Von Barbara Neugel — Kultur findet überall statt. Nur redet man nicht davon. Oder besser: Man spricht nur von den sogenannten Highlights, von Kulturveranstaltungen, die in grossen und grösseren Städten stattfinden, von grossen Künstler-innen und Künstlern. Man geht hin zum Sehen und Gesehen werden. Nun, das sind ja alles Klischees. Und trotzdem ist etwas Wahres dran. Aber es gibt noch eine andere Kultur. Kultur, die nicht in den grossen Zentren stattfindet, sondern in der Agglomeration, in kleineren und grösseren Gemeinden ausserhalb der Städte. Diese Kultur ist nicht in aller Leute Munde, oft steht nichts davon in der Zeitung, weder vor einem Anlass noch danach. Und trotzdem ist diese Kultur sehr lebendig. Da finden Veranstaltungen statt für ein kleines Publikum, manchmal auch nur für wenige Interessierte. Da werden Veranstaltungen organisiert, Gäste eingeladen, da wird kommentiert und Hintergrundinformation geliefert. Diejenigen, die sich für solche Anlässe einsetzen und auf freiwilliger Basis engagieren, sind Leute aus der Gemeinde. Das ist lebendige und gelebte Kultur.
Kultur in der Region also. Nehmen wir als Beispiel dafür die Gemeinde Muri-Gümligen. Seit genau zehn Jahren besteht in Muri-Gümligen der Kulturverein. Da setzen sich Leute ein, engagieren sich auf freiwilliger Basis, versuchen, anderen etwas zu bieten, Kommentare und Hintergrundinformationen zu liefern. Ueli Thomet, Gründungsmitglied, erster Präsident und heutiger Ehrenpräsident des Vereins, erzählt aus der Anfangszeit: «Jede Gemeinde hat verschiedene Kommissionen – eine Sportkommission, eine Bau- und eine Schulkommission und so weiter und eben auch eine Kulturkommission beziehungsweise einen Ausschuss für Erwachsenenbildung. Dieser Ausschuss wurde politisch zusammengestellt, die Leute wurden hineindelegiert. Nicht alle von ihnen waren aber auch an Kultur interessiert, und politisch waren in diesem Ausschuss auch keine Lorbeeren zu holen. Der damalige Gemeinderat Hans Aeschbacher hatte das Problem erkannt und festgestellt, dass eine Trennung vorgenommen werden müsste. Kultur sollte nicht mit Politik verbunden sein, und es sollten sich Leute um die Kultur kümmern, die auch wirklich an der Sache interessiert sind. Die Kulturkommission war überfordert mit all den Anfragen, die an sie gerichtet wurden. Darauf wurde der Kulturverein gegründet, im November 1999, mit einem harten Kern von 40 Leuten. Und das war eine Chance für die Gemeinde. Ein bescheidener Anfang wurde gemacht, finanzielle Unterstützung erfolgte durch die Gemeinde, da der Kulturverein ja auch die Idee der Gemeinde war. Auf dem Programm stand jeden Monat eine Veranstaltung. Viel wurde selber gemacht.»
Und das Unternehmen Kulturverein begann sich zu entwickeln. Heute zählt der Verein 400 Mitglieder, was gemäss Thomet «extrem erfreulich» ist. Auch Gründungsmitglieder seien noch dabei, sagt er. Dann blickt Thomet zurück auf die Anfangszeit. Ja, damals sei alles viel weniger professionell gemacht worden. Sie hätten viel gelernt, vor allem aus Fehlern und aus Dingen, die nicht so gut gelaufen seien. Er selber hätte Volkshochschulkurse besucht für Public Relations, um den richtigen Umgang mit Journalistinnen und Journalisten zu lernen. Die neue Präsidentin, Regula Mäder, sei Gymnasiallehrerin und ausgebildete Kulturmanagerin, also prädestiniert für dieses Amt.
«Die Idee, die dem Kulturverein zugrunde liegt, ist Kulturvermittlung für Leute, die sich nicht unbedingt für Kultur interessieren. Mit einem sanften Einstieg sollen die Leute an die Sache herangeführt werden. Sehr wichtig dabei ist auch ein breit gefächertes Angebot», sagt Ueli Thomet. Gerade in Muri-Gümligen hätte es sofort Stimmen gegeben, die gesagt hätten, die Leute gingen für Kultur nach Bern oder nach London oder irgendwohin, die könnten sich das leisten, führt Thomet aus. Er hätte das zur Kenntnis genommen. Es war aber überhaupt nicht so: «Der Aufbau war schnell möglich. Heute ist der Kulturverein aus der Kulturszene Muri nicht mehr wegzudenken. Viele Anfragen kommen auch dank Mund-zu-Mund-Propaganda.»
