Von Sarah Elena Schwerzmann — Interview mit Gorillaz: Sie stehen als erfolgreichste virtuelle Band im Guinness Buch der Rekorde. Nun präsentieren Gorillaz mit «Plastic Beach» ihr neues Album. Eine kleine Insel, gebaut aus einem Haufen Müll, irgendwo im Ozean. Das ist Plastic Beach, das neue Zuhause der Gorillaz. Hierhin haben sie sich nach der letzten Platte zurückgezogen, aber nicht etwa, um sich auszuruhen, sondern um Partys zu feiern und Kifferwettbewerbe gegen Snoop Dogg zu führen. Und so ganz nebenbei haben sie da auch noch ein neues Album aufgenommen, das wie ihr neues Zuhause heisst.
Die Jungs zum Gespräch zu treffen, gestaltete sich allerdings schwierig, da sie keinen Bock hatten, ihren Müllhaufen zu verlassen. Das mag damit zu tun haben, dass Bruce Willis mit geladener Knarre hinter ihnen her ist. Wa-rum? Das weiss man nicht so genau. Stattdessen hat uns Murdoc, der Kopf der Bande (das sagt er, nicht wir), für einen Tag nach Plastic Beach eingeladen, um mit ihm zu philosophieren und Jägermeister zu trinken. Und da hat sich dann das mit Bruce Willis auch noch geklärt …
Murdoc, Ihr seid schon seit mehr als zehn Jahren im Musikbiz. Wie habt Ihr Euch über die Zeit so weiterentwickelt?
Oh … ähm, das ist schwierig zu sagen. Ich bin mir nicht sicher, dass ich mich wirklich irgendwie entwickelt habe. Früher war ich ein bisschen kleiner und weniger grün im Gesicht, aber ich war eigentlich, schon seit ich reden kann, ein Rockgott mit wildem Lebensstil.
Danke. Ich meinte eigentlich die Musik …
Es gibt auf «Plastic Beach» ein Orchester, aber ob das wirklich eine Weiterentwicklung ist? Obwohl, jetzt wo ich es mir so überlege, ist es wohl eher ein Rückschritt. Ich bin mir nämlich sicher, dass die Orchestermusik in der Weltgeschichte der Musik vor dem Rocksound kommt … Da sind mehr Worte auf dem Album als auf den ersten beiden. Das ist sicher, ich habe sie nämlich gezählt. Aber sonst? Mmmmm.
Ihr habt wieder viele Stargäste auf der Platte. Wie habt ihr die alle auf Eure Insel gepackt?
Naja, Plastic Beach ist ziemlich klein, darum konnten wir auch nicht alle Gäste auf einmal bei uns auf der Insel haben. Als das Hypnotic Brass Ensemble zu uns rüber kam, mussten wir zum Beispiel die ganzen Bläser einzeln aufnehmen und sie dann im Studio wieder zusammenflicken. Stell dir das vor! Aber so wurde es uns wenigstens nie zu eng.
Und wer war auf der Insel der Boss?
Jeder Gastmusiker, der bei uns an Bord kommt, wird automatisch zu einem Teil der Band. Das ist auch der Grund, warum wir bei diesem Album all diese verschiedenen Musikstile und Künstler unter einen Hut bekommen haben. Wir arbeiten dann alle auf dasselbe Ziel hin: Wir wollen das bestmögliche Album machen, das wir in diesem Moment machen können und das die Stimmung, das Zeitalter und unsere Lebenslage reflektiert. Ähm Moment …
Was ist los?
Ich glaube ich werde langsam nüchtern, das bekommt mir gar nicht. Ich bin hier viel zu ehrlich mit dir. Wart’ mal kurz während ich mir ein Bierglas mit Jägermeister reinziehe …
Schluck. Wusste gar nicht, dass Comicfiguren wirklich so viel vertragen. Und wo das wohl hinfliesst?
Besser so?
Jaaaa! Viel besser! Wo waren wir? Ah ja: Also das Album ist unglaublich fantastisch, weil ich es geschrieben, aufgenommen und produziert habe. Und überhaupt bin ich total super! Nächste Frage bitte!
Wie habt Ihr entschieden, mit wem Ihr bei diesem Album zusammenarbeiten wollt?
Ich habe eine grosse Liste mit meinem Top 100 Künstlern bei mir an der Wand hängen und die bin ich durchgegangen. Die Künstler, die ich haben wollte, habe ich mit einer Stecknadel gekennzeichnet. Also ich hab’ die Stecknadel natürlich nicht in den Künstler selber reingepikst. Ich bin ja kein Sadist, oder wenn dann nur in meiner Freizeit. Normalerweise.
