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Gedanken zum Tanz-Festival “Heimspiel”

Von Kat­ja Zell­weger — Was haben ein Kör­perze­ichen, Reigen, eine Tanz­in­ten­siv­woche, die Frage nach der Bedeu­tung und dem roten Faden, drei Jäger in unter­schiedlichen Kun­stele­menten, «Kas­san­dra» von Christa Wolf, Betra­ch­tun­gen über eine Garder­obe, eine Bil­lig­pro­duk­tion und portable klas­sis­che Tänze gemein­sam? – Chore­ografie, Tanz und ein Fes­ti­val.

In der Dampfzen­trale tanzt das Fes­ti­val «Heim­spiel» wortwörtlich über Berns Bühne, dies schon zum vierten Mal. Ein Fes­ti­val für Bern­er und auswär­tige Chore­ografen, ihr Werk zu präsen­tieren, einan­der gegenüber zu stellen und sich damit den Weg in den nationalen Kün­stler-Pool zu ebnen.

Der Kun­st, Tanz zu kom­ponieren, tanzende Kör­p­er zu for­men und ihnen Bewe­gun­gen nach einem eige­nen inneren Konzept einzu­ver­leiben – der Chore­ografie –, wird an diesem Anlass genü­gend Wichtigkeit beigemessen. Im Laufe dieses Feb­ru­ars präsen­tieren sieben Chore­ografen ihr Werk, welch­es sie in Eigen­regie entwick­elt haben und oft selb­st auch tanzen. Das eigene Meti­er wird dabei disku­tiert und kri­tisch betra­chtet.

Das Fes­ti­val «Heim­spiel» zeigt im Foy­er per­ma­nent die Videoin­stal­la­tion «signs» von Manuela Imper­a­tori, die den Kör­p­er selb­st als Zeichen­träger ein­set­zt. Der erste Abend bein­hal­tet das Pro­jekt «open doors», frei nach dem Mot­to BYO, «Bring Your Own». Dabei kön­nen Bern­er Tanzschaf­fende ihre Ideen, ihr Tal­ent und ihre Tech­niken «mit­brin­gen», was dann zu einem Abend­pro­gramm zusam­mengestellt wird. Hier­mit wird ein­er­seits ein Ein­blick in die Bern­er Tanzszene gewährt, ander­er­seits aber vor allem der Arbeit­sprozess und nicht das Endresul­tat in den Mit­telpunkt des Inter­ess­es gestellt. Nach diesem Fes­ti­val­sauf­takt präsen­tieren jew­eils zwei Grup­pen am sel­ben Abend ihr Werk.

Den ersten Dop­pelabend bestre­it­et das «Trio 7d9» aus Bern sowie Hideto Hes­hi­ki. «Trio 7d9» provoziert all­ge­meine Erwartung­shal­tun­gen des Betra­chters und stellt die Frage nach der Bedeu­tung. Aus sich selb­st her­aus entste­ht Neues, dem zuerst Sinn zuge­sprochen wer­den muss, das Pub­likum ist gezwun­gen sich auf das Unbekan­nte einzu­lassen. Hideto Hes­hi­ki wiederum präsen­tiert sein Stück «arms», in dem drei Män­ner sich auf die Jagd begeben, jed­er alleine und auf seine Art und Weise, mit seinem Kun­stele­ment. Trotz­dem ver­mis­chen sich Tanz, Musik und Sprache. Die daraus resul­tierende Ver­wand­lung ist das, was den Chore­ografen fasziniert.

