Titelbild: Regula Stämpfli und Heidi Buchers Werk im Haus der Kunst.
Januar: MedienUnkult
„Der heutige Journalismus gleicht dem Boulevard gebrochener Informationsträume“ laStaempfli.
2021 ist die Bilanz punkto Frauen, Medien und Politik bitter. In Afghanistan übernehmen die Taliban die Macht und in der Schweiz setzen weisse Feministinnen die Burka mit der Perlenkette gleich. Das Burka-Verbot wird trotzdem im März angenommen – Göttin sei Dank. Es war zwar idiotisch, darüber abstimmen zu müssen, doch das Ja war wichtig: Als Zeichen, Symbol & Urteilskraft. Angenommen wurde die Initiative dank der Romandie: Die Aktion in Le Temps (ich war unter den ErstunterzeichnerInnen des offenen Briefs) schlug hohe Wellen. Tele Leutschenbach alias SRF, versuchte mit allen Mitteln, die Initiative in die rechtsextreme Ecke zu drängen: die Stimmenden ließen sich dadurch nicht beeindrucken. Auch SRF nicht: So promoten sie im September einen Beitrag mit „Hip mit Hijab“ und löschen kritischen Stimmen gegen diesen Beitrag. Die Leitung von SRF Kultur ist voll auf der WOKE-Welle – aus mangelnden Mut, den dritten Weg zwischen Rechtspopulismus und den „Pogromen des Intellekts“ einzunehmen, so wie es der Auftrag der SRG wäre.
Im März wenden sich über 78 Journalistinnen in einem offenen Brief an die TX-Group im allgemeinen, an den TagesAnzeiger im Speziellen. Themen der Intervention sind: sexuelle Anzüglichkeiten, Diskriminierung bei Lohn & Job sowie Übergriffe zwischen den Hierarchien. Konsequenzen? Keine. Ach doch ja: Eine „Tagesanzeigerin“ wird im Dezember 2021 angekündigt. Es ist keine Tochtergesellschaft der „Die Podcastin“ wie Inhalt und Name des Podcasts vermuten lassen, nein: Es ist klassischer Diebstahl geistigen Eigentums. Frauenerfindungen werden kollektiviert, gestohlen und letztlich unsichtbar gemacht. Doch www.tagesanzeigerin.ch ist trotzdem sauber: Die Homepage führt direkt zum „DiePodcastin“-Original.
Die SRG hat ein ähnliches Media-Too-Problem. Auch hier gilt: Ausser Spesen, nichts gewesen. Offensichtlich gilt #MeToo nur für das Ausland. Apropos Ausland: In Deutschland gelten die gleichen sexistischen, ehernen Medien-Gesetze, doch BILD erfuhr die Macht der Good Governance in den von den linken Europäern so gerne geschmähten USA: BILD-Chef Julian Reichelt musste Ende Jahr dann doch gehen.
Februar: FRAUENKUNST
“Frauen werden ins Bild gesetzt, um aus der Welt geschafft zu werden.“ laStaempfli
Pandemie zweites Jahr: laStaempfli wird nicht nur zur Wien-Pendlerin, sondern verändert ihr Leben radikal mit, durch und als Kunst. „Wenn Frauen, auch Ehemänner und Kinder im Stich lassen, und die Gesellschaft das juristisch und sozial toleriert wie im Fall des Mannes; wenn also Frauen einmal all das erreichen – dann werden sie eine (ebenso) umfassende Kreativität entfalten.“ Valie Export ist mein Guide, die Guerilla Girls eh und in der Schweiz Hulda Zwingli – der beste Account auf Instagram. Regula Stämpfli fand in Wien Sheila Hicks (siehe Bild), Nan Goldin (in Wittgenstein-Ausstellung), Sonia Delaunay (an Geburtstagsparty), Frieda Kahlo (in der Albertina auf dem Stand Women Artists“), Emilie Flöge (bei Klimt), Grete Wolf und Maria Jungwirth (Die Frauen der Wiener Werkstätte), Lee Krasner (in Die Podcastin über Künstlerinnen), Cindy Sherman (die sie dank der Künstlerin Louise Deininger kaufte), Xenia Hausner (Einzelausstellung Albertina), Michaela Ghisetti (Einzelausstellung Albertina), Kiki Smith (Albertina in „Natur und Symbol“), Daniela Frimpong (most wanted female art auction), Zanele Muholi (dank Artdealer Raimund Deininger), Maria Lassnig (Einzelausstellung), Shirin Neshat (Taliban-Folge der Die Podcastin & Graffiti in Wien) und viele andere mehr. Im „artisapieceofcake“ etabliert Regula Stämpfli den Podcast der anderen Art, da sie weiss: Die Pandemie is here to stay.
