u­la­tio­nen gin­gen 3 zurück und 5 seien sta­bil. Über die anderen 9 ist nichts konkretes bekan­nt. Es lässt sich also wenig ganz Konkretes sagen. Allerd­ings ist die Lebensweise von Eis­bären bekan­nt und ein weit­er­er Rück­gang des Seeeis­es kön­nte für diese Raubtiere sehr prob­lema­tisch wer­den, wenn dies nicht schon der Fall ist. Eis­bären kön­nen gegen­wär­tig also wed­er als pro oder kon­tra-Argu­ment im Kli­ma-Stre­it benutzt wer­den. Was aber die Eis­bär­ret­tung mit Helikoptern ange­ht: Hier han­delt es sich um eine abso­lut absurde Behaup­tung. Es lässt sich nichts über ein solch­es Pro­gramm find­en. Und schon der Ver­such wäre zum Scheit­ern verurteilt, da eine solche Aktion auf einem Gebi­et von mehreren Mil­lio­nen Quadratk­ilo­me­tern nicht mal mach­bar wäre, wenn man wollte.

Die Behaup­tung b), dass Kli­maforsch­er bess­er bezahlt wür­den, wenn sie FÜR Kli­mawan­del seien, ist eine der Lügen, die auch gerne ver­bre­it­et wer­den. Die Sache ist ein­fach die: Im Ver­hält­nis zu den Gehäl­tern, welche diese Leute mit ihren Qual­i­fika­tio­nen in anderen Gebi­eten machen kön­nten (ein tiefes Ver­ständ­nis für Math­e­matik, die Fähigkeit kom­plizierte Berech­nun­gen zu erstellen, Algo­rith­men zu entwer­fen und die Bere­itschaft, viele Über­stun­den zu leis­ten, sind gefordert), ist die Bezahlung in der Kli­maforschung lächer­lich. Im Bankensek­tor liesse sich da mehr machen. Oder in der Energiein­dus­trie.

Dass grosse Ölfir­men wie Exxon (http://www.climatechangenews.com/2017/08/25/i‑exxon-funded-climate-scientist/) Kli­maforsch­er anstellen, um Berichte über die Kli­maschädlichkeit von Methan zu erstellen (35x poten­teres Klima­gas als CO2 aber viel kur­zlebiger), um den eige­nen Beitrag zum Kli­mawan­del durch CO2 klein zu rech­nen, ist in diesem Zusam­men­hang dur­chaus auf­schlussre­ich. Gle­ichzeit­ig wurde von Ölkonz­er­nen Desin­for­ma­tion­skam­pagne gefahren, um die öffentliche Debat­te zu bee­in­flussen und mit Mil­lio­nen an Spenden ver­sucht (teil­weise erfol­gre­ich) Ein­fluss bei Forschungsin­sti­tuten und bedeu­ten­den Museen zu kaufen. Betra­chtet man alleine diese Fak­ten, sollte klar sein, dass das Geld auf der ‘Kli­maskep­tik­er­seite’ zu find­en wäre! Wis­senschaftler kön­nen dort ihre Rep­u­ta­tion und ethis­che Integrität ver­lieren und viel Geld ver­di­enen.

Doch warum machen sie das nicht? Ver­mut­lich, weil viele ihren Job und die Aus­sicht, Wis­sen zu mehren, ein­fach lieben. Sich­er, das ist in unser­er neolib­eralen Zeit, in der nur Kohle zählt, etwas wirk­lich Ver­acht­enswertes, aber so sind sie mal, diese alber­nen Ide­al­is­ten.

Bleiben wir gle­ich bei den Kli­maforsch­ern und dem c) Eiszeit­szenario aus den 70er-Jahren. “Sie sagten in den 70ern eine Eiszeit voraus!” Doch wer waren ’sie’? Und gab es andere? Tat­säch­lich ging das Ding wegen der Eiszeit Ende der 70er Jahre durch die Medi­en. Allerd­ings gibt es einen Hak­en: Falls mit ’sie’ Kli­mawis­senschaftler gemeint sind, nein, die waren grössten­teils nicht dabei. Dies, obwohl die Luftver­schmutzung mit Aerosolen (Russ, SO2, etc.) in den 50er und 60er Jahren einen leicht­en Küh­lef­fekt verur­sacht hat­ten, der aber mit Luftrein­hal­tevorschriften in den späteren 60ern auch schon wieder weg war. Auch war ger­ade eben ent­deckt wor­den, dass Eiszeit­en durch ein Taumeln der Erdachse mit verur­sacht wur­den. Trotz dieser exter­nen Fak­toren prophezeit­en in ein­er Auswahl von 71 wis­senschaftlichen Pub­lika­tio­nen zur Kli­maen­twick­lung aus dieser Zeit nur sieben fal­l­ende Tem­per­a­turen, 20 gin­gen von einem gle­ich­bleiben­den Kli­ma aus, während 44 eine Kli­maer­wär­mung voraus­sagten. Schon in den 70er sagten ’sie’ also das gle­iche, das sie auch heute noch sagen — und das, obwohl unter­dessen 40 Jahre lang geforscht und das Wis­sen über atmo­sphärische Entwick­lun­gen extrem stark weit­er­en­twick­elt wor­den ist.

