Von Lukas Vogelsang — In einer Welt, weit weg von iPads, Games, und Hosen die an den Knien hängen, leben Puppen. Und entgegen allen Einwänden: Puppen sind wichtiger für Erwachsene als für Kinder – aber das darf man nie zu laut sagen. Das verstehen die Erwachsenen schon nicht mehr.
In dieser Geschichte steht die kleine Ida alleine in der Welt. Und weil da niemand ist, der oder die verstehen könnte, was Ida sich vom Leben vorstellt, baut sich das kleine Mädchen in einem Abstellschuppen ihre eigene Welt auf. Das klingt klischiert und nach «arm, aber so reich an Fantasie»-Idealisierung. Nur, was bleibt denn wirklich, wenn nichts da ist ausser der Hoffnung und Wünschen? Ist das wirklich so idealisiert? Sind nicht gerade diese iPods und Games, diese unmöglichen Hosen an den Knien die Zeichen, dass Kinder in der realen Welt nicht mehr geführt werden, und sich in Fantasiewelten ihr zu Hause suchen?
Ich erinnere mich an ein Gespräch in einem Flugzeug, als ein Vater mir allen Ernstes erklärte, dass er nicht mehr wisse, was er seinen Kindern bieten könne. Sie würden sich nur noch langweilen – und nicht mal am Sonntag, wenn sie gemeinsam in den McDonalds gingen, käme etwas mehr Motivation auf. Ich fragte ihn, ob er schon mal mit den Kindern in einem Wald gewesen wäre. Picknick? Er schaute mich verständnislos an.
Wieviele Kinder haben denn nur einen Vogel – und sonst nichts? Und genau deswegen ist das Puppentheater heute für Erwachsene wichtiger als für Kinder. Den Kindern stärkt es die Hoffnung und die Wünsche nach dem richtigen Leben. Den Erwachsenen aber gibt es ein Stück verlorener Kindheitsgedanken zurück. Wir Erwachsenen müssen wieder lernen, mit den einfachen Bauklötzchen zu spielen, damit wir wieder zum Leben zurückfinden.
Eigentlich wollten die MacherInnen dieses Stückes die Armut thematisieren. Allerdings stellt sich bald einmal die Frage: Welche Armut? Die materielle oder die geistige? Hat ein Holzstück weniger Wert als ein iPad? Sind Ferien in Amerika für Kinder wichtiger als Ferien in einem Holzschuppen? Was bringt uns materieller Reichtum, wenn wir geistig nicht reicher werden?
Ida baut aus ein paar Brettern ein Flugzeug, also eigentlich eine Rakete. Redet mit dem Mann auf dem Mond. Sie spricht mit einem grossen Schokoladekuchen. Zaubert sich ein Traumkarussell in einem Zauberwald. Es ist aber nicht alles einfach in dieser Welt – und Ida krieg arge Probleme. Aber auch Freunde, die ihr helfen. Sie wird die Heldin in ihrer isolierten Fantasiewelt, bis ihr Vater ihr zusieht und lernt. Bis wir Erwachsenen zusehen und begreifen.
Kathrin Leuenberger kann solche Geschichten wunderbar auf der Bühne erzählen. Ihre Bühnenerfahrung ist gross. Kurzum hat sie selber auf der Bühne den Bretterschuppen aufgebaut, und bastelt, zusammen als Idas Alter Ego, die Welt mit. Zwischendurch weiss man nicht so recht, wer wen führt: Ist es die Puppe oder ist es Kathrin? Diese Frage ist bei guten Puppenspielen nie einfach zu beantworten. Und aus einem Puppenvorstellung kommen immer andere Menschen raus, als zuvor reingegangen sind. Und an diese «Ferien» wird sich das Publikum – allen voran die Erwachsenen – noch einige Zeit erinnern. Und wissen Sie was? Die Kinder haben richtig Freude an Ida, Kathrin und den Holzbrettern.
Foto: zVg.
ensuite, Mai 2013