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Kommunikationsnotstand in der Hauptstadt

Von Lukas Vogel­sang - Wir heben die weisse Flagge für Bern. Der Angriff der FACTS-Redak­tion (Aus­gabe vom 15. Feb­ru­ar 07/07) kam unvorherge­se­hen und zielte heimtück­isch, gemein, min­uz­iös und strate­gisch kor­rekt ziem­lich unter die Gürtellinie. Und wäre man nicht eher fried­liebend, so müsste man applaudieren.

Ich spreche von der Attacke gegen die Stadtkan­zlei und deren Stadtschreibere­in Irène Maed­er — die mächtig­ste Frau in Bern. Dage­gen ist Tschäp­pät ein lustiger und net­ter Kumpel — ok, so präsen­tiert er sich uns ja immer. Immer­hin pok­erte er im Bern­er Casi­no im Star­Pok­er von Tele­Bärn. Aber neben der Maed­er hat der Stadt­präsi­dent nichts mehr zu bieten. Aufge­flo­gen ist die Chef­beamtin in der Presse vor allem, weil die Abteilung Kom­mu­nika­tion in der Stadt Bern bere­its nach einem Jahr wieder einen Wech­sel zu verze­ich­nen hat. Bei den Recherchen zu den Grün­den, die zu der Tren­nung von Beat­rice Born und der Stadt geführt haben, find­et man sich unweiger­lich in einen Beamten­filz ver­strickt. Da quillen Aus­sagen und Gerüchte, Anschuldigun­gen und sab­bernde Eifer­suchts­dra­men nur so über den Stad­trand hin­aus. Ein Beispiel aus dem besagten FACTS-Artikel und wohl das Tre­f­fend­ste: «Ihre Maxime, lästern Ver­wal­tungsangestellte, laute in Anlehnung an Franz Josef Strauss: ‹Mir ist egal, wer unter mir Stadt­präsi­dent ist.›» Hüb­sch, nicht? Ui, Bern hat ein richtiges Kom­mu­nika­tion­sprob­lem — die Nation lacht über die Patrizier­stadt.

Doch das ist nicht der einzige Faux-pas der Bern­er Kom­mu­nika­tion. Auch die RKK (Regionale Kul­turkon­ferenz) liess bei mir sel­ber einen hüb­schen PR-Triller über den Bild­schirm. Als ich eine Anfrage an die RKK mailte, erhielt ich von der Geschäfts­führerin Isabelle Mey­er fol­gende Antwort: «Wir haben über ensuite disku­tiert und gehen davon aus, dass wir die Kul­tur­a­gen­da unter­stützen, … (…) Wir wün­schen ihnen weit­er­hin viel Erfolg und hof­fen, dass Sie bei Ihrer Berichter­stat­tung auch die jour­nal­is­tis­chen Regeln anwen­den und jew­eils Gele­gen­heit geben, dass bei­de Seit­en ein­er Medaille dargestellt wer­den kön­nen… ;-).» Dabei meinte sie den offe­nen Brief von Peter Burkhart, welchen wir in der Feb­ru­ar-Aus­gabe unkom­men­tiert wiedergegeben haben. Nun, ich habe nach mehrma­ligem Klopfen zum Schluss die gewün­scht­en Infor­ma­tio­nen erhal­ten und wir kon­nten den Dia­log wieder ret­ten. Jedoch ein Inter­view wollte sie mir nicht geben, einen Leser­brief nicht schreiben und sie meinte nur: «Für uns ist das The­ma (RKK und Müh­le Hun­ziken / Anmerkung) gegessen, wir wer­den uns nicht weit­er um Pub­liz­ität bemühen.» Dass eine öffentliche Stelle Medi­en­be­triebe bevorzugt und andere deswe­gen nicht informieren will, stelle ich hier ein­fach mal hin. Aber warum die Rüge an uns, dass wir jour­nal­is­tisch nicht kor­rekt waren? Wir waren das einzige Medi­um, welch­es den Brief von Peter Burkhart (er hat­te uns ange­fragt) unkom­men­tiert abdruck­te — damit die LeserIn­nen eine Ahnung haben, worum es eigentlich ging. Der Ein­führungssatz, der dies erk­lärte, war das einzige Beigemüse von uns, son­st haben wir keine Stel­lung bezo­gen. Was war denn falsch daran? Der Pesche wurde schliesslich im gesamten Feb­ru­ar zum medi­alen «enfant ter­ri­ble» gestem­pelt man wollt doch wis­sen, wieso…

Das dritte Beispiel nur noch ganz unbe­deu­tend: An der Pressekon­ferenz über die neue Kul­turstrate­gie wurde den Jour­nal­is­ten einen Papier­berg von min­destens 5cm vorgelegt. Nach den Refer­at­en von Tschäp­pät und Reichenau blieb es verdächtig still. Wer hätte in der hal­ben Stunde nur einen Bruchteil der Infor­ma­tion so ver­ar­beit­en kön­nen, dass man eine einiger­massen vernün­ftige Frage zus­tande gebracht hätte? Diese Presse­show hätte drin­gend ver­schoben wer­den müssen — das gren­zte bere­its an Miss­brauch der öffentlichen Medi­en, wenn man als Jour­nal­ist nur noch als Sprachrohr gese­hen wird und keine Recherchemöglichkeit mehr hat. Denn es ist klar, dass am näch­sten Tag etwas in der Zeitung ste­hen muss und es nicht unbe­d­ingt das Einzige ist, was man im Leben zu tun hat. Und das Ange­bot, DANACH für die Jour­nal­is­ten da zu sein, war nicht befriedi­gend.

Faz­it: In Bern brauchen wir drin­gend neue Kom­mu­nika­torIn­nen. Son­st wer­den wir, wenn das so weit­erge­ht, zum Schluss nur noch über uns sel­ber lachen…

Aus der Serie Von Men­schen und Medi­en
Car­toon: www.fauser.ch
ensuite, März 2007

Artikel online veröffentlicht: 13. September 2017