Von Roja Nikzad — Premiervorschau zur Saisoneröffnung der Kleintheater in der Stadt Zürich: Bald ist der Sommer vorbei; bald kommt wieder die Zeit, da die Tage kürzer werden und die Abende kühl. Schade zwar, aber für Liebhaber des Theaters gibt es einen versöhnlichen Trost. Es kommt die Zeit, in der die Tageszeitungen im Theaterkalender wieder etwas drucken können. Bald werden wir ein weiteres Mal eingeladen, einige Stunden in einem wohlig abgedunkelten Raum in eine andere Welt abzutauchen. Im September, nach der verdienten Sommerpause, öffnen die geliebten Bühnen wieder ihre Pforten. In erwartungsvoller Vorfreude darf sich der fleissige Theatergänger üben, und sich schon mal die Programmvorschau für den September einverleiben. Zürich bietet neben den grossen auch eine reiche Vielfalt an kleineren Häusern, die leider oft vergessen werden. Hier kommen deshalb einige Einblicke in die freudig erwartete Saison der kleinen Theaterproduktionen, die uns hoffentlich auf vielseitige Weise unterhalten und zum denken anregen werden.
Was sind die Fragen und/oder Antworten der kleineren Häuser auf die umtriebigen Zeiten in denen wir leben? Ein Blick auf die Premieren der kleinerern Produktionen der Stadt Zürich im September lohnt sich. Unterschiedlichste Inszenierungen zu verschiedensten Themen werden aufgeführt. So findet man einiges an Ernsthaftem, wie eine Auseinandersetzung mit dem Krieg in Afghanisten, der Rolle der Frau, Habgier und Natur, aber auch Heiteres und Absurdes. Vielleicht lässt sich sogar sagen, dass die kleineren Produktionen etwas mehr Humor und Witz versprühen als die Inszenierungen an den grossen Häusern, um dem vom Tagesgeschehen gequälten Theatergänger wieder einen etwas lockereren Umgang mit der Realität zu bescheren.
Das Theater an der Winkelwiese setzt mit der Produktion «Haus des Friedens» von Lothar Kittstein, das am 23. September als Schweizer Erstaufführung Premiere feiert, in medias res unserer Zeiten ein. Das Stück behandelt die Auseinandersetzung dreier Bundeswehrsoldaten mit ihrer Mission in einem islamischen Land, ihrer eigenen Geschichte und dem Fremden, dem sie begegnen. Von Stephan Roppel inszeniert, ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik, die der Westen in Afghanistan betreibt, zu erwarten.
Beim Dauerbrennerthema «die Frau in der Gesellschaft» bleibt auch das Gastspiel von Theater touché im lauschigen Theater Stok ernst. Mit Frank Wedekinds «Lulu» bringt die Regisseurin Caroline Gerber drei Schauspielerinnen auf die Bühne, die das Plädoyer Wedekinds für die sexuelle Freiheit der Frau vermitteln. Leider wird Lulu in ein patriarchales Wertesystem gedrängt und endet in der Prostitution.
Wer sich für das Thema Frau und vielleicht auch Texte aus weiblicher Feder interessiert, sollte sich das vom DamenDramenLabor vorgestellte «Kopf Hand Werk», ein Buch und eine CD mit dem Untertitel «femscript lässt schreiben», im sogar theater nicht entgehen lassen. Das Buch ist eine Anthologie, die aus einem Wettbewerb entstanden ist. Nun werden am 20. September Auszüge, die von Beatrice Strebler und Iris Hochschorner zusammengestellt wurden, für die Bühne gestaltet.
Ein bisschen weniger ernst wird Urs Beeler vom Theater Hora ernsthafte Themen wie die habgierigen Zeiten, und den Umgang mit unserer natürlichen Umwelt, in «Die Geschichte vom Baum, Eine Märchenkomödie für Jung und Alt» im September zur Premiere bringen. Die Produktion ist in mehr als einer Hinsicht eine Premiere, denn sie ist die erste Jahresabschlussarbeit der ersten Lernenden der zweijährigen Berufsausbildung zum/zur SchauspielpraktikerIn, die das Theater Hora Züriwerk für Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung anbietet. Es dürfte spannend sein, wie die Schauspieler die Themen umsetzen.
Ganz und gar nicht ernst wird es im September im Maier’s direkt am Albisriederplatz zugehen. Hier ist nämlich, nach fast 20 Jahren mit den Acapickels, Regula Espositos alias Helga Schneiders erstes Soloprogramm «Helga Is Bag», von Krishan Krone inszeniert, zu sehen. Helga Schneider hat sich zur «Purseologin» weitergebildet, dies wie immer mit viel Dialekt- und Sprachenvielfalt. Als Dr. Purse analysiert sie mit ihrem Assistenten Prof. Andrej Strobstrophsky Handtascheninhalte.
Ebenfalls Witziges bis Absurdes dürfen wir uns wohl von der Produktion «Loch im Herz» von Oscar Sales Bingisser im sogar theater erhoffen, einem von Christoph Leimbacher inszenierten Boulevardstück in der Uraufführung.Schauplatz ist eine einsame Polizeiwache mit einem Magier, der eigentlich schon tot sein müsste, da er ein «Loch im Herz» hat. Das medizinische Krankheitsbild dient als Metapher für die «Herzfehler», die sich in der zwischenmenschlichen Interaktion herauskristallisieren. Wir freuen uns auf eine absurde, schräge Produktion, und hoffen tatsächlich auf ein wenig beckettsche Manier.
Foto: zVg.
ensuite, September 2010