Von Sandro Wiedmer — Vom 6. bis zum 14. Juli ist es wieder so weit: Das Neuchâtel International Fantastic Film Festival wird die Stadt das Fürchten lehren. Die Projektoren werden verstörende, erheiternde, monströse, skurrile, abgrundtief düstere und überaus bunte Bilder auf diverse Leinwände werfen. Geschichte und Zukunft des Genre-Kinos werden nicht nur im Filmprogramm beleuchtet, wie immer auch in Symposien, Workshops und Diskussionen mit illustren Gästen thematisiert.
Wie jedes Jahr wird das ganze Programm erst zwei Wochen vor Beginn veröffentlicht, dieses Jahr am 20. Juni. Mit der Bekanntgabe des genauen Zeitraums werden jedoch auch schon einzelne Schwerpunkte und Höhepunkte der diesjährigen Programmation zugänglich gemacht. So ist zum Beispiel schon klar, dass neben dem internationalen Wettbewerb, demjenigen um den Preis für den besten asiatischen Film, dem Kurzfilmprogramm, den um Mitternacht angesetzten «Ultra Movies», und der Sektion mit «Films of the Third Kind» als ständige Programmteile, dieses Jahr unter dem Titel «Point of View» eine Retrospektive dem «Mockumentary», dem «Found Footage»-Film gewidmet wird. Nicht erst seit «Blair Witch Project» (1999) oder «.Rec» (2007) soll die Illusion, dass das Geschehen auf der Leinwand tatsächlich stattgefunden hat während mehr oder weniger zufällig eine Kamera dabei gewesen ist, den Schock-Effekt des Dargestellten verstärken. Neben früheren Beispielen wie «Punishment Park» (1971) von Peter Watkins kommt eine Reihe von Filmen zur Aufführung, die vom Dokumentarfilm-Festival «Visions du Réel» in Nyon im Rahmen einer Carte Blanche zusammengestellt wurden.
Ein anderer Rückblick, in drei Teilen, auch auf die nächsten zwei Festivals verteilt, nimmt sich der Zusammenhänge zwischen Musik und Genre-Film an. Wenn das Musical rockt, oder: wenn die musikalische Komödie subversiv wird, so ist dieser erste Teil der Serie untertitelt. Einige schrille Perlen sind hier (wieder) zu entdecken, darauf lassen jedenfalls die drei bereits bekannt gemachten Titel schliessen: Mit «Phantom of the Paradise» (1974) von Brian De Palma zum Beispiel eine Parodie auf die unzählige Male verfilmte Geschichte «Das Phantom der Oper» von Gaston Leroux, in welche zahlreiche Zitate aus klassischen Horror-Stoffen, von Goethes «Faust» über Shelleys «Frankenstein» zu Wildes «Bildnis des Dorian Gray» und Poes «Fass Amontillado» ebenso eingearbeitet werden wie die für De Palma typischen Verweise auf Szenen aus der Filmgeschichte. «Forbidden Zone» (1982) von Richard Elfman ist eine schrille, bunte Seifenblase von einem Film, zugeschnitten auf die überbordenden Live-Performances seines bis zu 20-köpfigen musikalischen Projekts The Mystic Knights of Oingo Boingo, welches später von seinem jüngeren Bruder Danny Elfman weitergeführt wurde. Dieser, im Film als Satan zu sehen, gehört inzwischen zu den angesagtesten Filmmusik-Komponisten Hollywoods. Mit John Waters’ «Hairspray» (1988) steht weiter ein Film auf dem Programm, der unbestreitbar zu den Kult-Klassikern gehört und wohl nicht weiter vorgestellt werden muss. Ebenso wenig wie «The Rocky Horror Picture Show» (1975) von Richard O’Brien und Jim Sharman, welcher hier in Zusammenarbeit mit Couleur 3 zum 30. Geburtstag des dritten Programms von Radio Suisse Romande auf dem Programm steht. Im Zusammenhang mit Filmmusik als weiteres, absolutes Highlight zu erwähnen ist schliesslich die Live-Vertonung von Fritz Langs «Metropolis» (1927) durch das Nouvel Ensemble Contemporain nach der Original-Partitur von Gottfried Huppertz am Sonntag, 8. Juli.
Foto: zVg.
ensuite, Juni/Juli 2012