Von Ursula Lüthi — In den drei vergangenen Heften wurden einerseits allgemeine Gedanken, Definitionen und Umfelder, in denen es Burnout geben kann, dargestellt. In diesem Beitrag wird das Empfinden von Menschen und Arbeiten beleuchtet. Ein letzter Bericht im nächsten Heft dieser kurzen Serie zum Phänomen Burnout wird sich mit aufblühenden Aussichten befassen. Wo immer die eigene körperliche, seelische und geistige Gesundheit steht, jeder kann seine Ausgewogenheit und das damit verbundene Glücksempfinden beziehungsweise die Zufriedenheit mit sich selber mit bestem Gewissen und Empfinden selber gestalten oder erobern. Etwas Mut zur Veränderung, wenn es nicht mehr gut geht oder schon lange nicht mehr geht, und ein Bestreben nach dem Wohlsein und der Freude sind die Ratgeber in dieser Sache. Diese Bestreben stehen jedem eigens zur Verfügung und lassen sich bestens nutzen.
Ehrliche Zufriedenheit aushalten Burnout-Forscher meinen: «Es ist weder möglich, Burnout sicher zu diagnostizieren, noch, einem Menschen, der sich ausgebrannt fühlt, zu beweisen, dass er kein Burnout(-Syndrom) hat». Die Studie von Hillert und Marwitz halten fest: «Es ist schlicht Energiemangel infolge von vorangegangener Überstrapazierung. Die Batterien der Betroffenen sind leer.» Burnout hat keine deutlichen Anfänge oder Enden. Es schleicht sich über unterschiedlichen Energieverbrauch ein und lässt sich durch individuelle Aufarbeitung eindämmen. In welcher Hinsicht Rückstände bleiben, so lässt sich höchstens sagen, dass der Betroffene sich mit seinen Grenzen und Kräften seinen Möglichkeiten und Freuden besser kennenlernt. Aronson, Pines und Ditsa fassen zusammen und schreiben einfühlend: «Dieses ausserordentlich schmerzliche und quälende Erlebnis ist durch geeignete Gegenmassnahmen zu bewältigen. Es kann den Weg zu klareren Einsichten in das Selbst weisen, das Einfühlungsvermögen anderer Menschen gegenüber verfeinern und wichtige Lebensveränderungen, Wachstum und Entwicklung einleiten. Menschen, die das Ausbrennen erlebt und überwunden haben, finden fast ausnahmslos zu allgemein besseren, anregenderen und weniger einengenden Lebensbedingungen.» Mit dem Zurückgewinnen der Kontrolle über die realistischen Leistungsmöglichkeiten sowie den eigenen Bedürfnissen und Wünschen, kann dem Ausbrennen entgegengewirkt werden und Kraftquellen wieder belebt werden. Dies erfordert jedoch ein Bewusstwerden der eigenen Bedürfnisse und Wünsche und eine ernstzunehmende Zeitspanne der Reserveschaffung für eigene Kräfte; das heisst, der Mensch muss sich selber wieder lieb werden und Leistung für sein Wohlbefinden erbringen lernen. Das Nein-Sagen gegenüber nächsten Personen ist oftmals beizuziehen, Pausen machen darf nicht mit schonungslosem Freizeitstress ausgefüllt sein und es gilt zu akzeptieren, dass auch die Stärksten irgendwann einmal ihre Ressourcen verbraucht haben und dies keine Unmenschlichkeit an sich ist, sondern zum Zyklus von Leistung und Wertschätzung im Zusammenleben mit Arbeit, Familie und Freunden jedem widerfahren kann — so beraten Litzcke und Schuh. Das Ausbrennen «hält uns nicht den Spiegel vor, sondern bietet Hilfen zur Bewältigung der beschriebenen Zustände. Das Ausbrennen kann man meiden. Wo es eingesetzt hat, kann man den Prozess bremsen und rückgängig machen», schreiben Aronson, Pines und Ditsa. Es bedarf in gewissem Sinne einer Trauerphase, um sich von alten, verfahrenen Mustern von Beruf und Leben zu verabschieden und sich neuer Lebensqualität und Leistung bewusst zu werden. Aronson, Pines und Ditsa raten weiter: «Wir empfehlen allen Leuten, nicht immer zu wiederholen, was sie gut können, sondern ihr Leben und ihren Beruf durch Abwechslung und neue Herausforderung vielfältiger zu gestalten. Wenn man mit neuen Ideen, Fertigkeiten und Annäherungsversuchen experimentiert, kann man sich selbst auch einmal gestatten, nicht ganz perfekt zu sein»; und: «Um Erfolg zu einem positiven Lebensereignis zu machen, muss man lernen, erfolgreich vollbrachte Leistungen in Ruhe zu geniessen und dieses Erlebnis zu einem Teil des Selbst zu verarbeiten, ehe man sich aufmacht, um neuen Herausforderungen zu begegnen»,so Aronson, Pines und Ditsa. (Alle Quellenreferenzen sind aus gestalterischen Gründen unterlassen.)