Die poli­tis­che Instru­men­tal­isierung d) des Kli­mawan­dels… gibt es sie? Die Sache ist die: sobald ein wis­senschaftlich­es The­ma gesellschaftlich rel­e­vant ist und in die Hände von Poli­tik­ern gelangt, wird es instru­men­tal­isiert. Denn das ist der Job von Poli­tik­ern. Wenn Wis­senschaftler hinge­gen etwas über die Welt fest­stellen, ist es genau das. Die Tat­sache, dass CO2 ein recht viel Wärme spe­ich­ern­des Molekül ist, ist eben­so unpoli­tisch, wie die Tat­sache, dass sein Gehalt in der Atmo­sphäre von 280 ppm vor der indus­triellen Rev­o­lu­tion auf heute ca. 400 ppm angestiegen ist. Ja, nicht mal der Effekt auf die glob­ale Tem­per­atur ist poli­tisch. Dies sind ein­fach Fak­ten. Ein IST. Der Entscheid, was wir mit dem Wis­sen um diese Fak­ten anfan­gen, ist dafür umso poli­tis­ch­er. Ignori­eren oder han­deln, die Prog­nosen links liegen lassen oder akzep­tieren. Die Fak­ten zu leug­nen ist hinge­gen unmoralisch. Oder igno­rant. Zutr­e­f­fend­es bitte unter­stre­ichen.

Doch, haha, diese Tat­sachen seien nicht ein­deutig, denn da gebe es die e) Satel­liten­mes­sun­gen, die andere Tem­per­aturkur­ven ergäben und das Beste seien, was man habe, an Tem­per­aturmes­sun­gen!

Dum­mer­weise sind sie das nicht. Die genausten Mes­sun­gen find­en logis­cher­weise vor Ort statt, an Messsta­tio­nen in Städten und auf dem Land und mit Mess­bo­jen auf dem Meer. Es würde auch nie­mand darauf kom­men, mit einem Fer­n­rohr Fieber zu messen, wenn man direkt zum Patien­ten gehen kön­nte, oder?

Satel­liten sind lausig, wenn es darum geht, Ober­flächen­tem­per­a­turen präzise zu lesen. Sog­ar ein Dummkopf müsste wis­sen, dass ein Satel­lit, der von ein paar Hun­dert Kilo­me­tern Ent­fer­nung seine Mes­sun­gen durch­führt, Tem­per­a­turen der Erdober­fläche nicht direkt erfassen kann. Da hat es ein­fach zu viel Atmo­sphäre dazwis­chen. Stattdessen wird die von der Atmo­sphäre abges­trahlte Energie gemessen, die in Mikrow­ellen anfällt und erst durch nicht sehr genaue, aber kom­plizierte Mod­elle kon­vertiert wer­den muss. Das ursprüngliche Mod­ell musste von den ‘Skep­tik­ern’ schon 4mal nachgebessert wer­den und die Resul­tate näherten sich nach jed­er Model­lan­pas­sung mehr den von den Kli­maforsch­ern all­ge­mein akzep­tierten Dat­en an — nicht zulet­zt, weil die Boden­mes­sun­gen als Ref­erenz dien­ten.

Die Inkom­pe­tenz der ‘Skep­tik­er’ ging in diesem Fall soweit, dass Anfangs nicht ein­mal der (die Mess­werte bee­in­flussenden) durch Luftrei­bung (ja, auch so weit oben hat es noch Luft­moleküle), auftre­tende Höhen­ver­lust der Satel­liten über die Jahre einkalkuliert wurde.

Dass aus­gerech­net diese Dat­en von Kli­maskep­tik­ern als ‘Gold­stan­dard’ der Mess­werte beze­ich­net wer­den, ist entwed­er ein Zeichen von Inkom­pe­tenz oder Unehrlichkeit.