März: China 1989 — 2022
„Symbolpolitik ist nicht nichts“ laStaempfli zur Wirkung des diplomatischen Beijing 2022-Boykott
Boykotte sind wichtig, selbst wenn sie als „symbolisch“ lächerlich gemacht werden wie bei Aktionen gegen Weltmächte. Ich plädiere für die wahre und wirksame Cancel-Culture gegen Beijing 2022. Gefolgt sind mir Ende Jahr einige Staaten, die keine diplomatische Repräsentanz in die volkschinesische Digitaldiktatur schicken. Eine andere Idee von mir und all denjenigen, die sich um die westlichen Demokratien Sorge machen, wurde noch nicht verwirklicht: Asyl für Hunderttausende von Hongkong-Chines:innen, die sich in der Demokratiebewegung engagiert haben. Dies wäre die beste demokratische Verteidigung gegen die dominierende Weltmacht VR CHINA.
Auf dem Bild erkennen Sie das Werk von Jia Ma. Es heisst 1989, besteht aus Stahl (China ist der grösste Stahlexporteur der Welt) und riecht dank hohem Eisenanteil nach Blut. Das Werk wurde während der „The most wanted female Art Auction“ in Wien bei artcare.at ersteigert. Die Quietscheentchen on Top stammen von laStaempfli: China als Stahl, Blut und Plastikkapitalismus.
April: Von Amoako Boafo zu Daniela Frimpong
„Von der Kunst, Leben zu sein.“ laStaempfli
Ein Kunstmärchen. Bei uns zuhause hingen drei Jahre ein Bild von Amoako Boafo. Der Jahrhundertkünstler stammt aus Ghana, studierte in Wien und gehört zum Shootingstar zeitgenössischer Malerei. Seine Porträts sind umwerfend, seine Biografie rasant, seine Persona charismatisch. Er erfüllt unser aller Welten mit Farben, wir schwimmen in deren Sinnlichkeit und zelebrieren menschliche Schönheit. Unabhängigkeit, Freiheit sowie das Ausschalten vorgefasster Meinungen in Bezug auf Identitäten gehören zu Amoako Boafo wie das geniale Handwerk zu seiner Kunst.
Im zweiten Jahr der Pandemie mussten wir uns aus ökonomischen Gründen von Amoako Boafo trennen. Die Leerstelle haben wir gefüllt: Mit Daniela Frimpong. Sie hat das Potential, ebenso eine Jahrhundertkünstlerin zu werden. In der Klasse von Kirsi Mikkola transformiert sie Trauma, Leben und Kraft in umwerfende Bilder. Ihre Stimme, ihre Biographie, ihr Werdegang erzählt sie im Podcast artisapieceofcake – ein Gespräch, das alle Herzen berührt. Kunst ist es, die mich weiterleben lässt: Denn allzu oft terrorisieren mich Stimmen, TWEETS, Messages als Unglücksboten einer trumpistischen Medienlandschaft.
Mai: Xenia Hausner – sie war, ist und bleibt.
„Alle Museen können mit Einzelausstellungen von Frauen bestückt werden.“ laStaempfli, die immer Hulda Zwingli abguckt.
