Von Luca D’Alessandro — Wer eine Reise nach Österreich macht, landet für gewöhnlich in Wien oder in Salzburg, allenfalls in Innsbruck. Vergleichsweise unbekannt ist aus Schweizer Perspektive die niederösterreichische Doppelstadt Krems-Stein an der Donau, rund 70 Kilometer westlich von Wien gelegen.
Ein Ort, der von Weinbergen umgeben ist und eine entsprechend hohe Weinkellerdichte aufweist. Er beherbergt ein Hochsicherheitsgefängnis, eine zwanzig Jahre junge Weiterbildungsuniversität und – da staunt der unvorbereitete Tourist nicht schlecht – ein Karikaturmuseum.
Zugegeben… …ein Karikaturmuseum ist eigentlich nichts Neues, schliesslich gibt es in Europa einige davon, zum Beispiel das Cartoonmuseum in Basel, das Caricatura Museum in Frankfurt oder das Musée de la Bande Desinnée in Angoulême. Interessant ist freilich, dass das Kremser Karikaturmuseum eine umfangreiche Skizzen- und Bildersammlung von Manfred Deix führt, einem der berühmtesten satirischen Zeichner Österreichs, der hin und wieder auch ausserhalb seiner Heimat seine Spuren hinterlässt. Zum Beispiel in der Schweiz, als um die Jahrtausendwende im Zusammenhang mit einer Deix’schen Christus-Karikatur im Magazin (No. 65) dutzende Beschwerden beim Presserat eingingen. Doch diese Geschichte ist längst passée.
Das Gebäude mit dem Gesicht Heute ist Deix nicht mehr nur Zeichner, er ist auch Gründervater. «Das Karikaturmuseum war meine Idee», lässt er sich im Pressetext der Institution zitieren, «und Landeshauptmann Erwin Pröll hat sie anno 2001 gottlob Realität werden lassen. Das Haus hat also uns beide als Väter.» Allerdings könnte der Architekt, Zeichner und politische Karikaturist Gustav Pichl, alias Ironimus, als dritter Vater durchgehen. Das Gebäude basiert auf dessen Plänen und ist geprägt von einer auffälligen Dachkonstruktion, die auf die Dachlandschaft der alten Bauwerke in Krems-Stein Bezug nimmt. Zwei Fensterchen und etwas unterhalb eingemittet ein roter Würfel geben dem Gebäude – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Gesicht.
Politisch unkorrekt, spirituell geistreich Zurück zu Deix: Der Cartoonist und Katzenliebhaber – sein Haus ist ein wahres Refugium für Katzen – hat sich mit seinen eher derben Darstellungen von politischen, religiösen oder sozialen Widersprüchen einen Namen gemacht. Weich gezeichnete, mollige Figuren, die sich entweder obszönen Handlungen hingeben, völlig daneben benehmen, im Sadomasokostüm posieren, im Heiligenkostüm verschmitzt und scheinheilig dreinschauen oder sich bei ihrem (ebenfalls geistlichen) Gegenüber vergreifen. Die eine Promifigur bekommt von Deix eine ultralange Lügennase verpasst, die andere muss auf der Kloschüssel posieren. Deix’ Werk ist im Wesentlichen eine Parodie des österreichischen Alltags, welcher von BigBrother, Arnold Schwarzenegger, religiösen und politischen Käuzen gezeichnet ist. Diese werden oftmals als gierig und sexuell bedürftig dargestellt. «Ich bin ein Lustzeichner. So wie es Lustmörder gibt, bin ich ein Lustzeichner», stellt er fest.
Für immer Deix Die Deix’sche Ausstellung im Karikaturmuseum wird dauerhaft geführt und bei Bedarf ergänzt. Das macht denn auch Sinn, schliesslich füllen dessen Zeichnungen Bücher. Die aktuelle thematische Ausstellung über Deix, welche in die bestehende Dauerausstellung eingebettet ist, steht unter dem Titel «Für immer Deix». Sie teilt dessen Lebenswerk in Etappen auf, indem sie beim jungen Deix ansetzt, zum heiligen und prominenten Deix übergeht, schliesslich beim ungemütlichen Deix landet – also jenem Künstler, der den Finger zielgenau da draufdrückt, wo es wehtut.
Amüsekel Wer sich in die Deix’sche Welt begibt, fühlt sich entweder angewidert oder amüsiert. Indem Deix immer wieder an die Grenze des Zumutbaren stösst – sie für manche sogar überschreitet – erreicht er sein Ziel: Die Übermittlung von gesellschaftskritischen Botschaften, an die der Betrachter sich noch lange erinnern soll. Fürwahr: Mit Manfred Deix hat das Karikaturmuseum Krems-Stein ein satirisches Aushängeschild.
Foto: zVg.
ensuite, März 2014