Von Lukas Vogelsang — Bern denkt laut über eine Fusionierung des eher traditionellen Kunstmuseums Bern und des monografischen, eher modernen Mehrspartenhauses Zentrum Paul Klee nach. Ich versuche einmal mitzudenken, und die politischen Gedanken ganz unpolitisch und möglichst institutionell wertfrei auszulegen. Gedankliche Tendenzen kann ich mir leider nicht ersparen:
In erster Linie überrascht die Feststellung aus dem Zwischenbericht vom 26. November 2012, dass mit einer Zusammenlegung beider Museen keine Wirtschaftlichkeit gewonnen werden kann. Das Einzige, was sich verbessern würde, wäre die politische Situation des Zentrums Paul Klee, und im besten Falle noch die organisatorischen Möglichkeiten. Doch sparen ist hier nicht möglich. Um Geld geht es also nicht. Wozu sollten Museen dann fusionieren? Macht das Sinn?
Wenn Geld nicht das Motiv ist, dann kann ein solcher nur auf der administrativen oder künstlerischen Seite liegen. Allerdings war die ursprüngliche Absicht eine andere. Oder ist es möglich, dass durch die Fusion ein ganz anderes Ziel angestrebt wird? Zum Beispiel politischer Natur? Es ist einfacher, nur über ein «renommiertes» Museum zu diskutieren, als über deren zwei – vor allem, wenn es sich um Zusatzkredite und allgemein die finanzielle Beteiligung der Regionalgemeinden dreht.
Es liegt nahe, dass man sich durch eine Zusammenlegung eine effizientere Organisation vorstellt, die eine neue Dynamik erzeugen könnte. Man redet gerne von Effizienz, stellt sich vor, dass man mit zusammengelegten Marketingabteilungen, Lagerverwaltung, Administration mehr gewinnen kann. Ich persönlich stelle immer das Gegenteil fest: Je grösser ein Betrieb, umso anonymer die Mitarbeit darin, umso weniger persönliches Engagement finden wir vor. Schlussendlich leidet eben gerade die Effizienz dadurch – ein Problem aller Verwaltungen überall auf der Welt. Aber auch in der Wirtschaft kennen wir diese Probleme: Je grösser der Betrieb, umso komplizierter die Strukturen, die interne Kommunikation und die arbeitstechnischen Wege: Für eine simple Supportanfrage müssen Formulare ausgefüllt werden, und selbst auf die kleinste Abweichung von der Normalität – also, sobald Beweglichkeit in der Verwaltung gefragt ist – folgt ein Sitzungsmarathon, der Folgeprojekte im Keim erstickt. Viele Verwaltungen scheinen indirekt jeden Vorstoss unterbinden zu wollen unter dem Motto: «Denken sie erst gar nicht daran!» Sicher, so gross würde der Zusammenschluss dieser beiden Museen nicht. Es besteht also noch immer Hoffnung, dass man etwas gewinnen kann. Nur was?
Für das Publikum oder die BesucherInnen werden es immer zwei Institutionen bleiben. Das wird keine Fusion ändern können. In der Lagerung von Kunst, in der Technik und in den administrativen Abläufen scheint eine Fusion oder Kooperation sinnvoll zu sein – mit den obengenannten Bedenken. Auch marketingtechnisch macht es auf dem Reissbrett Sinn, einen Plan und nicht zwei erstellen zu müssen. Nur: Illusorisch ist es deswegen, weil die gesamte Organisationsstruktur der Museen umgekrempelt werden muss. Das Marketingbudget einer Kulturinstitution ist produktionsabhängig oder eben ausstellungsabhängig. Das Budget läuft zusammen mit der Kunstvermittlung jedes einzelnen Projektes, ist also nur mit dem jeweiligen Kurator und den AusstellungsmacherInnen gemeinsam zu definieren. Ein Museum hat heute schon die grösste Mühe, diese Budgets im Überblick zu behalten. Wie man also zwei Museen parallel verwalten will, müsste man mir erst noch erklären. Ich glaube nicht, dass dies funktionieren kann.
Nicht zu unterschätzen ist auch, dass für eine solche Organisation fähige Führungskräfte gefordert sind, welche sich vor beide Betriebe spannen lassen und akzeptiert werden. Bern hat es bisher versäumt, selber adäquat qualifizierte Persönlichkeiten grosszuziehen. Wir wären mehr oder weniger angewiesen auf Hilfe von Aussen – was wiederum ein schwieriges Gefüge geben könnte.
