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Li Mollet: Nichts leichter als das

Von Ueli Zingg - biogra­phie. ein spiel. wir ken­nen es. was wir ken­nen meinen wir zu wis­sen. was wir wis­sen ist noch nicht gelebt. leonard weiss und lebt. ein uner­messlich­es leben. wo das gelebte glück doch im mess­baren. ein da vin­ci. kein­er wie er. und nicht irgen­dein­er. mar­cel. ein duchamp. nur er und doch: so nicht. nur so und nicht irgen­det­was ist das werk von li mol­let. es nimmt einen in die pflicht. nach ihr ver­langt die moral. die lust fragt nicht. und den­noch meinen unsere antworten sie. nur sie. nei­gung stellt sich ein. gegebe­nen­falls. nichts leichter als das ist die inven­tion des all täglichen im unver­wech­sel­bar eige­nen. das archaisch geset­zte angesichts dessen was hier&jetzt zu leben ist. zu leben sein kön­nte. das mögliche lacht dem was ist rück­lings ins gesicht. denn: im ikono­graphis­chen der grossen (künstler-)namen ist die anlei­he an das über­dauernde. an das ewig gültige. an das was nicht ist. was sein kön­nte. wer­weiss. glück ist die form des möglichen. in der form wird das per­sön­liche kun­st. es ist eine kun­st per­sön­lich zu sein. in goethes wahlver­wandtschaften wer­den wir per­sön­lich. treten uns selb­st ent­ge­gen. unerträglich. und eine real­ität. wer erträgt sie schon. wer erträgt sich schon. ver­wandt sein ist die pflicht der biolo­gie. sie ist ohne wahl. ange­sagt ist zivil­i­sa­tion. ohne sie keine kul­tur. ihre pflicht ist die wahl. das glück haben wir in sein­er masker­ade als unglück sel­ber gewählt. die hoff­nung ist im möglichen. anders ist sie hoff­nungs­los. ver­wirk­licht zeigt sie uns das gesicht der so genan­nten real­ität. geschont wer­den wir in nichts leichter als das kaum. schon gar nicht vom leben. die geschlif­f­ene sprache täuscht nicht darüber hin­weg. li mol­let weiss was sie schreibt. weiss dass wir nicht wis­sen. nicht genug. weiss dass alles anders sein kön­nte. oder auch nicht. biogra­phie ein spiel. wer ver­ste­hen will muss wis­sen. die iko­nen wis­sen nicht. sie kön­nen nicht anders. sie sind. li mol­let kann. die fan­tasie ist das glück wider das so-und-nicht-anders. das ist die hoff­nung: es kön­nte auch anders sein. kann es das? kön­nen wir was wir wollen? müssen wir was wir dür­fen? kein men­sch muss müssen. sätze wer­den iko­nen. nicht nur sie. aber sie auch. lieben wir also den wir lieben? und wenn wir ihn nicht mehr lieben? aus unwis­sen des möglichen nie geliebt haben. lieben wir ihn doch? und den­noch? li mol­let weiss wen und was sie liebt. und auch nicht. begeben sie sich in den irrgarten des seins. notwendig wie er ist. in der form wird das per­sön­liche kun­st: das trip­ti­chon als eine möglichkeit ihrer form. im 3geteilten ist die har­monie kon­strukt. und nur schein­bar. immer­hin ist sie so möglich. mehr gibt es ohne­hin nicht: ich mag&lieb dich. sowie auch einen andern. und jenen dazu. es ist ein kreuz übers kreuz. die nähe zu unseren bedürfnis­sen erlöst uns nicht von ihnen. im gegen­teil: ihre schuld ist benennbar. die schuld des erken­nens wider die unbescholtenheit des selb­stver­ständlichen. das natür­liche ist aggres­sion. zivil­i­sa­tion ist glück. auch wenn es misslingt. ‚nichts leichter als das‘ ist die gelun­gene form eines miss­lun­genen glücks. ist das per­sön­liche im all­ge­meinen. ist das all­ge­meine im per­sön­lichen. li mol­let schreibt was sie lebt und erlebt. die dif­ferenz ist unüber­windlich. wom­öglich scheinen wahrheit­en auf am hor­i­zont. auch wenn dieser zurück­we­icht. zivil­i­sa­tion ist kodierung. natur weiss nichts von sich selb­st. ich bin also denke ich. wer mol­let liest muss denken. denken wollen. ein spiel weit über die ein­fach­heit des kom­plex­en hin­aus. li mol­let spielt das spiel. leonard ist leon und ist es nicht. mar­cel ist marc und… sie wis­sen schon. char­lotte ist char­lotte. das ist die pro­voka­tion: ich bin die ich bin. im trip­ti­chon find­et li mol­let zur kun­st. im trip­ti­chon wer­den die dinge heilig. schein ist immer dabei. vielle­icht dog­ma­tisiert. nur schein muss dog­ma sein. li mol­let schreibt die dekon­struk­tion des dog­mas. weil es auch anders sein kön­nte. ich liebe dich ist die gültigkeit am ende ihrer möglichkeit. liebe ist behauptete hoff­nung. noch ein­mal koket­tiert die zufäl­ligkeit des moments mit der eit­elkeit des ewigen. nichts leichter als das weiss darum. weiss auch: wir sind erst gescheit­ert wenn wir das scheit­ern nicht mehr wagen. ein lesegenuss für alle die das scheit­ern wagen. aber eben: wird das erk­lär­bare erk­lärt wird es ver­meintlich klar. das mys­teri­um das allen erk­lär­bar ist geht dahin. bei li mol­let bleibt es bei der erk­lär­barkeit des nichterk­lär­baren. sola divi­sione indi­vidu­um. lassen sie sich ein auf den unter­schied auf die dif­ferenz auf die diver­si­fika­tion. lassen sie sich ein auf die real­ität. mit anderen worten. es ist wie es ist. so ist es nicht. unsere­in­er wird sich selb­st bei der lek­türe von nichts leichter als das und wird ein ander­er. das alltägliche ist mehr als der all­t­ag. ich bin mehr als der ich bin. die zeitliche bed­ingth­eit des existierens bes­timmt unser dasein. dem blick darüber hin­aus sind enge gren­zen gezo­gen. li mol­let macht sich nichts vor. auch nicht uns. die auseinan­der­set­zung mit dem sein ist kurz. unsere entwürfe sind länger als sie sein kön­nen. sein dür­fen und let­ztlich sind sie doch. das wird bewusst wenn wir nichts leichter als das lesen. die konzen­tra­tion auf das wenige ist die auseinan­der­seitzung mit dem ewigen. das gültig geset­zte des kun­sthe­o­retis­chen ermöglicht die bed­ingth­eit des eige­nen arte­fak­ts. ach wie mag sie da die feine haut. im irrgarten als ahnung zum paradies. ist man geneigt zu sagen. dies­seit­ig.

Li Mollet:

Nichts leichter als das
Edi­tion Howeg 2003 // Waf­fen­platzs­trasse 1; 8002 Zürich
edition_howeg@datacomm.ch
ISBN 3–85736-218–5

Vom Autor Ueli Zingg ist zuletzt erschienen:

Vier Momente prak­tis­ch­er Banal­ität
ISBN 3–90510-23–7
Edi­tion Hart­mann, Flur­weg 23, 2502 Biel/Bienne
info@editionhartmann.ch

Bild: zVg.
ensuite, Mai 2005