Von Patrik Etschmayer - Die neue ‹Star Wars›-Serie auf Disney+, die sich mit dem Schicksal des Yedi-Einsiedlers Obi Wan Kenobi zwischen Teil III und Teil IV der Sternensaga befasst, hat einmal wieder die Trolle aus dem Gebüsch der sozialen Netzwerke gelockt. Natürlich, Trolle, von rassistisch bis misogynistisch haben in den asozialen Medien ein wunderbares Heim gefunden, einen Ort, an dem sie, meist anonym, ihre Unsicherheit, ihren Selbsthass und die daraus genährte Verachtung für alles, was nicht ihren verkrüppelten Idealen entspricht, angreifen und zumindest verbal Niedermachen.
Das ausgerechnet Star Wars, dieses vielfältige Märchenuniversum voller einfach gestrickter Geschichten, eine besonders üppig spriessende Wiese dieser Blumen des Blöden und Bösen ist, ist recht traurig.
Wenn in einem Universum, in dem Bettvorleger (hey, Prinzessin Leia nannte Chewbacca so) Helden und Prinzessinnen harte Generale sein können, sich sogenannt Fans auf Instagram über eine schwarze Frau zu nerven und rassistischen Mist über die Darstellerin ausschütten, ist das jämmerlich, ekelhaft und widerlich. Doch das hat leider schon lange Tradition: John Boyega, Kelly Marie Tran und selbst die weisse Daisy Ridley wurden von Fans fertig gemacht, wobei Sexismus, Rassismus, oder beides den Boden für dieser Absonderungen bildete, während die Leistungen der Darsteller unwichtig blieben.
Dabei ist Star Wars bei weitem nicht die einzige Entertainment-Galaxie wo Hass gegen Frauen und Minderheiten, seien diese nun ethnischer, sexueller oder gesellschaftlicher Natur, versprüht wird. Solche Menschen werden regelmässig mit bösartiger Freude von Schwärmen zornig hasserfüllter, fast immer männlicher, Trolle aufs widerlichste attackiert.
Öffentlich sichtbare Frauen, die sich nicht als devotes Hascherl inszenieren, können davon ausgehen, bei jedem prominenten Auftritt mit Sicherheit vor allem von Incels attackiert zu werden. Wobei manche dieser Incels es nicht bei verbalen Attacken bewenden lassen: Schon mehrere Male kam es durch solche Individuen zu Massenmorden, die Frauen zum Ziel hatten, wobei auch vielfach Männer unter den Opfern des wahllos zornigen Mordens waren.
Falls sich der/die LeserIn fragt, was denn ein Incel ist: Incel steht für ‹Involuntary Celibate›, also unfreiwillig zölibatär. Sprich, Singles wider willen. Und nur Männer. Dabei sehen diese die Schuld für ihren Mangel an sexuellen Kontakten fast überall: bei den Frauen, beim Feminismus, in den Medien, allerdings ganz sicher nicht bei sich selbst. Im Gegenteil: Sie betrachten sich selbst meist als praktisch perfekte Individuen, die Opfer der Welt sind. So hielt sich Elliot Rodger, ein 22-Jähriger für den ‹perfect Gentleman› und ‹the closest thing there is to a living God›, der aber noch nie ein Mädchen geküsst hatte. Dies schrieb Rodger 2014 in einem Manifest, bevor er auf einen Amoklauf ging, auf dem er drei Menschen erschoss, drei andere erstach und 14 weitere mit Schüssen verletzte. Er schloss sein larmoyantes Manifest mit den Worten: «Ich bin das wahre Opfer in all dem. Ich bin der gute Typ.»
Rodger wurde mit diesen Taten und dank seines Manifestes zum Helden der Incel-Bewegung. Das ist nicht wirklich erschreckend, es ist viel mehr deprimierend und entlarvend, denn jeder, der diese Aussagen mit wachem Verstand anschaut, realisiert, dass Incel eigentlich nichts anderes als Wichser! bedeutet. Und zwar im negativsten Sinne. Darum auch das Ausrufezeichen.
