• zurück

Fritz Bohnenblust: Foto-Geschichten vom ländlichen Alltag vor 100 Jahren

Von Karl Johannes Rech­stein­er - In Heimis­bach im oberen Emmen­tal ging einst Schrift­steller Simon Gfeller zur Schule. Hier erzählt eine Son­der­ausstel­lung mit Fotos und Objek­ten vom ländlichen All­t­ag vor 100 Jahren. Damals fotografiert von Fritz Bohnen­blust, Lehrer und Kul­tur­förder­er.

Das Dör­fchen Thal ist mit dem Bus erre­ich­bar. Die Fahrt in der weitläu­fi­gen Gemeinde Tra­ch­sel­wald führt hin­aus in eine Land­schaft, die einst Dür­rgraben genan­nt wurde. Allerd­ings wurde die dor­tige Post­stelle im Jahr 1968 zum 100. Geburt­stag von Simon Gfeller nach dessen erstem Buch in «Heimis­bach» umbe­nan­nt. In träfem Bern­deutsch erzählte der Schrift­steller schon damals nicht nur von bluemete Trögli, er sprengte mit seinen Tex­ten das prov­inzielle Denken. Wo er zur Schule ging, wirk­te auch Fritz Bohnen­blust: Von 1918 bis 1951 als Lehrer an der Ober­stufe. Nun ist der Fotograf sel­ber in den ehe­ma­li­gen Schul­stuben das Haupt­the­ma – das Simon-Gfeller-Muse­um lädt bis im Herb­st 2024 zur Son­der­ausstel­lung über den engagierten Kul­tur­förder­er.

Die ländliche Welt im Blick
Fritz Bohnen­blust stammte aus ein­fachen Ver­hält­nis­sen und ver­lor früh seine Eltern. Er wuchs bei sein­er Stief­mut­ter auf und besuchte die Sekun­darschule in Lan­gen­thal und das Lehrersem­i­nar Muristalden in Bern. Der Erste Weltkrieg ging zu Ende, als er seine erste Stelle im Schul­haus Thal antrat, wo er bis nach dem Zweit­en Weltkrieg unter­richtete. Als Reform­päd­a­goge führte er den «Gesam­tun­ter­richt» ein. Die Fotografie sah er als Instru­ment der Bil­dung und richtete im Schul­haus eine Dunkelka­m­mer ein. Er doku­men­tierte den Schu­lall­t­ag von der Fen­ster­putzete bis zum Schulthe­ater, fotografierte die Bauern bei der Arbeit und ihre ländliche Lebenswelt. Neben­bei hielt er Licht­bild­vorträge, zeigte Filme und engagierte sich in Gemeinde und Kirche. Lokal und vor Ort wider­spiegel­ten sich in seinem Dorf die grossen The­men der Welt.

Mist­träget – vom hau­seige­nen Mist­stock geht’s schw­er beladen hin­auf auf die Höger, wo Wiesen und Mat­ten auf Dünger warten. Foto: Fritz Bohnen­blust

Die Son­der­ausstel­lung gibt Hin­weise auf die dama­li­gen Her­aus­forderun­gen und zeigt Fotos und Objek­te dazu: In jedem Dorf wur­den Internierte unterge­bracht – sie kamen etwa aus Polen während den Kriegswirren ins stille Emmen­tal, wo sie von frei­willi­gen Frauenkomi­tees betreut wur­den. Als die Rohstoffe aus­gin­gen, wur­den Fahrzeuge auf Holzver­gas­er umgerüstet und Schulkinder sam­melten in ein­er Aktion ton­nen­weise «Tann­zapfen statt Kohle». Jung­bauern kämpften poli­tisch für eine gesellschaftliche Umwälzung, manche liebäugel­ten dabei mit dem Nation­al­sozial­is­mus. Fritz Bohnen­blust betreute in diesem Umfeld eine Ver­sand­bib­lio­thek mit tausenden von Büch­ern und schick­te aus dem Estrich des Schul­haus­es anre­gende Lek­türe im Land herum.

Nach­haltige Ausstel­lung
Offen für die Medi­en wurde Bohnen­blust im Kampf gegen Alko­holis­mus und für die Ver­bre­itung des Süss­mostes selb­st zum Schriftleit­er der Zeitschrift «Vorspann». Über den Erfolg des Radios schrieb er 1952, was für den Umgang mit Medi­en heute noch gilt: «Der Men­sch darf daher ihre mächtige Flut nicht kri­tik­los über sich erge­hen lassen. Daher kann als erstes Gebot für den Radio­hör­er gel­ten: Lerne auswählen! Auch der Bauer muss wis­sen, welche geistige Kost ihm sel­ber und seinem Hause zuträglich ist. Das bed­ingt bewusste Erziehungs- und Schu­lungsar­beit.»

Schul­buben beim Schul­haus in Heimis­bach – Lehrer Bohnen­blust wurde bekan­nt durch die Fotografien vom All­t­ag der Kinder. Foto: Fritz Bohnen­blust

 

Die Begeg­nung mit Bohnen­blust als Beobachter fasziniert den Ausstel­lungs­mach­er Jürg Ret­ten­mund von der Simon-Gfeller-Stiftung: «Zu ein­er Zeit, als es noch keine Foto-Flut gab, hat Bohnen­blust Bilder vom All­t­ag gemacht, die uns heute Geschichte erzählen.» Passend dazu hat der His­torik­er und ehe­ma­lige Redak­tor der «Bern­er Zeitung» mit ein­fachen Mit­teln, span­nen­den Tex­ten, den alten Fotos und aus­gewählten Objek­ten eine Ausstel­lung zum Ver­weilen geschaf­fen.

Der Diapro­jek­tor aus der Schule von Fritz Bohnen­blust zeigt in der Ausstel­lung, dass der Lehrer auch Kul­tur­förder­er war und ein beson­deres Flair für die Fotografie besass. Foto: Karl Johannes Rech­stein­er

 

1951 wurde Bohnen­blust zum Leit­er ein­er Reha­bil­i­ta­tion­sstätte für Strafent­lassene in Gel­terkinden. Später war er erneut Lehrer in Faulensee und für die Basler Mis­sion in Kamerun. Die let­zten Leben­s­jahre ver­brachte er mit sein­er Frau Rösi Bohnen­blust-Beut­ler in Merli­gen am Thunersee.

 

Wo Fritz Bohnen­blust wirk­te
Das alte Schul­haus Thal beherbergt das Simon-Gfeller-Muse­um. Am Sam­stag, 4. Mai 2024, 11 Uhr, eröffnet hier mit ein­er Vernissage die Son­der­ausstel­lung zu Fritz Bohnen­blust, Lehrer, Fotograf und Kul­tur­förder­er. Hier wirk­te er von 1918 bis 1951 an der Ober­stufe, wo auch Simon Gfeller zur Schule ging. Bohnen­blust ist bekan­nt für seine Fotos von Schulkindern und vom bäuer­lichen Arbeit­en und Leben. Die Son­der­ausstel­lung zeigt sein fotografis­ches Schaf­fen und würdigt zum ersten Mal sein bre­ites Wirken.

Die Ausstel­lung ist bis am 31. Okto­ber 2024 täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Öffentliche Führun­gen am 12. Mai und jew­eils am ersten Son­ntag des Monats um 11 Uhr. Details bei www.simongfeller.ch

Artikel online veröffentlicht: 11. Juni 2024