Am zweit­en Dop­pelabend beschäftigt sich die «Com­pag­nie be willie» mit der «Kas­san­dra» von Christa Wolf, welche kon­se­quent bis in den Tod han­delt. Hier­bei inter­essiert vor allem die Entste­hungs­geschichte des Pro­gramms, hat doch die Solotänz­erin drei Haupt­teile des Stücks an ver­schiedene Chore­ografen delegiert und aus den so ent­stande­nen Teilen eine ganze Vor­führung geschaf­fen. Am sel­ben Abend präsen­tiert zudem die Berner­in Francesca Honeg­ger einen unthe­ma­tisierten Raum, die öffentliche Garder­obe «Bird­er­obe». Das been­gende Raumge­fühl und die Bewe­gungsmöglichkeit­en darin wer­den erforscht – ein akustis­ches Spiel mit der Dis­tanz.

«Com­pag­nie Solo2» und Pao­lo dos San­tos bestre­it­en die let­zten Dop­pelabende. «Com­pag­nie Solo2» zeigt eine Tanz­para­bel auf die Kul­tur­poli­tik: «Eine Bil­lig­pro­duk­tion». Denn auch Tanz ist Bil­li­gar­beit, deswe­gen wird an Mate­r­i­al, Raum und Bewe­gung einges­part. Wie sich die Gren­zen von Qual­ität und Quan­tität ver­schieben und ein Wertez­er­fall stat­tfind­et, das wird in dieser Tanzper­for­mance dargestellt.

«Portable life?» von Pao­lo dos San­tos zeigt am sel­ben Abend den Ver­such, ob klas­sis­ch­er Tanz in einen aktuellen Zusam­men­hang geset­zt wer­den kann. Die Men­schheit befind­et sich absur­der­weise in ständi­ger Auseinan­der­set­zung mit der Ver­gan­gen­heit und der Frage, was davon über­leben wird.

Die Dampfzen­trale arbeit­et eng mit der «tanz aktiv­en plat­tform» (tap) zusam­men, welche das Pro­gramm zusam­men­stellt und die jun­gen Tanzschaf­fend­en bei der Ver­wirk­lichung ihrer Pro­jek­te kuratiert. «Heim­spiel» soll das ganze Jahr weit­er­laufen – bis Mitte des Jahres ste­ht das Pro­gramm schon. Das Ziel bleibt, näm­lich den (Bern­er) Tanzschaf­fend­en per­ma­nent die Gele­gen­heit zu bieten, ihre Stücke unter pro­fes­sionellen Bedin­gun­gen zeigen zu kön­nen.

Dem Tanz und der Chore­ografie wird ein Festi-val gewid­met, der Name «Heim­spiel» impliziert aber auch etwas anderes: Näm­lich im Daheim in Bern zu spie­len – also bekan­nte, ver­traute Gefilde zu bege­hen. Doch gle­ichzeit­ig läuft das Spiel mit der Konkur­renz, welch­es anstachelt, inspiri­ert und beflügelt. Heimvorteil beste­ht zwar, aber zur Ver­net­zung der Tanzschaf­fend­en haben die Dampfzen­trale und tap auch Kün­stler aus Zürich, Genf und Basel ein­ge­laden, die jew­eils am sel­ben Abend eine eigene Per­for­mance darstellen wer­den.

Wom­it sich ein alt­bekan­ntes Konzept abze­ich­net: Den Kön­ner-Blick auf das eigene Meti­er richt­en, dabei den Hor­i­zont erweit­ern, die Arbeit­skol­le­gen begutacht­en, Kon­tak­te knüpfen und somit der eige­nen Arbeit Aus­baufähigkeit ver­lei­hen und in grösserem Rah­men tätig wer­den. Ich spreche nicht davon, sich mit falschem Namen und Absicht­en incog­ni­to in den Konkur­renz­be­trieb ein­schleusen und diesen schlimm­sten­falls «hops» gehen zu lassen. Ich spreche von einem kon­spir­a­tiv­en Aus­tausch, mit darge­bote­nen Möglichkeit­en zur Entwick­lung der eige­nen Arbeit und inno­v­a­tiv­en Begeg­nun­gen, ohne pein­liche Eigen­tore kassieren zu müssen.

Foto: Eine Bil­lig­pro­duk­tion / zVg.
ensuite, Feb­ru­ar 2009