Von Caroline Fuchsbau-Bleichwasser - Lange ist es still gewesen um den jungen Berner Autoren Christoph Simon. Jetzt erscheinen von ihm gleich zwei neue Bücher – ein Gedichtband und ein Roman für Kinder, der es auf Anhieb auf die «Empfehlungsliste Qualitätskinderbücher 2009» des deutschen Kinderbuchmagazins Librikon und auf die Bestenliste des Vereins der unabhängigen Kleinbuchhandlungen der Schweiz geschafft hat.
ensuite — kulturmagazin: Weshalb Gedichte? Warum ein Kinderbuch? Sind Ihnen für Erwachsenenromane die Ideen ausgegangen? Oder brauchen Sie Vorlesestoff für die eigenen Kinder?
Christoph Simon: Seit Jahren verzweifle ich an einem Roman über die Kunst des Spazierens. Die Hasengeschichte habe ich auf einem Bauernhof im Emmental geschrieben, um mich von Albträumen, ausgelöst durch tägliche Stadtspaziergänge, zu kurieren. Als mich der Illustrator Tobias Sturm anfragte, ob wir zusammen ein Kinderbuch machen könnten, schickte ich ihm das erschreckend gruselige Manuskript, und er hat mit seinen Illustrationen der Gespenstergeschichte im Hasenmilieu eine poetische, herzerwärmende Note verliehen. Meine Kinder schauen sich nur die Illustrationen an. Die greisen Wölfe in der Seniorenhöhle, in Schaffelle gehüllt, die Eichhörnchen und der Specht in der Baumgemeinschaft interessieren sie nicht.
«Häsin Mels und Hase Fitz und der Teichgruselgolz.» – Sie lieben umständliche Buchtitel.
Ich mag’s, wenn im Titel steht, worum’s geht. «Moby Dick», «Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft», «Das Glück in glücksfernen Zeiten». Die Länge des Titels ist sekundär.
Am Ende des Hasenromans schliessen die verfeindeten Füchse und die Hasen Freundschaft, um gemeinsam den bösartigen Teichgruselgolz zu besiegen. Wollen Sie Kinder in Sozialromantik üben?
Diese Freundschaft zwischen Fuchs und Hase – das kriegen auch minder aufgeweckte Kinder mit – ist nur von kurzer Dauer. Um ehrlich zu sein: Ich weiss nicht, was Kinder und Erwachsene sind. Diese Kategorien. Menschen entsteigen dem Säuglingsalter und bekommen einen Charakter oder nicht, eine Seele oder nicht, verlieren sich gern in Geschichten oder nicht. Der Hasenroman geizt nicht mit Handlung und fantastischen Elementen und bewahrt unschuldige Gemüter vor Gewaltexzessen und Sexuellem, ist so gesehen jugendfrei. Aber die Grundwerte, über die ich schreibe, sind eh in jedem Buch dieselben. Ob die Protagonisten nun ängstliche Hasen, langzeitarbeitslose Weiberhelden oder spazierverrückte Lehrer sind.
Diese Grundwerte: Liebe, Freude, Mut, Zuversicht, Freundschaft…
Und die Kehrseite der Medaille. Ich rede zu oft über meine schriftstellerischen Absichten, es stimmt.
Ihr Gedichtband «ein pony in nachbars park, ein rennpferd in meinem» gibt im Titel nicht preis, worum es geht.
Jedes Gedicht ist halt ein eigener Kosmos, nicht? Die Zeile stammt aus dem von Carlo Lischetti inspirierten Gedicht «Wunder sind meistens so, dass man sie übersieht» und benennt unbescheidene Vorstellungen über ein himmlisches Paradies, in dem es einem wohl sein könnte.
Jürg Halter schreibt seine Gedichte mit Grossbuchstaben und Satzzeichen, Raphael Urweider schreibt Kleinbuchstaben ohne Satzzeichen. Sie schreiben Gedichte mit Kleinbuchstaben und Satzzeichen. Sehen Sie sich als Lyriker als Verbindungsglied zwischen diesen beiden Dichtern?
Ich muss sagen, das ist eine grauenhaft wettbewerbsorientierte Art der Betrachtung. Satzzeichen sind hilfreich und gut, Grossbuchstaben plump und wüst. Lyrik zu schreiben verbindet meine persönlichen, allzu persönlichen Erfahrungen mit den Erfahrungen der LeserInnen, der Luft, die wir gemeinsam atmen.
Sozialromantik?
Gedichte sind nah am Lied. In Abwandlung einer altbekannten Rock’n’Roll-Weisheit: Ein Gedicht rettet nicht die Welt, aber dich selbst. Möglicherweise selten. Sozialskeptizismus.
Christoph Simon: Häsin Mels und Hase Fitz und der Teichgruselgolz. Hasenroman. Kyrene Verlag.
Christoph Simon: Ein Pony in Nachbars Park, ein Rennpferd in meinem. Gedichte. Edition Baes.
Foto: Alexandra Hermann
ensuite, April 2009