Bei meinen kleinen Nach­forschun­gen stiess ich zudem noch ein Juwel, das mir gegenüber in jen­em Gespräch gar nicht erwäh­nt wor­den war: Die ange­bliche Erwär­mungslücke von 1998 bis 2012, den Jahren, an denen es nicht zu einem glob­alen Tem­per­at­u­ranstieg gekom­men sei (was nicht mal speziell wäre, da bis zu 15 Jahre Pause als dur­chaus möglich gel­ten, unter Kli­ma­tolo­gen). Das entschei­dende an dieser Lücke ist, dass 1998 als Start­punkt genom­men wer­den MUSS! Warum? 1998 war ein extrem warmes Jahr, ein krass­er Aus­reiss­er nach oben. Sobald man 1997 oder 1999 als Start­punkt ein­er Rei­he nimmt, ver­schwindet die Pause… lustig. Je länger desto mehr erscheinen einem Kli­maskep­tik­er als Leute, welche eher einen Abschluss in Taschen­spiel­erei als in atmo­sphärisch­er Physik haben.

In diesen Bere­ich gehört auch das Argu­ment (Punkt g)), dass das CO2, wenn es denn mehr würde, von den Pflanzen aufgenom­men würde, wobei diese sog­ar zum Teil stimmt. Doch wie meist in der Real­ität sind die Dinge nicht so ein­fach. Denn Pflanzen kön­nen nicht ein­fach alles CO2 aufnehmen, das in der Luft ist, es hängt auch noch viel von den Nährstof­fen im Boden ab. Weltweite Mes­sun­gen haben ergeben, dass Pflanzen etwa ein Vier­tel der vom Men­schen erzeugten CO2-Last aufnehmen. Das Meer nimmt ein weit­eres Vier­tel auf (und wird sauer) und der Rest bleibt in der Luft. Zudem gibt es noch C3 und C4-Pflanzen… aber das geht zu weit für eine Kolumne.

Faz­it: Es bleibt nicht viel Stich­haltiges an den Argu­menten übrig. Sie alle zerkrümeln bei genauem Hin­se­hen oder sind besten­falls nicht schlüs­sig.

Bleiben noch zwei Dinge, die in dem Gespräch auch tang­iert wur­den, nicht ignori­ert wer­den soll­ten, aber auch nicht wirk­lich heit­er stim­men: Das Prob­lem Bevölkerungswach­s­tum: Hier muss ganz klar ein OK gegeben wer­den: Dies ist ein riesiges Prob­lem. Einzig: Wenn es kein Klimaprob­lem gibt, warum wäre dann die wach­sende Pop­u­la­tion ein Fak­tor? Kommt dazu, dass hier der 3. Welt die Schuld für ein Prob­lem, das bei uns seit 100 Jahren geschaf­fen wird, geben wird. Ja — das Bevölkerungswach­s­tum ist ein Prob­lem, dass auch gelöst wer­den musst. Nur, es lässt uns nicht vom anderen Hak­en und es ist nicht der Freib­rief, als den es so gerne benutzt wird.

Die Lösung Kernkraft: Da die Kern­fu­sion immer noch auf sich warten lässt, wäre die Kernen­ergie ver­mut­lich eine der besten Lösun­gen für das Energieprob­lem, ohne das Kli­ma zu belas­ten. Doch diese ist durch die Kernin­dus­trie selb­st sehr erfol­gre­ich sabotiert wor­den ist, weil sie die für die zivile Nutzung denkbar ungeeigneten Druck­wasser­reak­toren (ursprünglich für U‑Boote entwick­elt) mit Uran als Brennstoff forcierten, die weit über 90% des Brennstoffs nicht aus­nutzen. Dafür pro­duzierten diese viele Rohstoffe für Kern­waf­fen. Die Alter­na­tive, der prak­tisch ohne Abfall und Betrieb­srisiko arbei­t­ende Tho­ri­um­reak­tor, schlum­mert der­weil in den Annalen der Forschungs­geschichte als die Lösung, die nie­mand angreifen will, weil nach Tsch­er­nobyl und Fukushi­ma das Image der Kernen­ergie ein­fach beschissen und poli­tisch fast unreparier­bar geschädigt ist.

Bleibt als Schlussfol­gerung: Der Kli­mawan­del ist Real­ität, so unan­genehm dies auch ist — da helfen auch keine argu­men­ta­tiv­en Trick­sereien dage­gen.