Die Vermutung, dass der Zusammenschluss und damit eine grössere Museumsinstitution mehr BesucherInnen anlocken könnte, ist gewagt. Schliesslich haben wir zwei Museen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Das Kunstmuseum Bern ist stadtzentral in einem bernischen Sandsteingebäude, und das Zentrum Paul Klee in einem modernen architektonischen Wurf von Renzo Piano am Stadtrand von Bern situiert. Tradition und Moderne. Künstlerische Vielfalt und monografisches Haus. Sogar geographisch liegen Welten zwischen den Museen – und schlussendlich sind beide auch in der Funktion und Sammlungsarbeit ganz unterschiedlich angelegt. Warum also sollten jetzt mehr BesucherInnen nach Bern pilgern, wenn die beiden Museen unter einem Unternehmensdach vereint würden? Wer ins Kunstmuseum will, wird auch weiterhin dort hingehen – gleiches mit dem Zentrum Paul Klee. Aber ob nur aufgrund eines gemeinsamen Eintrittstickets, welches natürlich auch teurer wäre und mit der Komplexität aller Sonderausstellungen für die BesucherInnen intransparent würde, mehr Frequenz erreicht werden kann, scheint mir schleierhaft. Das wäre möglich, wenn die Institutionen gemeinsame und viel grössere Ausstellungen organisieren würden, die in der Form einzigartig wären. Doch dazu brauchen beide Institutionen mehr Geld. Wie zu Beginn bereits erwähnt: Um Geld geht es aber nicht – schon gar nicht um mehr davon – in der finanziellen Schieflage, in welcher sich Stadt und Kanton befinden.
Meine ersten Gedanken zu einer Fusion waren ganz positiv der Sache gegenüber. Grösse und Macht haben immer eine faszinierende Wirkung auf Politik und Gesellschaft. Grosse Dinge sind gut – Kleines kümmerlich, nicht der Rede wert. Die Faszination «Masse» blendet – auch wenn wir schon lange wissen, dass dies falsch ist. Laut dem Zwischenbericht gehören beide Museen zu den führenden Schweizer Museen. Wo ist ein Mehrwert, wenn zwei Museen führend sind und wir diese zu einem reduzieren? Bern verliert damit ein «Museen mit nationaler Ausstrahlung». Sicher, wir müssen für zwei Museen Subventionen bezahlen. Aber mal ehrlich: Das ist eine Verwaltungstätigkeit, die wir einfach eingehen müssen. Wir könnten uns allerdings dafür einsetzen, dass beide Museen politisch besser abgestützt und durch die Subventionierung besser getragen wären. Wenn zwei Museen um BesucherInnen buhlen, so ist das erreichbare Besucher-Spektrum grösser, als wenn nur eine Institution sich promotet. Eine ziemlich einfache Binsenwahrheit. Den Beweis hat der Zusammenschluss vom Berner Symphonieorchester (BSO) und dem Stadttheater Bern geliefert: Seit beide Häuser unter einem Dach vereint sind, ist das BSO unsichtbar geworden. Die neue Institution ist gefühlt kleiner, und hat die Wichtigkeit des renommierten Orchesters entthront. Das war nicht die ursprüngliche Idee – aber die Realität des Jetzt. Diesen Zustand rückgängig zu machen wird schwierig, und so ist der Verlust grösser als der Gewinn. Ich gehe davon aus, dass sich das gleiche Debakel bei einer Fusion der beiden Museen einstellen würde.
Andersrum kreiert ein Zusammenlegen beider Museen Angst. Menschen verlieren ihre Stellen, ihre Funktionen, ihre Positionen, ihre Macht. Stiftungen und Institutionen, welche sich jahrelang mit finanziellen Aktionen an einer Sache beteiligten, welche Ihre Stiftungssammlungen zur Verfügung stellten, werden plötzlich ihres Ziels beraubt. Dies ist übrigens ein Punkt, der mir im Zwischenbericht aufgefallen ist: Niemand spricht über die einzelnen Ziele, sondern nur über den «IST-Zustand». So bestehen die Museen nicht aus Geschichte, Gegenwart und Zukunft, und man versucht auch nicht, diese Zeiten zusammenzubringen, sondern zerstört diese Zeiten und will einfach etwas Neues bauen. Das kann so nie funktionieren, ohne dass sich Widerstand formiert. Die Krankheit des zeitgenössischen Denkens ist, dass wir die Geschichte vergessen.
Matthias Frehner, der Direktor des Kunstmusems Bern, hat es an der Pressekonferenz richtig auf den Punkt gebracht: Zwei Museen zusammenzufügen macht keinen Sinn. Wenn schon, dann müsste man eine Dachorganisation für mehrere Museen in Bern bauen. Erfolgreiche Projekte dazu gibt es in Deutschland und Österreich. Bei diesem Modell würde genau der geschichtliche Teil in den Museen bleiben, und die Organisation massiv verbessert und vereinfacht.
In der Diskussion wird ja auch das Kooperationsmodell überdacht. Nun, einer Kooperation steht nie etwas im Wege – und bereits jetzt arbeiten die beiden Museen ganz gut zusammen. Eine Kooperation würde aber nichts Neues bringen. Lassen wir also lieber alles beim Alten und lösen die Probleme, in dem wir der Politik und den BernerInnen erklären, warum wir mit zwei Museen besser fahren.
Foto: ZPK 2004, Pierre Marti www.pierremarti.ch
ensuite, Februar 2013