Als Atheistin lässt sich gut glauben. Die Kirche, der Gesang, Bach, die heiligen Verse, riechen nach Erhabenheit und Kultur. Doch in Dublin schmecken sie immer noch nach Blut. Die Geschichte der Katholischen Kirche – vom Islam ganz zu schweigen, dessen Menschenhass Bomben legt, die dann von Neo-Woke-Anhängern als kulturelle Selbstdeklaration gefeiert werden – also die Geschichte der Katholischen Kirche in Irland, anderswo sicherlich auch, doch in Irland schleicht sie sich wie Krätze überall in den Kopf und unter die Haut, also nochmals: Die Geschichte der Katholischen Kirche ist grauenvoll. Doch, und jetzt kommt die gute Nachricht: Sie ist Geschichte. Anders als der Islamismus. Deshalb präziser: Als Atheistin lässt sich im 21. Jahrhundert im christlichen Westen gut glauben. Denn die Katholische Kirche hat keine Macht mehr, sie erschüttert keine Reiche, sondern sie entblättert sich wie eine Kultur aus der Vergangenheit, deren Grausamkeiten allzu bekannt sind, aber deren Kultprodukte auch beeindrucken. So sollte es auch dem Patriarchat gehen. Und dem Islamismus sowieso.
Xenia Hausner feierte ihren 70. Geburtstag, ihre Kunst war schon immer feministisch. Nur ihre Vorgängerinnen in den Medien, diese feministischen Küken meinen oft, sie seien die Ersten. Die Leerstellen der verbindenden Linien zwischen Töchter, Mütter, Schwestern und Großmüttern, Großtanten sowie weiblichen Urverwandten schmerzen. Sie wurden gelöscht, selbst wenn sie, wie im Fall von Xenia Hausner, manchmal nur 40 Jahre her sind. Xenia Hausner ist indessen angekommen im Jetzt (Einzelausstellung in der ALBERTINA WIEN) und war schon immer da und wird bleiben. Großartig.
Juni: Das Feuer der FRAUEN DEr Wiener Werkstätte und weshalb Adolf Loos vergessen werden MUSS
„Das Böse kriegt zuviele Klicks.“ laStaempfli
Wer meint, die Männer hätten Wien zum Zentrum der Werkstätte in der ganzen Welt und zur Vorläuferin der Bauhaus-Tradition gemacht, irrt. Wiewohl: irren ist hier das falsche Wort. Es ist eine Lüge. Die Wiener Werkstätte glänzte durch Produktionen aus Frauenhand. Von 1903 bis 1932 werkten geniale Frauen wie Mathilde Flögl, Felice Rix, Vally Wieselthier, Maria Likarz, Nelly Brabetz, Maria Vera Brunner, Mizi Friedmann und weitere, später ermordete grosse Wienerinnen jüdischer Herkunft. 180 Künstlerinnen zeigte die umwerfende Ausstellung:„Die Frauen der Wiener Werkstätte“ im MAK WIEN. Genial kuratiert von der wunderbaren Anne-Katrin Rossberg aus dem MAK selber und der Gastkuratorin Elisabeth Schmuttermeier; mit einer Ausstellungsgestaltung von Claudia Cavallar und Lukas Lederer. „Sie haben die Welt eleganter gemacht“ meint die Süddeutsche Zeitung. Wie bitte? Die Frauen der Wiener Werkstätte haben Welt, Möbel, Theater, Kleidung, Küche, Poster, Filme, erste Rechner, Tapeten, den gesamten Alltag von Menschen anders gedacht, anders gestaltet und anders fühlen lassen.
Die Geschichte der Frauenvernichtung wiederholt sich: In ihrer Zeit enorm beliebt und bekannt, wurden die Frauen der Wiener Werkstätte diffamiert. Unter anderem vom Kinderschänder Adolf Loos, der meinte, und darin bis heute zitiert wird, dass weder die Wiener Werkstätte noch Frauen je hätten gestalten dürfen, da es sich dabei um „Wiener Weiberkunstgewerbe“ handle. Well:
Loos gehört aus allen Register getilgt, weshalb? Hören Sie den genialen DIE ZEIT-Podcast „Die Kriminalakte Adolf Loos“.
