Von Miriam Suter — Pablo Haller, 22, aus Luzern ist Autor, Herausgeber, Songwriter, Dichter und Redaktor:
«Meistens stehe ich gegen halb zehn auf und gehe dann zu Fuss in die Redaktion, wo ich arbeite. Das sind etwa zehn Minuten Fussweg. Bei einem Luzerner Kulturmagazin habe ich eine Teilzeitstelle. Dort haben wir sogar noch eine Jura-Kaffeemaschine, die macht mir mein Frühstück. Ich frühstücke normalerweise nicht. Meine erste richtige Mahlzeit nehme ich erst zwischen zwölf und zwei ein, meistens gibt es Tofu mit Gemüse. Das koche ich zuhause. Angefangen zu schreiben habe ich eigentlich wegen einer Frau, wenn man alles runterbricht. Damals war ich etwa 14, meine damalige Freundin hat Jimi Hendrix gehört und ich habe irgendwann mal eine Biografie über ihn gelesen. Dort wurden verschiedene Autoren der Beat-Generation erwähnt, und ich habe mir alle Namen, die ich nicht kannte, herausgeschrieben, und mir Bücher von ihnen ausgeliehen. So habe ich Kerouac, Burroughs und Bukowski entdeckt – von ihm war auch das erste Beat-Werk, welches ich gelesen habe: «Das Liebesleben der Hyäne». Da geht es ja auch um Frauen, immer geht es um Frauen! Meinen ersten Roman habe ich nämlich auch wegen einer Frau zu schreiben begonnen, wegen meiner ersten grossen Liebe, mit 15. Was ein gebrochenes Herz nicht alles auslösen kann. Ich konnte nachts nicht schlafen und habe stundenlang an meinem Laptop gesessen und geschrieben. Obwohl, es war mehr ein seelisches Auskotzen. Aber seither habe ich nicht mehr aufgehört zu schreiben und zu lesen. Damals war ich noch in der Schule, habe dann aber immer öfter geschwänzt und die Tage in der Bibliothek mit Lesen zugebracht. Ich habe, glaube ich, in meinem Leben nie mehr so viel gelesen wie zu dieser Zeit, manchmal ein ganzes Buch in einem Tag. Meine Eltern haben dann herausgefunden, dass ich nicht mehr zur Schule ging, als sie vom Rektor zu einem Gespräch zitiert wurden. Die Schule habe ich danach abgebrochen und eine KV-Lehrstelle angefangen – und auch beendet, sogar mit Berufsmatur! Aber auch während der Lehre habe ich immer viel gelesen, und vor allem geschrieben. Auch während der Schulzeit, ich musste nie wirklich lernen, und wenn wir Gruppenarbeiten hatten kam mir das gerade recht. Da habe ich immer so getan als würde ich mich beteiligen, habe aber immer an meinen Notizen gearbeitet. In den letzten Jahren habe ich schon mehrere Gedichtbände fertig gestellt. Aktuell schreibe ich an drei Romanen. Ich arbeite meistens nur am Morgen auf der Redaktion, am Nachmittag kümmere ich mich um meine anderen Projekte. Etwa um den Verlag, den in zusammen mit einem Freund gegründet habe. Das erste Buch wird voraussichtlich im Sommer erscheinen, eine Anthologie des jungen Luzerner Kulturschaffens von Patrick Hegglin. Ich schreibe nachmittags auch an meinen eigenen Romanen. Zum Schreiben brauche ich keine bestimmten äusserlichen Einflüsse, aber Musik kann schon sehr förderlich sein. Es löst etwas in einem aus, ich weiss nicht, wie ich das beschreiben soll.
Wenn ich am Abend eine Lesung halte geht es mir immer sehr gut. Zumindest bis zu dem Moment, da ich auf die Bühne muss. Dann wird es ziemlich schlimm, und ich verfalle in eine Art Angriffshaltung, die aber eigentlich eine Abwehrhaltung ist. Auf der Bühne ist man zerbrechlich und macht sich angreifbar. Ich gehe dann immer auf Angriff, zumindest was die innere Haltung angeht. Trotzdem mache ich das sehr gerne, ich lerne auch immer neue Leute kennen, mit denen ich dann wiederum Lesungen veranstalte. In Luzern hat sich ein kleiner Kreis von Autoren um mich herum gebildet, wir schicken einander gegenseitig unsere Sachen, beurteilen und kritisieren uns. Das macht extrem viel Spass, und es ist schön zu sehen, dass eine neue junge Schreibszene heranwächst – und ich Teil davon sein kann.
Abends gehe ich gerne noch mal raus, gerade wenn ich eine Lesung hatte ziehe ich mit meinen Freunden durch die Gassen und trinke. Wenn ich nach Hause komme schaue ich manchmal noch einen Film. Weil ich während den letzten vier Jahren etwa fünf Mal umgezogen bin, hatte ich immer nur eine Matratze zum Schlafen. Ich habe immer in Häusern gewohnt, die bald abgerissen wurden, dafür ist die Miete tief und man kann rumsauen. Das viele Zügeln führte allerdings dazu, dass ich keine sperrigen Möbel besitze. Jetzt wohne ich in einer WG in der Luzerner Altstadt – und habe mir zum ersten Mal ein richtiges Bett gekauft.»
Foto: zVg.
ensuite, Juni/Juli 2012