Und da war Snoop Dogg dabei. Wie war er?
Snoop war der Hammer. Er und seine Jungs sind bei uns mit einer privaten Yacht aufgefahren, mit viel Gold und Pelz behängt. Sie hatten immer einen Joint zwischen den Lippen und waren konstant von einer Wolke von Rauch umgeben. Snoop ist einfach der Mann der Stunde. Ich meine für viele war «Doggystyle» die Platte, durch die sie zum Hip-Hop und zum G‑Funk kamen. Genauso wie das De La Soul mit «3 Feet High and Rising … » gemacht haben.
Und wo hat er Dich mehr beeindruckt, im Studio oder im Club?
Wir verstehen uns ziemlich gut, aber er behauptet er sei das grösste Partytier überhaupt, was einfach lächerlich ist. Die Wahrheit ist, dass ich viel krasser Party mache als er. Wenn er dann mal grüne Haut im Gesicht hat und 120 Lucky Lungs am Tag rauchen kann, dann kann er wiederkommen und diesen Titel beanspruchen. Vorher soll er einfach den Mund halten!
Ihr werdet mit jeder Platte aggressiver und unglücklicher. Seid Ihr mit unserer Welt wirklich so unzufrieden?
Wir wollen eigentlich keinen sozialen Kommentar abgeben. Es ist für uns einfach nur normal, dass das, was um uns geschieht und uns beschäftigt, auch in unserer Musik wiederzufinden ist. «Plastic Beach» ist wie eine Collage von Schnappschüssen, die überall auf der Welt entstanden sind und wir haben sie zu einem Ganzen zusammengefügt. Es ist nur ein Bild, kein Urteil über die Welt. Ich glaube der Jägermeister klingt langsam ab.
Leises Grummeln. Sein Kopf fängt wohl langsam an zu schmerzen. Kein Wunder. Wie lange es wohl dauert, bis er das nächste Glas Jägermeister auf Ex trinkt?
Wenn Gorillaz die Welt beherrschten, welche Regeln würden dann gelten?
Was? Ich will doch nicht Präsident werden oder so. Ich bin schon der Kaiser von Plastic Beach, Herrscher über mein Gebiet … das sich mehr oder weniger auf ein Stück Ozean und einen Haufen Müll beschränkt. Ich will mich nicht in die Parteipolitik einmischen. Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich aussen vor bleibe. Aber was willst du wissen? Regeln?
Ja, die Gesetze der Welt von Gorillaz.
Ähm also, so aus dem Stehgreif heraus würde ich folgendes sagen: Respektiere deinen Nachbarn so wie dich selber, ausser der Nachbar ist 2D, dann würde ich alles ignorieren, was er sagt und ihn in einem Bunker einsperren. Dann würde ich Lou Reed und Mark E Smith zum Hochadel ernennen lassen. Weiter würde ich alle Karaoke artigen Singwettbewerbe am Fernsehen verbieten, und Trident Kaugummis würde ich da auch noch gerade ausrangieren, wenn ich schon dabei bin. Grundausbildung in Heavy Metal würde ich obligatorisch machen, und Nelson Mandela könnte man auch befreien. Oh nein, ähm, vergiss das letzte.
In Eurem Video «Stylo» werdet Ihr von Bruce Willis verfolgt. Werdet Ihr ihm bald eine Lektion erteilen?
Ach Bruce Willis ist das! Ich wusste doch, dass ich den Typen schon mal irgendwo gesehen habe. Danke, dass Du es mir gesagt hast, ich überlege schon seit Wochen, woher ich den kenne! Also Bruce Willis könnte ich so einige Lektionen erteilen zum Beispiel wie man den perfekten Drink mixt, einen Umhang stilvoll trägt oder wie man eine Bassgitarre richtig zupft.
Warum ist er eigentlich hinter Euch her?
Hast Du die schwarzen Wolken im Video gesehen? Die haben ihn geschickt. Ich habe ihnen mal ein paar gebrauchte Waffen verkauft und die waren irgendwie nicht mehr auf dem neuesten Stand … Dabei wollte ich doch nur meinen Beitrag zum Weltfrieden leisten! Als Dank dafür bin ich jetzt auf der Flucht. Aber vor Bruce Willis habe ich nicht Angst. Die Wolken machen mir da schon mehr Sorgen …
Sagt’s und schmeisst mich dann von seiner Müllinsel in den kalten Ozean. Na wenigstens hat er mir noch eine Flasche Jägermeister mit auf den Weg gegeben …
Bild: zVg.
ensuite, Mai 2010