Juli: Regula Stämpfli unter den zehn einflussreichsten Intellektuellen
„Angesichts der Geschichte bin froh für jede Liste, auf der mein Name nicht steht.“ laStaempfli
Diesem Grundsatz bleibe ich treu, selbst wenn ich unter den ersten zehn Intellektuellen dieses Landes aufgeführt bin. Ich stehe übrigens nur auf Platz sechs statt auf dem Podest der CH-Medienliste der „50 einflussreichsten Intellektuellen“. Warum nur Platz sechs und weshalb überhaupt? Weil Rankings immer Leerstellen aufweisen und nur so gut sind wie die Methode, die dahinter steckt. Diesbezüglich hat CH Media einiges richtig gemacht und zumindest versucht, objektiv Daten zu sammeln: Digitale Präsenz war wichtig – die lässt sich auch messen. Dieses Rating wurde anschließend durch eine Jury ergänzt. So wie es die Erfinderin der Medienratings, Dr. Regula Stämpfli, dies schon 2002 vorgemacht hat: Im damaligen FACTS unter Chefredaktor Hannes Britschgi. Das Rating war zu dem Zeitpunkt DIE Mega-Innovation, die mir 2003 von Denis von Burg und der Sonntagszeitung dann durch Einschüchterung, Drohung und hinterhältige Manöver gestohlen wurde – bis heute. Ich habe in meinem kreativen Leben mehrere intellektuelle und dreiste Diebstähle erlebt – diese war ökonomisch wie geistig eine der übelsten und nachhaltigsten.
Als Rating-Erfinderin kenne ich, wie Weizenbaum, die Schwächen von Daten, denn: Sie lügen wie gerechnet. Daten operieren nach Eingabe und die ist nie objektiv. Zudem gestalten Daten Welt, indem sie Dinge so berechnen, dass sie in der realen Welt die gewünschten Konstruktionen zur Folge haben. Nachzulesen unter STAEMPFLISCH, meinem neuen Buch mit dem durch Google-Rating formulierten Titel: „Sex, Katzen und Diäten. Die Kult-Kolumnen von Regula Stämpfli.“
Im Büchermarkt fehlen Bühnenauftritte. Frauen verkaufen Non-Fiction gut bei Vorträgen – im Feuilleton werden sie zu 80 (!) Prozent ignoriert.
August 2021: Identitti und „weibliche“ Steine
„Kultur und Politik gehören zusammen, da in ihnen beiden Entscheidungen zugrunde liegen, welche Dinge und Handlungen die gemeinsame Welt prägen.“ laStaempfli
Mithu Sanyal hat das beste Buch 2021 – neben Isabel Rohners „Gretchens Rache“ und Nicole Seiferts Frauen(durchgestrichen) ‑Literatur geschrieben. Identitti gehört in alle Haushalte, bringt uns alle zum lachen, schreien und weinen: Mithu Sanyal kann Dialoge, soziale Medien, Politik, Feminismus, Diversität und Podcasts mit ihrer Stimme, die sofort an Verführung aus uralten Zeiten erinnert, damals, als die Welt noch nicht berechnet, sondern erzählt wurde. Mithu Sanyal und ich hatten das Vergnügen im Februar 2021 vom Literaturhaus Basel eingeladen zu sein und das Buch der deutschsprachigen Öffentlichkeit zu empfehlen: It rocks. Was mich zu den Steinen bringt. Im Landesmuseum Zürich, das neuliberal „Nationalmuseum“ heisst, grad so als ob die Schweiz eine Nation wäre und kein Willensgebilde, nun ja, in diesem Museum eben, gibt es die schöne Menschenstein-Ausstellung (bis 16. Jänner 2022). „Menschen. In Stein gemeißelt.“ Alles wäre zauberhaft, wenn da nicht die lästige Weibchen-Männchen-Einteilung wäre. Alles Fiktion, wenn sie mich fragen. Es gibt Steine, die sind einfach göttlich und ohne Geschlecht, und wenn doch ein Geschlecht zugeordnet werden muss, dann halt das Weibliche. Es wäre so einfach, wenn Geschichte endlich realistischer erzählt, statt wie üblich, im Stile des 19. Jahrhunderts ideologisiert würde.
