Von Morgane A. Ghilardi — Er ist Regisseur, Produzent, Drehbuchautor, Comicautor und Schauspieler, und machte 1994 mit seinem Erstlingswerk «Clerks» sein phänomenales Debut am Sundance Film Festival und in Cannes. Heute ist er ein renommierter Alleskönner, der an diversesten Projekten mitgearbeitet hat, wie z.B. «Good Will Hunting». Kevin Smith heisst er – ein Unikum amerikanischer Popkultur.
Er war 24, hatte ein halbes Filmstudium absolviert und einen Stapel Kreditkarten beantragt. Das war genug, um nach Feierabend im Lebensmittelladen, in dem er angestellt war, einen Film zu drehen, der sich als ein kleines, dreckiges Juwel herausstellen sollte. Im Zentrum stehen die zwei QuickStop-Angestellten Randall und Dante aus New Jersey, die über Frauen, Pornographie und die dumme Kundschaft sinnieren. Das ganze in schwarz-weiss, denn das ist billiger. Was nicht sehr aufregend klingt, ist eine Ansammlung verrucht-komischer Dialoge und absurder Ereignisse, die zwar eine spezielle Art von Humor verlangen, aber einen aus den Socken hauen können. Der 28’000 Dollar Film hat schliesslich auch drei Millionen eingespielt und mehrere Preise und Nominationen erhalten. Das war der ultimative Startschuss für Smiths Laufbahn.
Sein letzter Film, «Zack and Miri Make a Porno», lief im Winter bei uns in den Kinos, doch wahrscheinlich ist er nur bei wenigen auf dem Radar aufgeblitzt. Smith ist bei uns nicht besonders bekannt, da er einen Aspekt amerikanischer Kultur repräsentiert, mit dem wir nicht besonders vertraut sind. Er ist nicht nur ein Comicfan (er besitzt seinen eigenen Comicladen und schreibt regelmässig für Comicserien), sondern auch besessen von seinem Heimatort New Jersey. Der so genannte Garden State ist nämlich in fast jedem seiner Filme Schauplatz der Handlung. Smith hat ein kleines, aber buntes Universum um seinen Heimatstaat erschaffen, sodass in fast jedem seiner acht Filme immer wieder die gleichen Charaktere und Schauspieler auftauchen, wie z.B. Jay und Silent Bob (gespielt von einem Jugendfreund und ihm selbst), die mit «Jay and Silent Bob Strike Back» (2001) sogar einen eigenen Film bekamen. Die immer wieder bezeugte Liebe für New Jersey kommt dem Kult um Städte wie Paris, New York oder (hierzulande) Zürich nahe.
Smiths zweites Markenzeichen ist das ausnahmslos Vulgäre in seinen Filmen. Das ist jedoch nicht einfach Trash, sondern eher einen Anstoss zur Ehrlichkeit. «Chasing Amy» (1997), Smiths dritter Film, ist ein Beispiel für ein gutgeschriebenes Comedy-Drama, das den Ba-
lanceakt zwischen Vulgarität und Tiefgang meistert. Die Beziehungsgeschichte hinterfragt die Definition von Sexualität sowie die sexuellen Stereotypen Amerikas. «Dogma» (1999), der erste seiner Filme, der es dank Starbesetzung (Ben Affleck, Matt Damon, Alan Rickman etc.) bei uns in die Kinos geschafft hat, wirft ein schräges Licht auf den Katholizismus, mit dem Smith aufwuchs. Die Geschichte handelt von zwei verdammten Engeln, die um jeden Preis in den Himmel zurückkehren wollen, und ist gespickt mit Absurditäten wie dem Toilettenmonster von Golgotha, dem dreizenten Apostel, dem Jesus noch Geld schuldet oder dem Marketing-Reboot von Jesus, Buddy Christ. Der Film löste in der USA eine starke Kontroverse aus, da Spässchen über Jesus von den konservativen Christen dort gar nicht goutiert werden. Smith erhielt Tausende Hassbriefe und Todesdrohungen. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, inkognito an einer Protestaktion gegen seinen eigenen Film teilzunehmen und sich im Fernsehen unter falschem Namen gegen dessen Unsittlichkeit auszusprechen.
Nicht nur seine Drehbücher sind komisch, sondern eben auch sein Auftreten. Sieht man einen seiner Live-Auftritte, wird klar, dass die Charaktere, die er auf das Papier bringt, Facetten seiner Selbst sind. Er ist genauso zügellos vulgär, aber eben auch so witzig. Fragt man ihn etwas über seine Projekte, schweift er unausweichlich ab und erzählt von Drehtagen mit Bruce Willis, Streit mit Tim Burton und dem Sexleben seiner Hunde. Ein dreckiges Mundwerk ist eben etwas herrlich Unterhaltsames.
Entdeckt man Smith, entdeckt man einen speziellen Aspekt amerikanischer Kultur. Smiths Komödien sind nicht heuchlerisch sauber, sondern verkörpern im Kontext dieser Kultur die entspannte Haltung gegenüber den grossen Themen wie Religion, Sex oder Liebe, die vielen fehlt.
Kevin Smiths Filme und «An Evening with Kevin Smith 1–3» sind auf DVD erhältlich.
Foto: zVg.
ensuite, Mai 2010