Von Isabelle Haklar — Die Schuld gebe ich meinem «iPod Touch», den ich mir kurz vor Weihnachten geschenkt habe. Denn er war es, der mich in die Welt der «Apps» einführte, mir das Mailen in der Badewanne oder das Anschauen des verpassten «Reporter» im Zug nach Thun, morgens um 7h, ermöglichte. Er war es auch, der mich in den Wahn trieb, wenn einmal kein «Wi-Fi» mich umgab, sodass ich eine SMS anstelle einer Nachricht via «WhatsApp» schicken musste. Und er war es dann schliesslich auch, der mich zum Kauf eines iPhone und zum Verkauf meines Dopi – ja, ich gab meinem Elektrogadget tatsächlich einen Namen – zwang.
Mich trifft also absolut keine Schuld, dass ich ein Stück meiner Individualität aufgegeben habe – absolut keine, ich wasche meine Hände nach wie vor in Unschuld und beteure dies auch immer hartnäckig, wenn mich jemand auf mein neues Gerät anspricht. Doch in letzter Zeit musste ich nun schon des Öfteren erleben, dass ich nach einer solchen Aussage belächelt wurde. So begann ich mich allmählich zu fragen, ob ich nicht eventuell auch ein kleines Bisschen Mitschuld an meiner Errungenschaft trage.
Wie dem auch sei, ich bin nun überall online, kann meine Mails Tag und Nacht checken, «whatsäppeln», wann und wo ich will, und den «Bund» in jeder Ecke updaten.
Wie konnte ich bloss sein ohne? Eigentlich ganz gut. Denn ich stellte fest, dass ich nicht jede Sekunde eine wichtige Mail erhalte und meine «WhatsApp-Freunde» auch noch anderes zu tun haben, als ständig auf ihr trendy Accessoire zu starren. Und auch der «Bund» wird von den Schreiberlingen nicht so schnell ge-updatet, wie es die Kapazität meines Telefons erlaubt.
Eine weitere Frage ist die nach meiner Freizeitgestaltung. Was tat ich nur, als ich noch nicht nach «Walter» suchen konnte? Wahrscheinlich Gescheiteres. Oder was machte ich mit meinem Gegenüber, als wir noch nicht gegeneinander Ping Pong oder Tennis spielen konnten? Wahrscheinlich führten wir interessante Gespräche statt verbissen mit dem Finger über den Touch-Screen zu fahren und zu «futtern», wenn nicht man selbst, sondern das Vis-à-vis einen Punkt machte.
Übrigens habe ich meine Individualität nicht ganz aufgegeben, denn ich besitze ein weisses iPhone. Was ich damit sagen will, ist, dass immer noch weniger Leute ein weisses Gerät besitzen als ein schwarzes. Der Grund, warum ich Besitzerin eines weissen bin, sei jedoch an dieser Stelle nicht im Detail genannt, da er nicht zu meinem Vorteil ist. Dazu nur soviel: Es musste unglaublich schnell ein Ersatz für meinen Dopi her …
Nebst all den neu entdeckten Annehmlichkeiten, die mir mein Objekt dennoch beschert, stimmt es mich gelegentlich auch etwas traurig. Musste ich doch den Beutel, den mir meine stellenlosen Jugendlichen genäht haben ad acta legen, da er zu klein ist, meinen «Tatort»-Klingelton gegen einen eingewurzelten tauschen und mit Schrecken feststellen, dass ich mich kaum mehr erinnern kann, wann genau ich das letzte Mal den «Bund» in gedruckter Form in Händen hielt.
Dies ist wohl der Dinge Lauf – für den ich künftig keinen Schuldigen mehr zu suchen brauche.
Foto: zVg.
ensuite, April 2010