September: Meret Oppenheim und das 50 jährige Frauenstimmrecht
„Ein Staat ohne Frauenrechte ist keine Demokratie, sondern eine Geschlechterdiktatur.“ laStaempfli
Die Schweiz ist astrologisch gesehen Jungfrau. Dieser sagt man nach, immer dann Unschuld zu simulieren wenn Verbrechen vertuscht werden sollen. Well: Es war einmal ein „Pass für ALLE“. Propagiert von swissinfo, geschrieben von der Universität Bern, geleitet von der Schweizer Demokratie Stiftung und verteilt vom Departement für Auswärtige Angelegenheiten. In diesem „Pass für Alle“, der in der ganzen Welt für das System der Direkten Demokratie Schweiz werben sollte, fehlen die Frauen. „Wir wollten das politische System der Schweiz beschreiben und bewerben, keine Abhandlung über Frauenrechte schreiben.“ Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt und wiederum dem Erdboden des Nichts gleich gemacht, so könnte das Frauenstimmrechtsjubiläum 2021 beschrieben werden. Hier ein Ausschnitt aus meiner Kolumne im Klein Report:
„Meine Mutter durfte nicht über ihr eigenes Bankkonto verfügen, meine Großmutter musste zusehen, wie ihr Ehemann all ihr Erspartes versoff und sowohl sie als auch die gemeinsamen Kinder fast zu Tode prügelte: alles normal und im Männerstaat Schweiz bis 1971 rechtens. Mein Patenonkel war ein Verdingkind, dessen Mutter mangels politischer Rechte in eine Psychiatrie gesteckt wurde. Er selber und viele ähnliche Kinder wurden von der «eidgenössischen Direktdemokratie» geprügelt, missbraucht und als Gratis-Arbeitskraft fast zu Tode geschändet. Mein Patenonkel durfte seine Mutter nie mehr sehen. Es gibt unzählige solcher Traumata und sie hängen direkt mit den fehlenden Frauenrechten in der Schweiz bis 1971 zusammen.
Ein Staat ohne Frauenrechte ist keine Demokratie, sondern eine Geschlechterdiktatur.“ Eine Broschüre, die behauptet „Pass für Alle“ zu sein und Frauen als lästige Nebenbemerkung abkanzelt, ist keine Demokratie- sondern eine Talibanschrift.
Meret Oppenheim hat, als sie so selten ausgestellt, gerne vergessen und dann doch wieder entdeckt wurde, eine eigene Ausstellung für sich konzipiert. „Mon exposition“. Diese wurde endlich in Bern verwirklicht – nach Oppenheims Tod selbstverständlich. Denn wo kämen wir denn hin, lebenden Frauen zu zu hören, wenn es doch viel einfacher ist, Tote zu ehren.
50 Jahre Frauenstimmrecht war 2021 ein Desaster. Allenthalben wurden medial Klischees transportiert und die Abschaffung der weiblichen Entmündigung 1971 als Nebensache abgewertet. Isabel Rohner und Zita Küng verdienten trotzdem mehrere Ehrendoktorinnen-Titel. Denn ohne diese zwei engagierten Frauen wäre das Jubiläum medial völlig verschwiegen worden.
Meret Oppenheims Handschuhe: FRAUENHÄNDE. ABGEHACKT.
