Von Guy Huracek — Die Bluessängerin Freda Goodlett spricht über ihr neues Album, Rassentrennung in den 60ern, und sie erklärt, warum Menschen alles immer in Schubladen stecken wollen:
Freda, du sagst immer, dass du durch Musik deine Gefühle ausdrückst. Was hat das für Hintergründe?
Ich bin in den 60ern geboren. Damals herrschte in Amerika noch die Rassentrennung. Und als diese sich nach und nach auflöste, und sich Afroamerikaner und Weisse zu mischen begannen, fand ich das seltsam. Das war ich mir nicht gewohnt. Aber ich lernte ziemlich schnell, dass es keine Rolle spielt. Menschen sind Menschen. Egal was man erlebt hat – strenge Eltern, Religion –, man kann sich immer ändern. Was ist der Sinn des Lebens? Diese Frage beschäftigte mich schon als Kind, und in meinen Texten und mit meiner Musik gehe ich dieser Frage nach, und drücke meine Gefühle aus. Mich interessiert das Leben. Meine Songs handeln von meinem Bewusstseinsprozess, meinen Erfahrungen und was ich in meinem Leben gefühlt und gelernt habe. Ich kann nicht irgendetwas singen. Es muss eine Bedeutung für mich haben, ich muss an die Texte glauben.
Kannst du mir von deinen Erlebnissen erzählen?
Als Kind war ich ziemlich schüchtern, das bin ich heute immer noch (lacht), bis ich auf der Bühne stehe. Meine Grossmutter nahm mich und meine Geschwister oft in die Kirche mit und wir mussten vor allen singen. Ich hatte das Gefühl, aus Nervosität ohnmächtig zu werden, meine Knie zitterten. Musik war in meiner Familie nichts Besonderes. Wir haben alle gesungen und irgendein Instrument gespielt, es gehörte zum Alltag. Und ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Musikerin werde. Ich wollte fotografieren. Später, mit 17 Jahren, geschah wieder etwas, was ich nie gedacht hätte. Ich ging zur Armee. Meine Grossmutter war völlig dagegen und wollte nicht für mich unterschreiben – unter 18 Jahren braucht man die Einwilligung der Eltern –, aber in drei Monaten wurde ich sowieso volljährig. Nun, da ich in der Armee war, hatte ich die Möglichkeit, nach Europa zu kommen, und ein Traum ging in Erfüllung.
Ich sehe die Welt mit anderen Augen, und das drücke ich in meiner Musik aus. Ich bin mit Religion aufgewachsen, aber heute verstehe ich die Welt anders. Ich habe einige solche Bewusstseinsprozesse erlebt, und davon handelt meine Musik.
Ist das Lesbisch-Sein auch ein Thema in deinen Songs?
Nein. Das ist in meinen Songs kein Thema. Ich bin mit meiner Freundin seit 17 Jahren zusammen, aber ich lasse mich nicht gerne in diese Schublade stecken. Ich finde, es spielt keine Rolle, wer mit wem zusammen ist. Liebe ist eine Gefühlssache. Es ist nicht wichtig, ob man eine Frau oder einen Mann liebt, es ist wichtig, dass man jemanden liebt.
Kann man deine Musik als eine Art Protest gegen eine «Schubladisierung» und ein eingeschränktes Weltbild verstehen?
Wenn ich für jemanden ein Beispiel bin, damit er sich irgendwie weiter entwickeln kann, dann finde ich das schön. Aber ich lebe mein Leben wie ich es will, und rede auch niemandem ein wie er leben soll. Man muss sein Leben führen wie man will, wie man es glaubt und fühlt, das ist das Beste. Man kann niemandem etwas aufzwingen. Früher hatte ich auch das Gefühl, wenn ich etwas verstanden hatte, ich müsse es der ganzen Welt mitteilen. Aber ich habe schnell gemerkt, dass das nicht geht und, daß die Menschen unterschiedlich sind, anders fühlen und denken.
Was kann man von deinem neuen Solo Album «Return of the Black Pearl» erwarten?
Die Platte ist eher rockig, obwohl mich viele als Soul- oder Bluessängerin kennen.
Kann man deine Musik in eine Genre einordnen?
Ich wüsste nicht so genau wie ich meine Musik definieren sollte. Ich will mich nicht in eine weitere Schublade stellen, denn ich mache verschiedene Sachen. Einmal hat mir jemand erzählt, wir müssten die Künstler nicht nach ihrer Musikrichtung bekannt machen, sondern über ihre Namen. Aber die Leute wollen halt ihre Schubladen haben.
Foto: zVg.
ensuite, Januar 2011