- ensuite - Zeitschrift zu Kultur & Kunst - https://www.ensuite.ch -

Käsefleisch

Von Bar­bara Roel­li — Fleis­chkäse. Fleisch und Käse, Käse und Fleisch. Ja was jet­zt nun? Entwed­er Fleisch oder Käse, oder? Ich habe mich schon immer gefragt, was dieser Name nun eigentlich genau beze­ich­net, weil er für mich ver­wirrend ist. Gut, ich kenne Fleis­chkäse seit Kindes­beinen. Bei uns zu Hause gab es den Fleis­chkäse gebrat­en; als dicke rechteck­ige Scheibe mit den typ­isch abgerun­de­ten Eck­en. Die Scheibe war also gebrat­en und lag auf einem Bett von Rahm­spinat. Und auf die Scheibe Fleis­chkäse kam – so qua­si als ober­stes Tier der Bre­mer Stadt­musikan­ten — ein glänzen­des Spiegelei.

Angenom­men aber, ich hätte keine Ahnung und keine Vorstel­lung davon, wie ein Fleis­chkäse aussieht. Ich würde im Lebens­mit­telgeschäft wohl in der Käseabteilung lan­den, auf der Suche nach einem Käse, der etwa Schinken­stücke in den Laib eingear­beit­et hat. Oder ich würde annehmen, dass es sich beim Fleis­chkäse um einen aro­ma­tisierten Stre­ich­schmelzkäse han­delt – eine stre­ich­fähige Käsezu­bere­itung mit Schweine­bratengeschmack zum Beispiel. Wie beim Nusskäse tönt es auch beim Fleis­chkäse danach, als ob der Käse Hauptbe­standteil ist. Aber der Fleis­chkäse ist ja gar kein Käse und will auch kein­er sein. Im Fach­jar­gon gehört Fleis­chkäse zu den Brüh­würsten. Weshalb also dieses sprach­liche Ver­wirrspiel? Warum ist das Wort Fleis­chkäse nicht selb­sterk­lärend?

Eine mögliche Antwort auf die Frage, warum der Fleis­chkäse eben ger­ade Fleis­chkäse heisst, hat Felix Kessel­ring, Fach­lehrer am Aus­bil­dungszen­trum für Schweiz­er Fleis­chwirtschaft in Spiez. Doku­mente über die Herkun­ft des Namens gäbe es keine. Eine plau­si­ble Erk­lärung für den Namen ist aus sein­er Sicht fol­gende: «Früher, etwa vor vierzig Jahren, wurde die Brät­masse, aus dem der Fleis­chkäse beste­ht, von Hand in das rechteck­ige Mod­el gefüllt. Dadurch ent­standen Luftlöch­er, die zusam­men mit der rechteck­i­gen Form an einen Käse­laib erin­nerten.»

Und die Löch­er im Brät scheinen nicht nur optisch zu wirken. «Die Luft gab dem Fleis­chkäse Frische», sagt Felix Kessel­ring. «Heute geschieht die Ver­ar­beitung des Bräts ganz anders: es wird mit ein­er Vaku­um­spritze in das Mod­el gefüllt, was Luftlöch­er ver­hin­dert.» Nach Kessel­rings Ansicht jedoch sei der Fleis­chkäse so zu kom­pakt.

Wenn der Fleis­chkäse also seine Käselöch­er ver­loren hat, wie unter­schei­det er sich dann von Mit­stre­it­ern in der Wurstaus­lage? Die direk­te Konkur­rentin, mit einem eben­falls zartrosa Teint, wäre da wohl die Lyon­er­wurst, die ich jew­eils zum «Rädli» geschnit­ten bekam, wenn ich meine Mut­ter zum Met­zger begleit­ete. Ich frage nochmals Felix Kessel­ring, Fach­lehrer am Aus­bil­dungszen­trum für Schweiz­er Fleis­chwirtschaft in Spiez. «Die Brät­masse für die Lyon­er­wurst wird in einen Darm gefüllt. Die Wurst ist im Auf­schnitt also rund und weil sie aus Kalbfleisch hergestellt wird, ist sie etwas edler als der Fleis­chkäse. Im Brät für den Fleis­chkäse hat es Schweine­fleisch, und dieses Brät wird in eine rechteck­ige Form gefüllt.» Das Beson­dere beim Fleis­chkäse­brät sei, dass es Milchzuck­er enthält, was den Laib im Ofen schön braun karamel­lisieren lässt.

Der Name Fleis­chkäse ver­wirrt mich nun nicht mehr. Und nun bin ich erst noch hin­ter das Geheim­nis der braunen Kruste gekom­men.

Foto: Bar­bara Roel­li
ensuite, Mai 2011