Von Imelda Stalder — Nora Zukker (24), hat sich aufgemacht, Schriftstellerin zu werden. Ein paar Hürden hat sie schon bewältigt, dass weitere kommen ist ihr klar. «Es braucht manchmal Mut eine Entscheidung zu treffen, aber es öffnen sich immer wieder Türchen im Leben».
Ein italienischer Espresso, so richtig stark, dazu eine Zigarette an einem sonnigen Morgen: Das macht Nora Zukker glücklich. Die junge Frau aus Zürich mit einer ansteckenden Fröhlichkeit wählt sich einen Weg durch ihr Leben, der oft ziemlich steinig ist. «Ich zieh mein Ding durch. Und wenn es sein muss ganz alleine. Mir ist schon klar, dass mir da draussen niemand einen Handkuss gibt und sagt: Auf Sie haben wir gewartet, Fräulein Zukker!».
Drang nach Leben Das Studium für Journalismus und Kommunikation brach Nora Zukker im 2. Semester ab. Gründe dafür gab es dazumal viele. Persönlich in einer sehr schwierigen Zeit, hatte sie zusätzlich das Gefühl, etwas aufgezwungen zu bekommen, nicht kreativ sein zu dürfen. «Es kam mir vor, als müsste ich ständig einen Impuls unterdrücken», erzählt Nora Zukker und ihre Hände, geschmückt mit gros-sen Ringen, sind beim Sprechen ständig in Bewegung. Sie wusste, dass sie ein Talent hatte, musste es nur noch irgendwie hervorholen. Sie wollte sich selbst verwirklichen, hatte den Drang nach «richtigem» Leben und gab dem Impuls schliesslich nach: Sie entschied sich einen anderen Weg einzuschlagen und stand damit im luftleeren Raum. «Es brauchte sehr viel Mut. Die einzige Frage die mich damals beschäftigte war: was jetzt?».
Drachen in Nachbars Gärten Als kleines Mädchen war Nora Zukker eine quirlige und neugierige Plaudertasche mit unendlich vielen phantastischen Geschichten im Kopf – und irgendwie ist sie das auch heute noch. Früher erzählte sie zuhause den Eltern von den Drachen in den Gärten der Nachbarn. Mit sechzehn schrieb sie dramatische Liebesbriefe an reale und imaginäre Verehrer – abgeschickt hat sie die Briefe nie. Heute schreibt sie hauptsächlich Kurzgeschichten. Die Ideen dafür holt sie sich im Supermarkt oder in einem Café, wo sie Menschen beobachtet und ab und zu auch mit ihnen ins Gespräch kommt. «Ich habe auch schon einmal eine betagte Dame gefragt, ob ihr der Ehemann denn immer treu gewesen sei», erzählt sie. Die Reaktion dieser Dame sei dann aber sehr unwirsch gewesen und sie hätte es bleiben lassen, die Dame weiter zu stören.
Wenn sie redet, unterstreicht sie es mit theatralischem Händeverwerfen, sie ahmt andere Stimmen nach und unterstreicht das Gesagte mit einem passenden Gesichtsausdruck. Doch hie und da schweifen die wachen Augen plötzlich ab, der Blick wird nachdenklich und hinter der quirligen Fröhlichkeit blitzt ganz kurz eine andere Nora Zukker auf. Eine feinfühlige, manchmal auch unsichere junge Frau. Sekunden später ist der Spuk vorbei, es kommt wieder Leben in sie und neue Anekdoten sprudeln hervor.
Passion Schreiben Seit Abbruch des Studiums lebt Nora Zukker oft am Existenzminimum, jobbt dieses und jenes um Geld zu verdienen. Zwei Monate nach dem Entscheid etwas anderes zu machen, öffnete sich in ihrem Leben eine Tür: Sie gewann den Schreibwettbewerb «Textstatt Aargau» des Literaturhauses Lenzburg. Da sie genug Zeit hatte, stürzte sich Nora Zukker mit Begeisterung in dieses Projekt und schrieb eine Erzählung. «Nach meiner ersten Lesung und dem fünften Glas Weisswein entschloss ich mich: das ist es was ich machen möchte, und zwar für immer», schmunzelt sie und ihre auffallend hellen Augen funkeln.
Seither organisierte und gab sie schon diverse Lesungen. Vom Umfeld zwar oft etwas belächelt, liess sie sich nicht beirren. Sie initiierte Projekte wie «Sage&Schreibe» im REVIER in Zürich oder die Veranstaltungsreihe «Texttapete» und gestaltete eigens das künstlerische Konzept der Lesungen. Sie hatte Lesungen im Cabaret Voltaire und im KunST. Pauli in Zürich. Für nächstes Jahr sind schon einige Projekte aufgegleist, auch eine Idee für einen Roman ist vorhanden. «Ab nächstem Jahr möchte ich jedoch etwas radikaler sein und auch Geld verlangen für meine Projekte. Sonst nimmt man mich nicht mehr ernst und schliesslich möchte ich eines Tages davon leben können», meint sie.
Wenn Nora Zukker nicht schreibt, ist sie unterwegs, unter Leuten. Auf die Frage, ob Sie mal einen Bestseller schreiben möchte, überlegt sie lange. «Einen Bestseller. Das ist wieder so eine fantastische Träumerei! Aber ja klar möchte ich das. Die Vorstellung, dass bei fremden Leuten zuhause auf dem Nachttisch ein Buch von Nora Zukker liegt: Wow!».
Angst, dass ihr eines Tages nichts mehr einfällt hat Nora Zukker nicht. Sie wünscht sich, dass sie weiterhin bei allem was sie macht, sich treu bleiben kann und eines Tages auch jemanden findet, der akzeptiert was sie macht. «Einer der mich auch dann noch liebt, wenn ich drei Wochen keine Zeit für ihn habe», lacht sie und mit ihrem Lachen hüpfen ihr die dunklen Locken ums Gesicht. «Am meisten wünsche ich mir, meine Passion zum Beruf zu machen. Und dafür brauche ich Zeit und Raum um über die Welt nachdenken zu können».
www.norazukker.ch
Foto: zVg.
ensuite, Januar 2011