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How about love

Von Son­ja Wenger — In «How about love» , dem neuen Spielfilm des Schweiz­er Regis­seurs und Drehbuchau­tors Ste­fan Haupt, wer­den gle­ich mehrere Fra­gen aufge­wor­fen: Wo liegen die Gren­zen von Empathie, Men­schlichkeit und Näch­sten­liebe? Was brin­gen human­itäre Ein­sätze wirk­lich? Wie viel Voyeuris­mus ist erlaubt, um die Öffentlichkeit für ein The­ma zu sen­si­bil­isieren. Wie kann dabei die Darstel­lung von Lei­den richtig dosiert wer­den? Und wie kön­nen wir in unser­er Kul­tur mit jen­er Span­nung umge­hen, dass unsere alltäglichen aber realen Prob­leme im Ver­gle­ich zum Lei­den ander­er Völk­er so klein und nichtig erscheinen?

Um diese Fra­gen zu beant­worten, erzählt Haupt die fik­tive Geschichte eines Arztes, der zwis­chen Midlife­cri­sis und dem Bedürf­nis Gutes zu tun aufgerieben wird, und ver­webt sie geschickt mit den gut recher­chierten Fak­ten eines realen poli­tis­chen Kon­flik­ts.

Für Fritz Rein­hart (Adri­an Fur­rer) begin­nt alles auf ein­er Ferien­reise nach Thai­land. Fritz ist Anfang vierzig, ein erfol­gre­ich­er und gefeiert­er Herzchirurg, über­ar­beit­et aber zufrieden mit seinem Leben und sein­er Beziehung. Das erste Mal seit langem macht er mit sein­er Frau Lena (Andrea Phaehler) alleine Ferien, die drei Kinder bleiben zuhause.

In Thai­land möchte er Abstand gewin­nen, über sein Leben nach­denken – und seinen alten Fre­und Bruno (Mar­tin Hug) besuchen. Bruno arbeit­et seit Jahren als Arzt in einem der vie­len Flüchtlingslager an der thailändisch-burme­sis­chen Gren­ze. Die Fahrt in den Nor­den erscheint erst wie ein aben­teuer­lich­er Trip, ent­pup­pt sich aber schnell als Reise ins Unbekan­nte. Bruno empfängt sie her­zlich, wird aber durch die Ankun­ft von schw­erver­let­zten Flüchtlin­gen gle­ich abberufen. Die burme­sis­che Armee führt ger­ade eine neue Offen­sive gegen die eth­nis­che Min­der­heit der Karen, die wie schon seit Jahrzehn­ten über die grüne Gren­ze nach Thai­land flücht­en.

Fritz legt sofort selb­st mit Hand an. Die Oper­a­tio­nen erfol­gen unter prim­i­tivsten Bedin­gun­gen. So müssen sie ohne Betäubung amputieren – Mate­r­i­al, Medika­mente und Aus­rüs­tung sind Man­gel­ware. Als der burme­sis­che Cam­pleit­er Swa Thein Htoo (U Thein Win) Fritz fragt, ob er nicht einige Tage bleiben und aushelfen möchte, ist dieser fasziniert von der Möglichkeit, sein ärztlich­es Wis­sen sin­nvoll ein­set­zen zu kön­nen. Auch Lena ermuntert ihn zu bleiben, es sei «ver­rückt, aber irgend­wie gut» .

Lena reist allein nach Hause und Fritz richtet sich voller Enthu­si­as­mus ein. Anders als Bruno ist er noch nicht ernüchtert von der Real­ität und dem Wis­sen um das Mach­bare. Doch auch Fritz stösst schnell an Gren­zen. Die medi­zinis­che Ver­sorgung bleibt rudi­men­tär, Bruno muss oft harte Entschei­dun­gen tre­f­fen, die Fritz nicht ver­ste­hen kann. Der Kon­flikt ist vor­pro­gram­miert. Er eskaliert, als sich Fritz immer stärk­er zu Say Paw (Jorm Leun Hkam) hinge­zo­gen fühlt, ein­er jun­gen Flüchtlings­frau, die im Lager eine medi­zinis­che Aus­bil­dung erhält.

Auch zuhause bei der Fam­i­lie kühlt das Ver­ständ­nis für Fritz´ Aben­teuer merk­lich ab. Erst recht, als aus den paar Tagen zuerst Wochen und dann Monate wer­den. Bei sein­er ersten Heim­reise nach fünf Monat­en geste­ht Fritz sein­er Frau, sich ver­liebt zu haben. Für Lena bricht eine Welt zusam­men. Sie schickt ihn nach Thai­land zurück, um seinen Ein­satz zu been­den – und sich zu entschei­den.

Doch auch im Lager haben sich die Dinge verän­dert. Say Paw bere­it­et sich darauf vor, als soge­nan­nte Ruck­sack­ärztin heim­lich nach Bur­ma zurück­zukehren und ihr Volk so zu unter­stützen. Als Fritz sich weigert, mit ihr zu gehen, bricht sie den Kon­takt zu ihm ab und ver­schwindet aus dem Lager. Erst später erfährt er den wahren Grund dafür – und muss noch viel weitre­ichen­dere Entschei­dun­gen tre­f­fen, als er sich hätte vorstellen kön­nen.

Ste­fan Haupt hat sich in den ver­gan­genen Jahren vor allem mit den Doku­men­tarfil­men «Elis­a­beth Kübler-Ross» (2002), «Down­town Switzer­land» (2004) und «Ein Lied für Argyris» (2006) einen Namen gemacht. «How about love» ist sein erster Spielfilm seit «Utopia Blues» (2001), und genau­so lange schon trägt er die Idee zu seinem neuen Werk mit sich. Entsprechend aus­gereift ist die Geschichte.

Doch das wirk­lich Beson­dere an «How about love» ist nicht das feine Schaus­piel des gesamten Ensem­bles, die über­raschen­den Wen­dun­gen und die sen­si­ble Hand­habung des The­mas. Vielmehr ist es die Ver­mis­chung von Fik­tion und Real­ität. So hat Haupt nicht nur an Orig­i­nalschau­plätzen recher­chiert und gedreht, son­dern auch auf die Authen­tiz­ität jedes noch so kleinen Details geachtet. Dass dabei das Flair des Aben­teuers und der Hero­is­mus, die der human­itären Hil­fe so oft anhaften, flöten gehen und einem ehrlichen Blick auf Sinn, Zweck und Fol­gen darauf Platz machen, ist nur ein Aspekt, der «How about love» zu einem berühren­den Kino­er­leb­nis macht.

Der Film dauert 106 Minuten

Foto: zVg.
ensuite, August 2010

Artikel online veröffentlicht: 13. November 2018