Von Irina Mahlstein — Nach meiner tiefen Nach-Nepal-Krise hab ich mich wieder in den Bau eingewöhnt. Denn eigentlich bietet einem der Bau ja schon die Treppe in den Himmel geradezu an. Wie kann man sich da nicht wohl fühlen? Denn geht man den einen verschlungenen Weg nach oben zum Bau Richtung Maschinenlabor, dann geht man dem Kenngott-Weg entlang. Ist das nicht toll? Man schreitet die Stufen empor zum Bau und bewegt sich dabei auf dem Kenngott-Weg? Die Frage bleibt aber offen, ob man Gott immer besser kennenlernt je höher man sich befindet auf diesen Stufen. Natürlich ist der Weg nach Alfred Kenngott benannt, und nicht wirklich nach dem christlichen Gott, der da ganz oben thront. Aber, dies braucht man ja nicht zu wissen.
Und, wie in einer vorhergehenden Kolumne beschrieben, ich wohne ja nicht mehr alleine. Ein weiterer Grund, um sich zu Hause noch wohler zu fühlen. Die Zora ist jetzt bei mir. Die Zora arbeitet auch im Bau, sogar im gleichen Institut, also eigentlich auch auf dem gleichen Stock. Und nun folgendes: Bei uns kriegt man als Doktorand immer Vorlesungen, die man betreuen muss, was irgendwie mühsam ist, weil viel Zeit draufgeht, um den Studenten den Zusammenhang zwischen ENSO und Predictability zu erklären. Andererseits kriegt man auch jedes Jahr wieder eine Horde toller junger Leute, und da die Mehrheit der Studenten männlich ist, macht es umso mehr Spass, diese zu betreuen. Und man muss schon sagen, dieses Jahr ist eine überdurchschnittlich suprige Horde von Studenten in den Gängen im Bau unterwegs. Irgendwie ist man so schon ein wenig näher bei Gott, oder wenigstens fühlt man sich ein wenig wie im Himmel.
Lustigerweise haben die Zora und ich in etwa dieselben Studenten zu betreuen. Und wie das auch in der Privatwirtschaft so geht, wenn man gute Arbeit leistet, dann kriegt man auch einen Bonus (ab und zu kriegt man auch einen, wenn man nicht so gute Arbeit leistet, aber das ist nicht das Thema hier). Die Zora und ich haben uns nun ausgedacht, dass wir all die fetzigen Studenten zum Grillieren einladen, so als Bonus eben. Jetzt kommen diese netten und vielleicht sogar attraktiven Studenten zu uns auf ein Bier und ein Stück vom Grill. Herrlich! Ich werde ja Dreissig dieses Jahr. Aber solange wir so junges Gemüse bei uns zu Hause haben, kann ich mich ja gar nicht alt fühlen. Ein weiterer Vorteil dieser elenden Betreuung der Vorlesungen.
Apropos Dreissig werden: Ich sass letzthin einmal mehr im Zug, kam gerade von einem Besuch bei einem lieben Menschen, mit dem ich meine Leiden und Freuden in der Studien-zeit im Bau geteilt habe. Bern-Zürich war die Strecke, und ab Olten konnte ich auf einmal meinen iPod nicht mehr hören, weil ständig irgendwelche Jodelausbrüche, gefolgt von Affenimitationen und einem sehr, sehr lauten Kicheranfall von gehörten 1000 Teeniegrirls die wunderschöne Stimme von A fine Frenzy verdrängte. So etwas kann einem wirklich die Laune verderben. Nach dreissig Minuten war die Situation immer noch unverändert. Ich habe mich schon gefragt, wie lange man dieselben Geräusche machen kann, oder sozusagen denselben Witz erzählen kann, und sich immer noch weglegen kann vor lachen. Ich versteh das nicht, ich finde nur sehr wenige Dinge mehr als einmal lustig. Als wir in Zürich einfuhren, imitierten sie immer noch ganze Affenhorden und zerschossen sich danach. So was geht mir einfach auf den Sack. Wütend stieg ich aus und dabei konnte ich endlich die kichernde Mädchenmasse betrachten.
Ich staunte ja nicht schlecht, als ich realisierte, dass es ein weiblicher Polterabend war und die Affenmädchen nicht etwa kleine Teens mit Hello-Kitty-Handtasche, sondern junge Frauen. Obwohl die Ich-werde-bald-verheiratet-Frau sah aus, als hätte sie gerade ihren Führerschein gemacht. Hoffentlich muss sie keinen Ausweis zeigen, wenn sie sich den Alkohol für ihr Fest kauft. Jedenfalls musste ich ein wenig in mich hineinkichern. Denn ich war grad die verbitterte Single-Dreissigjährige, die keinen Typen abbekommt und deshalb allen anderen Menschen auf der Welt in den Hintern treten könnte, weil die bald in den Ehestand eintreten können und somit wahrscheinlich ihre Gene weitergeben und ich nicht! Pha!
Foto: Barbara Ineichen
ensuite, August 2009