Martin Sigrist im Interview mit Dave Stewart, 2.10.2013, Kaufleuten, Zürich — Der 61-jährige Brite Dave Stewart steht nach seiner Zeit bei Eurythmics kaum mehr im Fokus der Öffentlichkeit. Vielen jüngeren Musikfans ist er trotz Zusammenarbeit mit Mick Jagger, Kate Perry, Bon Jovi oder Bono kaum ein Begriff. In kürzester Zeit hat er jetzt drei Alben veröffentlicht und war mit diesen in Zürich zu Gast. Ensuite traf den Musiker im Kaufleuten.
Dave, du wirst oft als Legende angekündigt. Fühlst Du Dich als solche?
Eigentlich fühle ich mich nicht als Legende, das klingt ziemlich ermüdend, ich bin ja noch mitten drin. Ich habe einfach ziemlich lange nichts getan.
Du arbeitest mit vielen bekannten Künstlern zusammen, dennoch kennen dich nur wenig jüngere Leute.
Schon bei Eurythmics bin ich die meiste Zeit meiner Karriere im Hintergrund. Annie [Lennox] war immer vorne, ich nur gerade auf einem Albumcover. Das war für mich in Ordnung, denn sie war die Ikone und es ging um die Kunst. Andere Bands streiten darum, wer vorne sein darf. Bei uns Produzenten ist es gleich, wir machen die Songs machen, die andere singen. Ich habe 15 Jahre kein Album gemacht, dann drei nacheinander, so komme ich wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit und die Leute staunen, was ich in der Zwischenzeit gemacht habe.
Bist Du enttäuscht, dass Dich viele Leute nur als Eurythmics kennen, nur als Teil von etwas anderem?
Jede Band ist doch so. Auch wenn jemand bei Duran Duran oder The Rolling Stones etwas anderes macht, kennt man immer diese Bands. Auch verheiratete Paare kennt man immer als die Paare. Ich habe neulich gelesen, dass viele Kinder den Physiker Stephen Hawkins nur aus den Simpsons kennen. Für mich ist das in Ordnung, ich denke an die Musik und nicht an eine neue Karriere, wenn ich Musik mache. Ich mag die Kultur kleiner Clubs mit kleinen Bühnen. An solchen Orten kannte mich und Eurythmics niemand. Das machte viel Spass, so habe ich die letzten drei Alben gemacht.
Eurythmics war Elektrpop, jetzt machst Du bei Folk und Blues. Bist Du musikalisch erwachsen geworden?
Eurythmics hatte auch anspruchsvolle Strukturen. Blues und so habe ich aber schon immer gemacht, das habe ich gelernt und nie damit aufgehört. Jetzt bin ich wieder bei meinen Anfängen und das ist ein gutes Gefühl.
Du und Annie wart zuerst ein Paar und habt erst nach der Trennung als Duo Musik gemacht. Viele Künstler fangen nach einer Trennung mit Musik an, aber nicht mit dem Expartner.
Ein guter Tipp an alle jungen Musiker: Wenn Ihr jemanden liebt, seid zuerst ein Paar, trennt Euch und macht dann zusammen Musik. Wir waren ein Paar und versuchten nach der Trennung, Freunde zu bleiben. Auf meinem aktuellen Album gibt’s den Song, «Why Can’t We Be Friends», da geht’s genau darum. Bei uns hat das funktioniert. Wir mussten nicht darüber nachdenken.
Über Eure Beziehung liest man ja so einiges. Seid Ihr noch Freunde?
Ja, klar. Es gibt ein Interview von meiner Fotoausstellung in L.A. Diese eine Frau hat mich gefragt, warum hier keine Fotos von Annie gezeigt werden. Ich meinte, dass sie ein so grosser Teil meines Lebens sei, dass ich eine Ausstellung mit Fotos nur von ihr machen würde. Dann wollte sich noch etwas über Annies Hochzeit wissen. Da ich die Frau loswerden wollte, habe ich ihr einfach gesagt, dass ich nicht da gewesen sei. Das gab ihr dann wohl die Idee zu diesem negativen Artikel: keine Fotos von Annie, kein Besuch bei ihrer Hochzeit. Aber natürlich war ich an ihrer Hochzeit, Annie auch an meiner. Annie und ich haben uns entschieden, das nicht zu klären um die Sache in den Medien nicht noch grösser zu machen.
Ist es denn möglich, dass Ihr als Eurythmics wieder zusammen kommt?
Das wäre schwierig, weil wir ein Paar und ein Duo waren. Und es wäre kompliziert, denn ich habe vier Kinder, Annie zwei. Annie hat gerade geheiratet und pendelt zwischen Afrika und London; sie macht ihr Ding, ich meines. Wenn wir uns sehen, sprechen wir nie über Eurythmics, das wäre komisch. Wir sprechen eher über unsere Kinder, denn wir sind wie eine grosse Familie.
Du hast Deine jüngste, 13-jährige Tochter Kaya mit auf Tour, wird das kritisiert?
Meine Tochter singt seit sie drei Jahre alt war und tut es gerne. Das kann man nicht verhindern. Ich habe tolle Sängerinnen mit auf Tour die ihr beim singen helfen, davon profitiert sie. Aber sie geht natürlich weiterhin zur Schule, sie ist nicht lange mit auf Tour. Ich zwinge meine Kinder zu nichts, will sie aber auch nicht davon abhalten. Meine zwei Söhne machen auch Musik, das ist natürlich, weil sie immer davon umgeben waren. Es wird für sie nicht einfach sein als Musiker, gerade heute, dennoch freut es mich. Wenn wir als Familie zusammen sind, machen wir ganz zusammen Musik, ganz altmodisch, da steht kein Fernseher sondern viele Instrumente.
Du arbeitest mit viele unterschiedlichen Musikern, fehlt nicht der Zusammenhalt gegenüber einer festen Band?
Eine Vollzeitband ist eine grosse Verpflichtung und Verantwortung. Ich habe eine Band in Nashville, die aber nicht nur mit mir spielt. Ich mache andere Dinge, habe eine Firma für Videos, Filme und Musik. Ich bin jetzt 61 und toure nicht mehr um die Welt, aber ich mache weiterhin Alben und toure damit ein wenig. Das macht mir immer noch Spass, aufhören wäre langweilig.
Was möchtest Du denn noch machen?
Ich bin gespalten. Mit einem Freund zusammen habe ich eine Hütte in Jamaica wo ich gerne Dub-Musik mache. Auf der andere Seite möchte ich einen neue Form erfinden, wie Künstler, Kreative und Musiker arbeiten. Es tut gut, in Jamaica über diese Dinge nachzudenken, so weit weg. Und etwas bekifft geht’s noch einfacher, aber eben, dann ist man nicht so produktiv.
Das klingt nach Deinem neuen Song «Drugs taught me a lesson».
Drogen habe ich mit 16 bis 26 genommen. Diese Sucht war sehr schlecht für meine Gesundheit und Beziehung. Aber Annie hat mich davon weggebracht, denn sie hat mir klar gemacht, dass ich süchtig bin. Bob Dylan hat mit Zigaretten und Kaffee einen halben Tag gearbeitet, William S. Burroughs mit Heroin. Aber ich war nicht produktiv, habe die Drogen überhaupt nicht genutzt. Ich habe in der Zeit keinen Song geschrieben sondern mich nur darum gekümmert, neuen Stoff zu bekommen.
Foto: zVg.
ensuite, November 2013