Von Lukas Vogelsang — Am Swiss Economic Forum in Interlaken lernten sich Gwendolyn Masin, künstlerische Leiterin, und Christoph Ott kennen, organisatorischer Leiter vom GAIA-Kammermusikfestival in Thun. Seither ist aus dieser Begegnung eines der wichtigsten klassischen Musikfestivals in der Schweiz entstanden. Während Gwendolyn Masin künstlerisch sprudelnd ihr kreatives Netzwerk nach Thun bringt, wäre ohne Christoph Ott, einen renommierten Berner Architekten, nichts möglich. ensuite unterhielt sich mit dem Bau-Visionär und auch Mentor des Festivals über seine Beweggründe.
Herr Ott, was bewegt Musik in ihnen, dass sie sich als Unternehmer auf GAIA eingelassen haben?
Mit meinem Engagement und dem der OK-Mitglieder können wir einen wichtigen Beitrag an die Werterhaltung der Gesellschaft leisten.
Was verbindet sie mit der Musik und warum beteiligen sie sich an einem Kammermusik-Festival? Spielen sie selber auch ein Instrument?
Ich bin mit der Pop- und Rockmusik der 70er Jahre grossgeworden. Klassische Kammermusik zu hören löst heute bei mir aber andere und grös-sere Gefühle und Emotionen aus, obwohl ich kein Instrument spiele.
Das GAIA-Festival erhält keine öffentlichen Subventionen, dafür treten sie, neben anderen, als Kulturförderer ein. Was bedeutet für sie dieses Engagement?
Dass sich die Stadt Thun und andere öffentliche Institutionen so zurückhalten ist mehr als schade. Die Chance in Thun und Umgebung in den herrlichsten, historischen Örtlichkeiten eine internationale klassische Szene aufzubauen wird vergeben. Es braucht nicht millionenteure moderne Bauten um klassische Musik von höchster Qualität dem Konzertpublikum weiterzugeben. Nicht nur die Reaktionen des Publikums, sondern auch das Feedback der Musiker hat uns bestätigt, dass die gewählten Konzertorte in ihrer Gesamtheitlichkeit – und damit meine ich Geschichte, Architektur, Akustik, Raumambiente und die natürliche Umgebung – einmalig sind in der Schweiz oder sogar im internationalen Vergleich. Mein Engagement soll dies auch so manifestieren.
Die öffentliche Kulturförderung leidet unter dem Sparmesser und manchmal sind die Auswahlkriterien für unterstützte Projekte für Aussenstehende nicht nachvollziehbar. Ist private Kulturförderung für sie als Unternehmer eine brauchbare Lösung für dieses Problem oder nur eine Notlösung, damit ein Festival, wie GAIA, überhaupt überleben kann?
Es wäre viel einfacher, die Privatwirtschaft zum Mitmachen zu bewegen, wenn die Öffentlichkeit auch ihren Schritt tut. Die Ausgangslage in Thun wäre ideal und nachhaltiger. Thun hat trotz grossem finanziellen Engagement das SEF an Interlaken verloren, notabene wegen schlechterer Infrastruktur. Die Infrastruktur für ein klassischers Festival wurde in Thun und Umgebung vor hunderten Jahren bereits gebaut.
Wenn aus der Privatwirtschaft Geld für Kultur fliesst, kommt rasch von der öffentlichen Hand das Feedback, dies sei «Erpressung». Beim Zentrum Paul Klee wurde das gross debattiert und Milliardär Hansjörg Wyss hat sich öffentlich darüber geärgert und sich schliesslich aus einem Grossprojekt zurückgezogen. Ist das für sie auch ein Thema?
Ein heikles Thema. Ich gehe davon aus, dass das Kleezentrum wie die Fondation Beyeler in Zukunft immer mehr von der Öffentlichkeit getragen werden müssen, weil die grossen privaten Mäzene fehlen. Die Fehler enstehen meistenes zu Beginn einer Planungsphase, weil Projektideen statt 50 Mio plötzlich 100 Mio kosten und somit auch die Betriebskosten während der gesamten Lebensdauer steigen. Das KKL Luzern ist ebenfalls ein solches Bespiel oder die neue Philharmonie in Hamburg, welche immer noch im Bau ist.
In den letzten 5 Jahren hat GAIA schon sehr viel erreicht. Wohin wünschen sie sich, dass das Festival sich weiterentwickelt?
GAIA braucht einen starken Partner, welcher bereit ist die finanziellen Risiken zu tragen. Mit dem künstlerischen Potential und der Schaffenskraft von Gwendolyn Masin wird das GAIA Kammermusikfestival immer klassische Musik auf höchstem Niveau und von Weltformat für die Konzertbesucher zelebrieren.
Foto: zVg.
ensuite, Mai 2011