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Im Karriereflug — Aber keineswegs abgehoben

Von Luca D’A­lessan­dro — Wenn er nicht wäre, gäbe es das Mannheimer Kult­la­bel «Mole Lis­ten­ing Pearls» nicht: Der Zürcher DJ und Pro­duzent Robert Jan Mey­er aka Minus 8 ist seit mehr als fün­fzehn Jahren im Elek­tro-Musik-Geschäft tätig. Er ist Urhe­ber zahlre­ich­er Com­pi­la­tions: Zu seinen erfol­gre­ich­sten gehören die Brazil-Trilo­gie «Batu­ca­da» und «Sci­ence Fic­tion Jazz 1 — 11». Bis am 29. Mai 2009 umfasste sein Reper­toire fünf Alben, sei­ther ist mit «Slow Motion» der sech­ste Long­play­er ver­füg­bar – und das nach ein­er fün­fjähri­gen Pause. «Pause? Mein Gott, nein, ich lag keines­falls auf der faulen Haut. Ich habe diverse Com­pi­la­tions und Musik für Werbespots pro­duziert und war als DJ unter­wegs», kon­tert Minus 8.

Die Zeit seit der let­zten CD «Eclec­ti­ca» hat der heute 42-Jährige damit ver­bracht, neue Sounds auszutüfteln: «Ich habe Exkurse in den Bere­ich der Dance Music gewagt, auch die eine oder andere Maxi pub­liziert, doch ins­ge­samt erre­ichte ich nie die für ein Album notwendi­ge Menge. Ver­mut­lich bin ich doch zu sehr dem Down­tem­po zuge­tan, denn es zieht mich immer wieder in diese Sparte.»

Tat­säch­lich hält Minus 8 mit «Slow Motion» an sein­er 1996 mit dem Album «Beyond» begonnenen Tra­di­tion fest, welche dem san­ft-chill­i­gen, ruhig-besinnlichen Spek­trum ange­siedelt ist. Indes sind auf der aktuellen Plat­te ver­mehrt akustis­che Ele­mente auszu­machen wie Sax­ophon oder Gitarre. «Das war auch meine Absicht. Ich wollte kein Dance­floor-Album pro­duzieren, son­dern eines, das man sich zu Hause zum Entspan­nen anhört.» Ein Konzept, das auch Philippe Chré­tien gefällt. Der Basler Sax­o­phon­ist ist seit Län­gerem in der Welt der Elek­tron­ik unter­wegs und sofort zur Stelle, wenn inter­es­sante und vor allem mod­erne Pro­jek­te anste­hen. «Aus diesem Grund habe ich Philippe mit ins Boot geholt. Seine Moti­va­tion, die Erfahrung und sein eigen­ständi­ger Stil geben dem Album eine beson­dere Note.» Damit hat er nicht unrecht: Wer Chré­tiens Arbeit in den ver­gan­genen Jahren ver­fol­gt hat, stellt beim Hören von «Slow Motion» fest, dass sowohl Titel­lied als auch «Sover­a­to 09» unmissver­ständlich seine Prä­gung tra­gen.

Stilmäs­sig bewegt sich das Album im Bere­ich des Soul und Funk, geht abschnit­tweise über in Jazz und Lounge. «Es ist melodiöse Musik», so Robert, «in fast jedem Stück gibt es Gesangspas­sagen.» Das sei der wesentliche Unter­schied zu ein­er Dan­ce­plat­te, fügt er hinzu, denn «Musik für den Dance­floor ist mehrheitlich instru­men­tal». Neb­st Eigen­pro­duk­tio­nen schweben dem Hör­er vere­inzelt Ever­greens um die Ohren, so zum Beispiel in «We’re Wait­ing», wo Text und Melodie an den Hit «Sweet Dreams» von Eury­th­mics erin­nern.

Behei­matet ist Minus 8 beim Münch­n­er Elek­tro­la­bel Com­post. «Das hat seine Vorteile», denn für einen Pro­duzen­ten sei ein auf ein bes­timmtes Genre spezial­isiertes Label Gold wert. Das stellt Robert Jan Mey­er beson­ders dann fest, wenn es darum geht, die eigene Musik auf dem deutschen Markt einzuführen. «Die Konkur­renz ist riesig, und als Schweiz­er Pro­duzent hat man es beson­ders schw­er, in Europa über­haupt Fuss zu fassen.» Er aber hat diesen Schritt schon längst vol­l­zo­gen, so durfte er als DJ an pres­tigeträchti­gen Fes­ti­vals wie Ams­ter­dam Dance Val­ley, Mon­treux Jazz und Roskilde aufle­gen. Seine Tourneen bracht­en ihn nach Nordeu­ropa, Asien, in die Vere­inigten Staat­en bis hin nach Kuba.

Dank seinem Gespür für feine Klänge machte er sich auch auf dem Gebi­et des Sound-Design einen Namen. Er bekam ver­schiedentlich die Gele­gen­heit, Werbespots zu ver­to­nen und Klangkulis­sen für deutsche Spielfilme zu gestal­ten; ein Bere­ich, in dem sich als Musik­er heute noch Geld ver­di­enen lässt. Mit CDs und Com­pi­la­tions ist das Über­leben nicht gesichert, denn die zahlre­ichen Raubkopi­en machen auch Minus 8 zu schaf­fen. «Trotz­dem will ich nicht kla­gen, in den let­zten Jahren hat die Zahl der ille­galen Down­loads aus dem Inter­net abgenom­men», sagt Robert. Die Arbeit an der eige­nen Musik lohne sich alle­mal, «wenn du in der Musik die Lei­den­schaft siehst, darf­st und wirst du sie nie aufgeben.»

Ach ja, wie war das nun eigentlich mit Mole Liste-ning Pearls? «Dieses Label wurde für meine Sam­pler­rei­he ‹Sci­ence Fic­tion Jazz› ins Leben gerufen. Zuerst pro­duzierte ich diese für ‹Under Cov­er Music Group›, die Ver­ant­wortlichen merk­ten aber sofort, dass mein Stil nicht in ihr Leit­bild passen würde. Den­noch gefiel ihnen meine Arbeit. Sie woll­ten mich unbe­d­ingt behal­ten und haben – wegen mir – Mole lanciert.» Heute ist das Label erfol­gre­ich: Es beherbergt Musik­er wie Yon­der­boi, Alphawezen, Lemon­grass, Moodora­ma und war Ende der Neun­ziger­jahre mass­ge­blich am Auf­bau des Hei­del­berg­er Band­pro­jek­ts De Phazz beteiligt.

Die Mole ist also geset­zt und «Slow Motion» im Plat­ten­han­del erhältlich. Minus 8 segelt nun diversen Events ent­ge­gen: Am 5. Juni ste­ht er anlässlich der CD-Taufe im Zürcher Tanzkarus­sell auf der Bühne, am 13. Juni kommt er ins Bern­er Sous Sol. Trotz seines Erfolges ist Robert Jan Mey­er beschei­den geblieben. Ver­mut­lich deshalb ist er für viele Schweiz­er DJs und Pro­duzen­ten ein Vor­bild.

ensuite, Juni/Juli 2009

Artikel online veröffentlicht: 20. August 2018