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Hören und fühlen

Von San­dro Wied­mer — Nach dem Tojo The­ater in der Reitschule und dem The­ater Käfig­turm präsen­tiert das sonOhr Hör­fes­ti­val seine dritte Aus­gabe im Kino Kun­st­mu­se­um.

Nach ein­er leeren Bühne bespielt das Fes­ti­val also eine weisse Lein­wand. Es wird dunkel, die wohlige Neugi­er darauf was bald passieren wird ver­bre­it­et sich. Aber dann gibt es nichts zu sehen. Ein Teil der Wahrnehmungswelt, die uns auf der Bühne, auf der Lein­wand vorge­gaukelt wird, fehlt. Für die Ori­en­tierung ist jet­zt auss­chliesslich das Gehör zuständig. Das fördert das Bewusst­sein, wie sehr und zu unrecht die meis­ten Men­schen ihren Hörsinn als dem Sehen unter­ge­ord­net betra­cht­en. Es mag oft zuträglich sein, nur zu glauben was wir selb­st gese­hen haben, weniger, was wir gehört haben. Was uns jemand erzählt kann schon durch die Ver­mit­tlung ver­fremdet sein, es kann auch frei erfun­den sein. Auch die Kulisse auf der Bühne, der von der Kam­era gewählte Auss­chnitt auf der Lein­wand sind bloss Abbilder der Wirk­lichkeit. Fällt der sicht­bare Teil der Wirk­lichkeit weg, welche uns dargestellt wird, müssen wir uns diesen selb­st aus­malen. Die Geräusche der regen­nassen, belebten Strasse in der Stadt, des Seeufers, des Waldes die wir hören, wer­den in jedem unser­er Köpfe andere Bilder her­vor­rufen, das Gesicht zu jed­er Stimme anders ausse­hen. Diese Frei­heit für die Fan­tasie, die Anstren­gung der Vorstel­lungskraft hat ihren ganz eige­nen Reiz. Gle­ichzeit­ig sind Tonauf­nah­men ein­er Umge­bung ein sehr authen­tis­ches Abbild von deren Wirk­lichkeit, nicht ein Auss­chnitt davon. Mit dem Mon­tieren von Geräuschen, Sprache, Musik, Lärm wer­den uns Geschicht­en erzählt, aus der Wirk­lichkeit oder frei erfun­dene, die durch unsere Vorstel­lung zu unseren eige­nen wer­den.

Das Fes­ti­val bietet eine bre­ite Palette des Schaf­fens der freien und pri­vat­en Hör­pro­duk­tion, lädt ein, in die Klang­wel­ten von Hör­spie­len, Radio-Reporta­gen und Fea­tures einzu­tauchen, in 22 Werken von unter­schiedlich­ster Länge Witziges und Ern­sthaftes, Wirk­lich­es und Unwirk­lich­es, Bewe­gen­des und Ver­stören­des, Bekan­ntes und Fremdes zu erleben. Dabei wer­den auch drei Preise vergeben: Neben dem Pub­likum­spreis vergibt eine Fachjury den Preis Schweiz­er Syn­dikat Medi­en­schaf­fend­er SSM für den besten Non-Fic­tion-Beitrag und den Preis Stiftung für Radio und Kul­tur Schweiz SRKS für den besten Fic­tion-Beitrag. Die Jury beste­ht aus Chris­t­ian Gasser, früher­er DRS3-Mod­er­a­tor und ‑Redak­tor, freier Jour­nal­ist, Schrift­steller und Dozent, welch­er seit 1995 Fea­tures, Hör­spiele und Beiträge für WDR, SWR, DLR Kul­tur und DRS2 real­isiert hat und unter anderem mit dem Zürcher Radio­preis und dem Prix Europa Berlin aus­geze­ich­net wurde, Kat­ja Alves, Kolum­nistin und lei­t­ende Lek­torin für den Nord­süd-Ver­lag, Autorin von Hör­spie­len, Kurzgeschicht­en, Kinder­ro­ma­nen, Kurzkrim­is, The­ater­stück­en und Sach­büch­ern, welche für ihr Schreck­mümpfe­li «Rosen für Papa» für den Prix Europa nominiert wurde, und Simon Grab, Mit­be­grün­der des Ton­stu­dios «ganz­er­platz», Kom­pon­ist und Klanggestal­ter für Doku­men­tar- und Spielfilme, The­ater und Radio, Teil des Nori­ent Musik- und Kul­tur­net­zw­erks, dessen Radiofea­ture «Son­ic Traces from the Arab World» den let­ztjähri­gen Preis der sonOhr-Jury für das beste Non-Fic­tion-Werk gewon­nen hat. Den Auf­takt des Fes­ti­vals macht ein Gast­ge­spräch mit Prof. Nathalie Singer mit dem Titel «Wie klingt das Radio von mor­gen?» – Exper­i­mentelles Radio als Hochschul­pro­jekt. Zum Abschluss ste­ht die Dernière der inte­gra­tiv­en Hörin­stal­la­tion «Wir träu­men Meret» des Kollek­tivs Frei_Raum am Meret Oppen­heim Brun­nen.

www.sonohr.ch

Foto: zVg.
ensuite, Feb­ru­ar 2013

 

Artikel online veröffentlicht: 24. Juli 2019 – aktualisiert am 11. Februar 2020