Von Morgane A. Ghilardi — Das kinoerlebnis im Zeitalter von CGI und 3D: Von Georges Mélliès auf Zelluloid gebannten Bühnentricks zu Science-Fiction-Blockbustern wie James Camerons «Avatar»: Das Kino hat sich seit seiner Entstehung als Portal zwischen Realität und Phantasie durch unzählige Innovationen stark gewandelt.
Am Anfang war das Bild. Es fing an, sich zu bewegen und erlaubte so, nicht nur Alltagsszenen festzuhalten, sondern auch Bühnenillusionen. Obwohl zu Beginn vor allem das Wunder der Technik die Attraktion war, entwickelten sich aus den Kurzfilmen bald mehrstündige Monumentalfilme. Die filmische Erzählkunst wie auch die Perfektionierung der Illusionen, die durch den Film möglich sind, standen immer im Zentrum dieser Entwicklung. Das Unglaubliche, das in der Phantasie der Filmemacher enstand, sollte auf die Leinwand gebracht werden können.
Und dann kam der Computer, der die Welt veränderte, und somit auch das Kino. Computer Generated Imagery (CGI) wird heute verwendet, um Bilder zu erschaffen, die es in der echten Welt nicht gibt. Seit im Jahre 1977 in «Star Wars – A New Hope» zum ersten Mal primitive CGI richtig eingesetzt wurde, entwik-kelte sich auch diese Technik und wurde in den 90ern perfektioniert (was man übrigens in Camerons früheren Werken wie «Terminator 2» oder «Abyss» sehen kann). Und voilà: Im Jahre 2009 ensteht «Avatar», der laut IMDB zu 40% aus Live Action besteht und zu 60% aus Photo-Realistic CGI. Photo Realistic CGI heisst, dass alle computergenerierten Elemente – Menschen, Pflanzen, Landschaften etc. – erscheinen, als seien sie echt und so ablichtbar. Zusätzlich ist der Film in 3D im Kino zu sehen.
Die Frage, die sich nun stellt, ist, welchen Effekt diese technischen Wunder auf das Kinoerlebnis haben. Einen Monat ist es bald her, seit ich «Avatar» im Kino gesehen habe, doch die Lebensechtheit der blauen Kreaturen und der wundersamen Vegetation hat sich in meine Erinnerung gebrannt. Für drei Stunden wurde ich auf den Planeten Pandora katapultiert und mitgenommen auf gefährliche Klettertouren durch die Wälder und Gebirge des Planeten. Hätte mir mein Gehirn nicht ständig gesagt, dass es keine sechsbeinigen Panther und fliegende dinosaurierartige Kreaturen gibt, hätte ich meinen Augen völlig getraut. Die Tiefe des Bildes gibt einem das Gefühl völliger Immersion.
Was für mich ein mehr als zufriedenstellendes Kinoerlebnis ist, hat aber auch definitive Schwächen. Obwohl man nämlich von den Visual Effects immer wieder überrascht werden kann, ist der Verlauf der Story für jeden durchschnittlichen Filmfan absolut vorhersehbar. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch Starregisseur James Cameron sich von Investoren reinpfuschen lassen musste, da immerhin 288 Millionen im Spiel sind, also wurde vielleicht vieles rausgeschnitten, denn Cameron liess sich für das Erzählen gewisser Details ungemein viel Zeit, während der Schluss abgehackt scheint. Ähnliches sieht man in Filmen wie «Star Wars – Episode I‑III» oder «Star Trek XI», bei denen auffällt, dass der technische Aufwand, beziehungsweise der kindische Drang der Regisseure, möglichst coole Effekte zu präsentieren, Vortritt haben, und die Qualität der Story völlig zweitrangig wird. (Ich sehe den verschmitzten George Lucas vor mir, wie er sich denkt: «Oh ja, lassen wir die Jedis in einem Lavasee kämpfen!»)
Ist für Science-Fiction-Fans eine längere DVD-Edition die letzte Hoffnung? «Lord of the Rings» von Peter Jackson sollte eigentlich bewiesen haben, das extensive Arbeit mit CGI der Story nicht in die Quere kommen muss. Um also zurück auf die Frage zu kommen, wie sich das Kinoerlebnis verändert, gibt es anscheinend mehrere Antworten. Denn es kommt stark auf die Ansprüche und Erwartungen des Publikums an: Ist eine interressante und originelle Story auch für die Zuschauer zweitrangig (und so scheint es oft, denn zu viele Leute haben «Star Trek XI» zu gut gefunden), dann werden sie mit Camerons und Lucas Filmen weiterhin zufrieden sein. Erwarten sie jedoch beides, werden sie wahrscheinlich immer öfter enttäuscht.
Vielleicht müssen wir unsere Ansprüche einfach herunterschrauben und die Fahrt ins Unbekannte geniessen. So sagte Sigourney Weaver zu «Avatar» im Interview mit dem SpaceView: «[…] Sobald du dich in den Kinosessel setzt, wirst du in eine weit entfernte Welt mitgenommen, und das ist wohl etwas, was wir alle lieben.»
Bild: James Cameron und sigourney Weaver bei den Dreharbeiten zu Avatar / Foto: zVg.
ensuite, Februar 2009