Signale von Innen empfangen Im Buch «Das psychosomatische Lexikon, das schon beim Lesen hilft: Mein Körper — Barometer der Seele» von Jacques Martel (Psychotherapeut) findet sich folgende Sprache zum Burnout-Syndrom oder zur Erschöpfung: Ein Burnout-Syndrom äussert sich im Allgemeinen, wenn ich einen Kampf um ein bestimmtes Ideal erfolglos aufgegeben habe. Die in die Umsetzung dieses Ideals investierte Zeit und Energie sind so gross, dass ich erschöpft und krank geworden bin. Es handelt sich um eine tiefe innere Leere, weil ich eine Situation ablehne, in der ich eine wirkliche, konkrete und dauerhafte Veränderung sehen möchte, beispielsweise an meinem Arbeitsplatz, in meiner Familie oder meiner Partnerschaft. Ich bin Perfektionist und opfere mich auf, ich will meine Ideale erreichen. Vielleicht ist es auch ein Teil meiner selbst, den ich nicht akzeptiere. Ich fühle mich so, als ob ich gegen die ganze Menschheit kämpfen müsste, da es mir so scheint, als ob sie meinen Erwartungen und tiefen Überzeugungen nicht entspricht. Warum weitermachen? Ich gebe auf, es wird mir zu viel. Es handelt sich um eine Art Zwang, denn ich will das System mit neuzeitlicheren Methoden um jeden Preis ändern. Wenn ich den Eindruck habe, dass ich die Welt retten muss, dann muss ich sofort meine Einstellung überprüfen. Ein Burnout-Syndrom ist auch eine Art Flucht. Ich sollte mich fragen: Wovor will ich durch mein exzessives Arbeiten flüchten? Habe ich Angst, mit mir alleine zu sein? Brauche ich einen Vorwand, um nicht mit einem Lebenspartner zusammen zu sein, den ich nicht mehr ertrage? Was will ich beweisen, während ich gleichzeitig vor der Angst vor Misserfolg flüchte? Die Symptome eines Burnout-Syndroms sind ziemlich deutlich: geistige und körperliche Erschöpfung, nachlassende Lebensenergie, unzusammenhängende Gedanken! Zuerst kommt die Erschöpfung und dann die Ruhe und Erholung, damit ich meine Energien wieder aufladen kann. Vor allem muss ich aufhören zu glauben, dass ich es allen recht machen muss! Das ist eine Idealvorstellung und die Wirklichkeit liegt darin zu wissen, dass ich für das, was ich zu tun habe, mein Bestes gebe und mich vollständig einbringe. So finde ich wieder Gelassenheit, inneren Frieden und wirkliche Liebe in meinem Handeln. In der Kurzform schreibt Martel zur Bedeutung des Burnout-Syndroms: «Das Burnout-Syndrom steht oft im Zusammenhang mit der Flucht vor einer starken Gemütsbewegung, die bei der Arbeit oder anderen Beschäftigungen auftritt.»
ensuite, Dezember 2009