Natürlich ist nicht jede/r der wichst auch ein/e Wichser/in!. Denn echt, so gut wie jeder und jede holt sich in gewissen Phasen des Lebens regelmässig eins runter. Dies ist so banal wie wahr, beschert der Zellstoffindustrie jedes Jahr sichere Umsätze und hat in jüngerer Zeit eine boomende Sex-Toy-Industrie erblühen lassen. Doch nur einer kleinen Minderheit fällt es ein, sich anhand dessen, dass die eigene dominante Hand die einzige Liebhaberin ist, zu definieren.
Besonders unter jungen Erwachsenen gibt es viele, bei denen biologischer Trieb und soziale Unreife eine schmerzhafte Kombination ergeben. Jene, die sich vor dem Internet in dieser Situation befanden, hatten nur zwei Möglichkeiten: Als Mensch wachsen, lernen und so durch gewonnene soziale Kompetenz begehrenswerter für mögliche Partner der eigenen sexuellen Präferenz zu werden, oder zu stagnieren und im Elend des Selbstmitleids zu verschrumpeln. Heute gibt es dazu die Möglichkeit Nr. 3: Sich online mit anderen unbefriedigt-selbstzufriedenen (das überhaupt mental hinzukriegen ist ja schon fast beeindruckend… aber nur fast), aber tief gekränkten und frustrierten Typen (die Incel-Bewegung ist nun mal fast total männlich) in einem virtuellen Troll-Mob zu vereinen und allen anderen (Frauen, Medien, nicht emotional zurück gebliebenen Menschen) die Schuld für das EIGENE Leben zu geben. Diese mit einem überhöhten Selbstbild (siehe Rodgers Selbsteinschätzungen) kombinierte bittere Frustration macht diese Menschen zu Wichsern!, und zwar primär, nicht sekundär, tertiär oder quartär wie bei ‹normalen› Menschen.
Dieses grössenwahnsinnige Selbst- und somit Männerbild findet sich spassigerweise auch bei rechtsextremen Bewegungen wieder. Es finden sich hier wie dort Antifeminismus, extreme Misogynie, die Behauptung, Männer würden systematisch benachteiligt und dass Sexismus nicht existiere. So darf es nicht wundern, wenn sich die trüben Brühen dieser Ideologie-Pools nur allzu leicht mischen und sich Versatzstücke, die eigentlich nicht die Bohne was mit deren Gewichse zu tun hat, auch zu den Incels rüber schwappen. So auch Rassismus, Fremdenhass und der Anspruch, dass Populärkultur ihnen (den Incels und Rechtsextremen) gehöre und ihren ‹Idealen› zu entsprechen habe.
Womit wir wieder bei Obi-Wan, Mo Ingram und dem Shitstorm gegen diese Schauspielerin sind: Ja, wir haben es hier mit einem Aufschrei der Wichser! zu tun, die, weil es gleich auch noch reinpasst und mit ihrem nicht vorhandenen Gefühl für Anstand einhergeht, neben der Sexismus- auch die Rassismuskarte ausspielen. Classy, guys!
Da selbstabsorbierte Wichser! natürlich nicht auch nur ein Quäntchen Empathie in sich tragen, kümmert es sie natürlich auch nicht, wie verletzend und abstossend ihre Kommentare sind und dass sie sich mit jedem solchen Post in ihrer Persönlichkeitsentwicklung weiter von der Chance weg entfernen, jemals eine echte, befriedigende intime Beziehung haben zu können. An die Opfer solcher Troll-Attacken kann man als Trost eigentlich nur weitergeben: Ja, es ist hässlich, was da passiert, es ist widerlich, was da steht und es tut wirklich weh. Aber hey, was sonst kann von solchen Wichsern! denn sonst erwartet werden?
Wichser! eben.
Bild: Die 2016 verstorbene Carrie Fisher als Prinzessin Leia.