Von Simone Weber — Der farbenprächtige Herbst hat schleichend in die kristallklare und eiskalte Winterzeit übergeführt. Nun schreit und die fiese Bise um die Ohren, wir fühlen uns steif und frieren erbärmlich. Ja, der Winter ist manchmal grässlich und gemein. Aber seinem schmerzlich kalten Frost verdanken wir ein fabelhaftes Ding: den Schal! Dieser Tage passt ein Schal einfach immer und überall, er hat etwas unangreifbar Klassisches, gehört zur kalten Jahreszeit wie glitzernde Schneedecken und tropfende Eiszapfen. Ein Schal schützt vor Kälte und Halsschmerzen, ist weich und warm und riecht gut. Tatsächlich ist er, bis über die Nasenspitze gewickelt, nicht nur Kälteschutz sondern auch eine Art Schleier, hinter dem man sich vor der Öffentlichkeit verstecken kann. Die Teenie-Fraktion missbraucht ihn übrigens auch gerne, um grässlich rot-violett schimmernde Knutschflecken zu verbergen. Aber ein richtiger Schal ist mehr als ein Mittel zum Zweck: Behutsam um den Hals geschlungen, schenkt er uns in frostiger Kälte gewissermassen eine lieblich warme Umarmung und symbolisiert damit Nähe und Geborgenheit.
Ein ganz besonderer Schal ist das Pashima-Tuch. Pashmina bezeichnet ein aus Kaschmir oder aus Kaschmir und Seide gefertigtes Tuch. Übersetzt bedeutet das Wort «Wolle» oder «aus Wolle gefertigt». Seit einigen Jahren ist er als klassisches Modeaccessoir sehr beliebt und weit verbreitet. Er ist nur ein Hauch von Stoff, fein und leicht, zart und anschmiegsam und schenkt trotzdem eine behagliche Wärme. Er ist ein zeitloser Begleiter, der zu jedem Outfit und jedem Anlass passt. Wer einmal einen Pashmina getragen hat, würde ihn nie mehr hergeben!
Der Ursprung dieses besonderen Stoffes liegt in Tibet und Nepal, wo er in hochwertiger und aufwendiger Handarbeit hergestellt wird. Dazu wird die sehr feine Wolle von Kaschmir-Ziegen verwendet. Diese Geissen leben in den Hochebenen des Himalaya, auf etwa 3500 bis 5000 Metern über Meer. Um mit den extremen Temperaturen in dieser Höhe leben zu können, haben sie einen speziellen, sehr feinen Brustflaum, dünner als menschliches Haar. Je höher die berühmten Tierchen weiden, desto hochwertiger ist die Qualität ihrer Wolle. Eine Ziege bringt einen Ertrag von nur etwa fünfzig Gramm Brustwolle pro Jahr. Für ein Ein-auf-zwei–Meter-Tuch wird die Wolle von drei bis vier Ziegen benötigt. Anders gesagt: Jede Ziege gibt pro Jahr nur einen Drittel des Materials her, der für einen Schal benötigt wird.
Von zentraler Bedeutung für die Qualität von Kaschmir sind der Gesundheitszustand und das Futter der wollespendenden Ziegen. Die Haarqualität ist logischerweise umso höher, je gesünder die Ziege und umso besser das Futter ist. Ausserdem haben lebende Ziegen viel weicheres Haar als tote.
Für die Verarbeitung der kostbaren Kaschmirwolle wird nach alten traditionellen Techniken vorgegangen: Das graue oder weisse Ziegenhaar muss erst mit Reisstärke gereinigt und nach Farbe und Feinheit sortiert werden. Anschliessend wird es ausgekämmt und geglättet, wird aufgesponnen, auf Handwebstühlen gewoben und gefärbt. Die fertigen Tücher leuchten in den schönsten, wundervoll leuchtenden Farben. Die ganze Verarbeitung ist hochwertige Handwerkskunst, teilweise werden auch spezielle im Mittelalter ent-
wickelte Geräte verwendet.
Pashminaprodukte gehören aufgrund der besonderen Kaschmirwolle zu den wertvollsten Kleidungstücken der Erde. In Europa wurde der Pashmina-Schal nach seinem Durchbruch in der Londoner Modeszene immer beliebter. Heute gehört er in jede vollständige Garderobe. Es gibt ihn unifarben, bestickt gemustert, in unterschiedlichen Grössen und Formen. Seine Optik kopiert, was jedoch niemals funktioniert, denn dieses wundervoll weiche, leichte und wärmende Material ist einzigartig. Der Unterschied ist für jeden sofort fühlbar. Seine feine, weiche Leichtigkeit zeichnet es aus! In einer Grösse von einem auf zwei Meter wiegt ein Pashminatuch nur hundertsechzig Gramm!
Ein Kleidungsstück, das so viele tolle Eigenschaften in sich vereint muss man einfach haben! Unter meinem Weihnachtsbaum wäre jedenfalls noch ein Plätzchen frei …
ensuite, Januar 2010