Oktober: Trips, Chaos, CoronaUNkultur
„Kultur 2021: Leichen sterben früher.“ laStaempfli
Mitte Dezember 2020 erlag das kulturelle Leben erneut. Es war tot. Nach dem Jahreswechsel verlängerten die europäischen Regierungen die Lockdowns, verordneten bis Ende März die Schließung sämtlicher Kulturbetriebe. Nur eine Stadt machte alles anders: Wien. Die einzige Kulturhauptstadt Europas, die Museen und Theater zeitlich VOR den Gaststätten öffnet. Während in der Schweiz und in Deutschland Galerien, Lesesäle, Bibliotheken, Museen, Kinos, Theater, Opernhäuser, Musiklokale, Konzertsäle etc. geschlossen werden und auch nach Öffnung alle Besuchenden schikanieren, dürfen Fußball- und Shopping-Horden fröhlich, ungeimpft, unmaskiert und ungetestet, rumproleten.
Impflicht? Ach, davon raten die feinfühligen Intellektuellen wie Richard David Precht und Svenja Flasspöhler, regelmässige Gäste bei Markus Lanz und SRF Kultur, ab.
Kein Wunder stirbt die Kultur.
November: Versöhnung
„Nur eine Welt mit tanzenden und lachenden Frauen ist eine demokratisch-lebensfrohe Welt.“ laStaempfli
In the „House of Losing Control“ an der Nordwestbahnstrasse 53 redet die Künstlerin Louise Deininger im November 2021 über ihr Buch „DNA of WAR“. Ausgestellt war ihr Kunstwerk „Die Feder“, die Künstlerin ist hier im Bild mit ihrem Werk zu sehen. Louise Deininger ist ein Wunder: Voller Charisma, Aktivismus und Werken, die das Potential haben, die Welt zu verändern. Auch sie ist im Podcast „artisapieceofcake“ zu hören. Versöhnung ist Deiningers Thema. Wie schön wäre es doch, sie würde gehört – nicht zuletzt auch von mir. Ich merke, wie mich die Pandemie und die Widerstände vieler Idioten, Regeln einzuhalten, zermürben. Leila Slimani wohl auch. Sie ruft in ihrer aufregenden Rede am Berliner Literaturfestival auf „zum Verbrechen“. Das Verbrechen, Frauen lesen und schreiben beizubringen und Frauen lesen und schreiben zu lassen. Sie hält nichts davon, amerikanische Hochschuldebatten nach Europa einzuführen. „Die wahre Cancel-Culture ist die, die darin besteht, Buddha-Statuen zu sprengen, in Timbuktu historische Handschriften zu verbrennen, das Kulturerbe Aleppos in Schutt und Asche zu legen, oder auf Menschen zu schiessen, weil sie in Paris tanzen.“
Deshalb: Versöhnen wir uns und fördern die Freiheit von Frauen, die darin besteht, ohne Angst lesen und schreiben zu dürfen (und nicht darin, den Körper gemäss geltenden Moden zu kleiden…).
Dezember: Glück ist Ngozi Adichie zu lesen & Michaela Ghisetti zu sehen
„Kunst ist die Maschinenwerdung der Menschen aufzuhalten.“ laStaempfli
«Americanah» ist der wichtigste Roman des 21. Jahrhunderts, 2013 geschrieben und mit unzähligen Preisen geehrt. Chimamanda Ngozi Adichie ist Feministin, Intellektuelle, Poetin. Eine Nobelmarke druckte ihren TED-Talk «We should all be feminists» auf ein T‑Shirt, sie wurde in «Flawless» von Beyoncé gesampelt und hat 2021 das erschütternde Buch «Trauer ist das Glück, geliebt zu haben» verfasst. Es ist kein Roman, dafür die poetische Auseinandersetzung mit dem Thema Verlust. Ngozi Adichie ist mit dem schmalen Band wieder ein großer Wurf gelungen: Sie verbindet Privates beiläufig und schlüssig mit menschenwürdiger Politik. Lest: „Trauer ist das Glück, geliebt zu haben“, von mir für ensuite im Literaturblog und im Heft rezensiert.
Erschütternd gut dieses Buch, erschütternd gut auch die im Dezember gestartete Einzelausstellung von Michaela Ghisetti in der ALBERTINA.
2021 zeigt mir: Dem barbarischen, meist digital automatisierten Nexus kann mit Kunst sowie realem politischen Handeln entgegentreten werden.