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Für die Katz

Von Iri­na Mahlstein - Es gibt jene Men­schen, die haben das ganze Leben im Griff, alles ist geplant und es kommt dann auch genau so. Die wussten schon als sie zwölf Jahre alt waren, dass sie zum Beispiel Medi­zin studieren wollen. Und das tun sie dann auch. Studieren ein­fach alles durch und gehen dann zurück, wohnen sozusagen wieder da, wo sie aufgewach­sen sind, und nehmen dort eine Stelle an. Ver­rückt, so was. Ich mache ja auch ständig Pläne, ich bin wohl eine der besten Planer­in­nen der Welt. Ich würde ohne mit der Wim­per zu zuck­en einen Ter­min für Juni 2011 aus­machen. Kein Prob­lem, würde mir nicht ein­mal als etwas Son­der­bares auf­fall­en. Ich brauche immer einen Plan, am besten einen ganzen Leben­s­plan. Nur: Bei mir lösen sich diese wun­der­schö­nen Pläne allzu oft wieder in Luft auf, es ver­schwindet ein­fach alles. Weg! Und ich bas­tle mir wieder einen neuen Plan, der mir natür­lich viel bess­er als der erste erscheint. Und schlussendlich kommt dann trotz­dem alles anders.

Son­st hätte ich wohl franzö­sis­che Lit­er­atur studiert. Wäre schon lange mit dem Studi­um fer­tig und wäre Franzö­sis­chlehrerin an irgen­deinem Gym­na­si­um gewor­den, wo ger­ade eine Stelle frei gewe­sen wäre. Irgend­wo im tiefen Aar­gau oder so. Hätte eine schöne Miet­woh­nung und eine Katze (ich finde Katzen unglaublich toll!). Aber nein: Nach einem fehlgeschla­ge­nen Studi­um in Agrar­wis­senschaften — ich war wohl geistig umnachtet, als ich mich dafür eingeschrieben habe — bin ich bei den Öko­fuzzis gelandet, will plöt­zlich die Welt, beziehungsweise das Kli­ma ret­ten, und sitz nun immer noch in der geschützten Werk­statt, im Bau halt. Ohne hand­feste Pläne, obwohl schon fast dreis­sig, was denn eigentlich aus mir wer­den sollte. Ist ja auch o.k. Wenn da nur nicht diese heimgekehrten Superärzte wären, die einem dann ständig unter die Nase reiben, dass man doch noch gar nichts erre­icht hat, und sie sich bere­its um all die alten Damen im Kaff küm­mern kön­nen, die son­ntags vergessen haben, ihre Medi­zin runter zu spülen und deshalb mon­tags extra Liebko­sun­gen von einem aus­ge­bilde­ten Medi­zinge­ber brauchen.

ch hänge dafür in mein­er über­teuerten Miet­woh­nung in Zürich, habe ger­ade einem wun­der­baren Men­schen Asyl in mein­er Woh­nung ange­boten, lebe also sozusagen wieder in ein­er WG. Geniesse sog­ar wieder den WG-All­t­ag und lache mich kaputt, wenn die lieb­ste Mit­be­wohner­in am Mor­gen zuerst in die Migros ren­nt, sich dort Mas­cara kauft, weil sie es vergessen hat, sich dort im Klo ein­schliesst, um zuerst ein­mal den Wim­pern schwarze Far­ben zu geben, bevor so richtig auf die Strasse getreten wird. Her­rlich, sowas. Bess­er als vio­lett-blau leuch­t­ende Haare zu emp­fan­gen, die aus älteren Köpfen spriessen, um dann deren Puls an einem ledri­gen Ärm­chen zu fühlen.

Allerd­ings, eine Katze hätte ich schon sehr gerne. Katzen sind putzig, und haben was drauf. Da gibt es diese Schmusekatzen, die sich einem gle­ich vor die Füssen wer­fen und sich rollen in höch­ster Wonne und einem unmissver­ständlich mit­teilen, dass man nun gefäl­ligst ihren Bauch kraulen soll. Dann gibt es die immer grim­mi­gen Viech­er, die stolz ihr Revi­er vertei­di­gen, oder dann die stolzen Kater, die ihre Nase nicht genug hoch hal­ten kön­nen. Jene, die dann im Früh­ling allen anderen die Weibchen auss­pan­nen. So wie etwa Man­ni Mat­ters Fer­di­nand. Das arme Ding find­et lei­der einen grausamen Tod. Der Herr Brändli, der hat­te vielle­icht an jen­em Tag, an welchem er dem Fer­di­nand ein Ende machte, ganz viele vio­lette Damen bei sich, die anstatt den grü­nen Pillen die roten woll­ten.

Aber ich muss sagen, dieses uner­wartete WG-Leben, das hält mich jung. Und da ich nun doch langsam gegen die Dreis­sig zus­teure, muss man Strate­gien entwick­eln um gegen das fortschre­i­t­ende Alter anzutreten. Auf alle Fälle geniesse ich die DVD-/Cu­ba-Libre-Abende auf unserem Sofa. Bei diesen Gele­gen­heit­en erscheint es mir dann extremst sinn­los, einen Leben­s­plan zu entwick­eln, und nehme mir jew­eils vor, mehr im Jet­zt zu leben, ein­fach ein wenig in den Tag hinein.

Foto: Bar­bara Ine­ichen
ensuite, März 2009

Artikel online veröffentlicht: 7. August 2018