Von Ruth Kofmel — Gesehen und gehört habe ich Joy Frempong zum ersten Mal im Dachstock in Bern an der Filewile-Plattentaufe — ich war uneingeschränkt einverstanden; mit ihrem Gesang, ihrer Art, ihrer Präsenz.
Aber wo fange ich an, wenn ich diese Frau beschreiben soll? Wie sie gross, mit grossem Haar und farbigen Turnschuhen, anders als die anderen, am Bahnhof steht? Wie mich ihre extrem schüchterne und dann wieder absolut selbstbewusste Art verblüfft und sie dazu lakonisch meint: «Ich glaube, das ist einfach ein komischer Mix.» Manchmal ist ihr diese Mischung hinderlich bei ihrem Tun, wenn sie zum Beispiel auf der Bühne die Frontfrau geben soll. Andererseits scheint sie sich damit versöhnt, ihren Umgang damit gefunden zu haben. Ihre praktische Lösung für die Bühne ist ein Sampler, der gleichzeitig sie vom Publikum und das Publikum von ihr ablenkt — ihr also mehr Schutz bietet als so ein krümeliges Mikrofon.
Vor rund fünf Jahren schloss sie an der Jazzschule in Bern ihre Ausbildung als Sängerin ab. Diese Legitimation habe ihr geholfen, sonst hätte sie sich vielleicht nicht getraut, diesem Wunsch nachzugehen. Vermisst hat sie die Förderung ihrer kreativen und freien Seiten. Dass die Schule einem zwar das Handwerk beibringt, es in einen Rahmen von richtig und falsch spannt, es daneben aber auch verpasst, das Finden und Bilden einer Künstler-Persönlichkeit zu fördern. Immer mit dem konfrontiert zu sein, was sie nicht konnte, fand sie oft desillusionierend und ernüchternd. Vielleicht war es für Joy auch einfach nicht genug. Sie ist sicher keine Interpretin, sie ist eine Macherin, ein Hans Dampf, wie sie sagt. Ihre verschiedenen Projekte lassen einen nur schon beim Aufzählen atemlos zurück. Sie singt und spielt in: Lauschangriff, Stade vs. Infinite Livez, Phall Phatale und Filewile. Die musikalische Ausrichtung dieser Bands ist grundverschieden, gemeinsam ist ihnen die Sängerin. Und diese findet es ganz natürlich, zwischen Free Jazz, Jazz, Rock, Pop, Dub, Experimenteller Musik und Elektronik hin und her zu wechseln. Sie geniesst dieses enorme Spektrum, so kann sie ihre vielseitigen musikalischen Interessen ausleben und in den verschiedensten Jagdgründen wildern.
So sehr sie offensichtlich den Austausch mit anderen Klangtüftlern liebt, überkam sie trotzdem die Lust auf etwas ganz eigenes, eine selbsterbaute Welt, und so hat sie nun unter dem Namen Oy ihr Soloprojekt lanciert. Ihre Kompositionen aus Gesang und Elektronik sind dieses Jahr auf verschiedenen Schweizer Bühnen und nächstes Jahr auf CD zu hören. Für sie selbst ist es die Wiederentdeckung und Verwirklichung eines fast vergessenen Traums, denn schon vor mehr als zehn Jahren hat sie sich einen Sampler gekauft, mit der Idee, ihre eigenen Stücke zu produzieren. Die Tatsache, dass es immer andere gibt, die es besser können, hat sie aber lange davon abgehalten, sich diesem Projekt ernsthafter zuzuwenden und damit an die Öffentlichkeit zu treten. Nicht, dass es ihr an Selbstkritik mangelt, eher im Gegenteil. Trotzdem hat sie beschlossen, da anzusetzen, wo sie momentan steht, ihre Ideen umzusetzen, auch wenn sie unter anderem festhält, dass dies keine fetten Sounds seien, dass die Umsetzung für die Bühne noch in der Experimentierphase steckt und dass sie sich gut vorstellen kann, dann doch wieder Leute dazu zu holen.
In der Tat sind ihre Klänge eher minimalistische Skizzen, noch nicht ganz ausgemalt. Es hat von allem etwas, viele Stile sind durcheinandergewirbelt. Joy Frempong mutet uns zu, in ihr weites musikalisches Spektrum einzutauchen und uns nicht von einem einzigen Sound einlullen zu lassen. Als roter Faden dienen die Texte, diese erzählen kleine Geschichten, basierend auf gesammelten Kindheitserinnerungen aus Joys Umfeld. In der Live-Umsetzung dürfte dieser Erzählstrang äusserst spannend sein und es dem Zuhörer leicht machen, dem Wechselspiel der Klänge zu folgen. Und falls dem nicht so sein sollte, darf man getrost auf Joy Frempongs unglaublich wandelbare Stimme setzen, die ihren Zauber — wie auch immer — tun wird.
Diese Stimme ist vielleicht der Schlüssel dazu, Joy in ihre Universen folgen zu können. Sie ist verwirrend vielseitig. Es gibt die experimentelle Stimme; verspielt, effektvoll und theatral. Und es gibt die grosse Jazz-Stimme. Joy Frempong hat nicht eine Stimme, sie hat viele und weiss diese einzusetzen, ähnlich verschiedener Instrumente. Eine der Stimmen, die sie noch etwas im Versteckten hält, auch aus Selbstschutz, wie sie sagt, mag ich besonders. Sie ist inspiriert von einer der überragenden Jazz-Sängerinnen, ohne ihr nachzueifern, versprüht sie einen ähnlich herben Charme — schwer zu widerstehen.
Foto: zVg.
ensuite, August 2009