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Flurin Caviezel: Beim dritten Ton

Von Tabea Stein­er - Seinen Namen hat man irgend­wo schon ein­mal gehört, nur tönt dieser halt so fremd, und wer weiss, ob sich dahin­ter nicht die vierte Lan­dessprache ver­steckt. Da wer­den Deutschschweiz­er mis­strauisch, weil sie ja kein Rätoro­man­isch ver­ste­hen. Die Bünd­ner spie­len diesen Trumpf gemein­hin scham­los aus, und warum sollte ein Kabaret­tist aus dem Graubün­den dies nicht umso mehr tun? Wenn die erste Schwellenangst aber erst mal über­wun­den ist und man «Flurin Caviezel» auf Google eingetippt hat, dann ent­deckt man, dass hin­ter dem Namen, hin­ter der unschein­baren Erschei­n­ung etwas steckt, das sich zu erforschen lohnt. Vielle­icht muss man dreimal schauen, doch spätestens beim drit­ten Ton, da ver­ste­ht man.

Aufgewach­sen ist der Kabaret­tist Flurin Caviezel im Unteren­gadin, im Bergell und in Chur. Nach dem Studi­um der Musik und Geschichte arbeit­ete er eine Weile als Kan­ton­ss­chullehrer und machte sich während­dessen selb­st­ständig als freis­chaf­fend­er Musik­er mit Schw­er­punkt The­ater, arbeit­ete fürs Radio und das rätoro­man­is­che Fernse­hen. Daneben beschäftigte er sich mit den ver­schieden­sten For­ma­tio­nen und The­ater-Pro­jek­ten, woraus sich Zusam­me­nar­beit­en mit Kün­stlern wie Dodo Hug, Leo Tuor, Jaap Achter­berg und vie­len anderen ergaben. Flurin Caviezel wurde bere­its mehrfach aus­geze­ich­net, so unter anderem mit dem Annerken­nung­spreis der Stadt Chur, oder 2006 mit dem Kul­tur­preis der SRG SSR idée suisse, svizra rumantscha. Ausser­dem schreibt er für DRS 1 Mor­gengeschicht­en.

Nach­dem der Mul­ti­in­stru­men­tal­ist, Musik­wis­senschaftler und Kabaret­tist seine fes­ten Anstel­lun­gen gekündigt hat­te, machte er sich auf, neue Wel­ten zu erkun­den, jene Welt, die aus den Bret­tern beste­ht, die die Welt bedeuten. Sein erstes Solo­pro­gramm nan­nte er «Der Forschungs­bericht». Ausser­dem war er mit Fran­co Met­tler unter­wegs, mit dem er die bei­den Pro­gramme «dal sud all’est» und «Franz­Tanz» zusam­men­stellte und damit eben­falls erfol­gre­ich auf diversen Klein­büh­nen der Schweiz auf­trat. Bere­its in diesen Pro­gram­men herrschte nicht nur «in musikalis­ch­er Hin­sicht eine InsTanz mit Sub­sTanz und hoher Akzep­Tanz.»

Nun ist Flurin Caviezel wieder auf Solop­faden unter­wegs. Sein abend­fül­len­des Pro­gramm «Beim drit­ten Ton…», in dem er als Komik­er und Musik­er gle­icher­massen vir­tu­os fungiert, speist sich aus banal­sten All­t­agssi­t­u­a­tio­nen. Mit Wort­spiel­ereien und mimis­chem Geschick bringt er diese in Zusam­men­hänge, die vorher so nicht erahn­bar waren, mis­cht den All­t­ag mit Humor auf, würzt das Ganze mit musikalis­chem Kön­nen und unter­hal­ter­ischem Geschick. «Beim drit­ten Ton» ist ein Stück, das sich zusam­menset­zt aus mehreren Sequen­zen, und die Minuten und Sekun­den wer­den zeit­los; Caviezel dreht mit über­raschen­dem Wortwitz an der Zeit, und schon ist der Abend um.

Flurin Caviezel beschäftigt sich in seinem aktuellen Büh­nen­pro­gramm denn auch vor allem mit der Zeit. In der Regie hat Paul Weibel alle Hände voll zu tun, und auch die Zuschauer kriegen vieles an den Kopf gewor­fen, das sie sich hin­ter die Ohren schreiben soll­ten. Kurz und gut, das Cre­do von Caviezel lautet: «Wer die Zeit nicht im Griff hat, den hat die Zeit im Griff!»

Er begin­nt von den Sim­u­lanten zu erzählen, die immer alles simul­tan machen, um Zeit einzus­paren. Seine eige­nen Ratschläge set­zt er denn flugs grad sel­ber um, indem er gemein­hin bekan­nte Musik­stücke verkürzt und auf das Notwendi­ge reduziert. Sehr lustig ist er dann, wenn er einen Rap­per nachahmt, welch­er der Frau sein­er Träume eine Liebe­serk­lärung machen will: Er nimmt die Jugend und den Rap auf die Schippe, ohne deren Qual­ität­sansprüche zu unter­graben.

Ern­stere The­matik packt er an, wenn er von einem kleinen Jun­gen erzählt, der gerne mehr Zeit mit seinem Vater ver­brin­gen würde, oder son­st wenig­stens mit einem Geschwis­ter, und sich mit seinem Anliegen an die Mut­ter wen­det. Doch der Wun­sch muss uner­füllt bleiben, hat der Vater ja eben keine Zeit. Seine musikalis­che Begleitung macht die Episo­den zu einem wortwitzi­gen Hörvergnü­gen, die dop­pel­bödi­ge Ein­fach­heit ver­lei­ht seinem feinsin­ni­gen Schaf­fen Tief­gang.

Stets bleibt der Musik­er und Kabaret­tist Flurin Caviezel aber bei sich sel­ber, er scheint eine ein­fache und beschei­dene Erschei­n­ung zu sein – was aber sein­er Präsenz keinen Abbruch tut, im Gegen­teil. Er füllt die Bühne mit sein­er Fig­ur, und der Leer­raum neben den weni­gen Req­ui­siten, ein Stuhl und ver­schiedene Instru­mente, ist bewusst gestal­tet, lässt Raum für das, was Flurin Caviezel unaus­ge­sprochen lässt, das, was in den Ohren des Pub­likums zuweilen erst beim drit­ten Mal ertönt, leise zwar, aber bes­timmt.

8. Feb­ru­ar, 17:00; Markuskirche,
Schul­strasse 45, Thun

Foto: zVg.
ensuite, Feb­ru­ar 2009

Artikel online veröffentlicht: 2. August 2018