Weiter erzählt Ueli Thomet, dass vor zwei Jahren eine Anfrage aus Münchenbuchsee gekommen sei. Man wollte wissen, wie der Kulturverein Muri-Gümligen funktioniere. Er sei nach Münchenbuchsee gegangen und hätte darüber referiert. Aber seither hätte er nichts mehr gehört. Schade eigentlich. Schade findet Ueli Thomet auch, dass seine Idee, dass die Gemeinden der näheren Umgebung sich gemeinsam für ein Kulturprojekt engagieren könnten, nicht zustande gekommen sei. «Das Konkurrenzdenken ist immer noch vorhanden. Dabei könnte man sich gemeinsam gewisse Dinge leisten, die sonst nicht möglich sind. Man könnte bekannte Leute einladen, die in jeder Gemeinde gastieren und dafür nur einmal anreisen müssten. Aber jeder schaut für sich. Das ist schade. Gemeinsam ist man stärker.» Weiter stellt Thomet fest, dass auch nie eine Anfrage von anderen Kulturvereinen komme für eine grössere, speziellere Veranstaltung in der Region.
Dafür funktioniert die Zusammenarbeit in der Gemeinde. Ueli Thomet: «Wir haben die Zusammenarbeit mit anderen gesucht. In Muri-Gümligen wird beispielsweise eine sehr gute und enge Zusammenarbeit mit der Musikschule Muri gepflegt. Konzerte werden von der Musikschule organisiert, der Kulturverein grenzt sich ab. Trotzdem profitieren beide Seiten von den Kontakten.»
Das Programm für 2010 steht bereits. «Vor-ausarbeit ist nötig. Wenn man gute Sachen machen will, muss man die Leute rechtzeitig anfragen, sonst sind sie bereits ausgebucht», sagt Thomet. Ein weiteres wichtiges Anliegen von Ueli Thomet ist der Einbezug von jungen Leuten. Sie werden immer wieder angesprochen, und es wird auch einiges für sie gemacht. Der Kulturverein will ihnen eine Plattform bieten. «Trotzdem,» stellt Ueli Thomet fest, «ist die Kundschaft des Kulturvereins vorwiegend im Alter von 40 bis 90 Jahren. Auch wenn die älteren Leute nicht unbedingt an den Veranstaltungen teilnehmen, so sind sie immerhin informiert und können mitreden.»
«Kultur ist etwas vom Wichtigsten,» sagt Ueli Thomet. Er hat sich während all der Jahre für Kultur und für den Kulturverein engagiert. Nun ist er erster Ehrenpräsident geworden. «Das macht Freude,» stellt Thomet fest. Er arbeitet immer noch im Vorstand mit und erläutert, dass jedes Vorstandsmitglied auch eine Aufgabe habe. Selbstverständlich ist auch eine Vertreterin der Gemeinde von Amtes wegen dabei, da die Gemeinde finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Auch dabei sind ein Vertreter der Musikschule und ein Vertreter der Kulturkommission. «Das Wichtigste ist die Gesinnung. Die Freude an der Sache spielt eine grosse
Rolle. Aus Kostengründen wird viel selber gemacht. Aber es war bisher nie ein Problem, Leute zu finden für die Kasse an Anlässen oder zum Aufbau und andere Arbeiten.» Ansonsten arbeitet der Kulturverein heute professioneller als früher. Es gibt eine Presseverantwortliche, die elektronischen Medien werden eingesetzt, eine Homepage ist eingerichtet worden. «Wir verschicken einen Mitgliederbrief, aber wir schreiben die Leute auch per E‑Mail an, auch wenn ein Teil der Mitglieder über keine E‑Mail-Adresse verfügt. Ganz wichtige Sachen schicken wir per Post, wenn’s rasch gehen muss, schicken wir E‑Mails,» hält Ueli Thomet fest.
Das Geburtstagsfest des Kulturvereins Muri-Gümligen hat Anfang November stattgefunden. Man wollte nicht zu viel Werbung dafür machen, sondern eher unter Gleichgesinnten bleiben. Trotzdem seien etwas mehr als 100 Leute gekommen, erzählt Ueli Thomet erfreut. Im Programm für 2010 sollen gemäss den Worten von Ueli Thomet wiederum einige Rosinen zu finden sein. Aber zunächst steht noch der Dezember-Anlass vor der Tür, als Abschluss des Jubiläumsprogamms 2009: «In 80 Minuten um die Welt», eine «exklusive Ballonfahrt von und mit Gerhard Tschan», am Donnerstag, 31. Dezember 2009, 17.00 Uhr im Bärtschihus in Gümligen.
Infos: www.kulturverein-muri.ch
Foto: mapsearch.ch
ensuite, Dezember 2009