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Seit jeher unterwegs: Literarische Fragmente 11

Von Kon­rad Pauli — Der Mann ging am Meer ent­lang, kam an die Stelle, wo eine ältere Frau den leblosen Kör­p­er ein­er andern Frau aus dem Wass­er zu ziehen ver­suchte. Sie hat­te gese­hen, wie ihre Schwest­er, Gesicht nach unten, im Wass­er trieb – und aus eigen­er Kraft gelang es ihr nun nicht, die Ohn­mächtige ans Trock­ene zu brin­gen. Der Mann half, erin­nerte sich an einen weit zurück­liegen­den Erste-Hil­fe-Kurs, zog die Frau, zum Entset­zen ihrer Schwest­er, an den Hüften hoch, damit das geschluck­te Wass­er den Weg nach aussen fände. Vor­beige­hende bat der Mann um Bei­s­tand, hat­te dabei freilich keinen Erfolg, hörte dafür den Hin­weis, man wolle damit nichts zu tun haben. Die Hal­bertrunk­ene kehrte langsam ins Leben zurück. Inzwis­chen kamen die Leute vom Ret­tungs­di­enst. Er habe alles sehr gut gemacht, ver­nahm der Mann.

Am Abend kam die Frau ins Hotel, sagte dem Mann, ihre Schwest­er sei im Spi­tal, den Umstän­den entsprechend gehe es ihr gut. Als Dank brachte sie eine Flasche Wein, dann ver­ri­et sie voller Erre­gung: «Denken Sie, die Ärztin hat das Badek­leid mein­er Schwest­er ein­fach so mit der Schere aufgeschnit­ten! Dabei hat­ten wir es eigens für diese Meer­fe­rien gekauft!»

In der Strassen­bahn berichtet eine Frau ein­er Mit­fahren­den (Fre­undin, Bekan­nte) irgendwelche Vorkomm­nisse. Die Zuhörerin spielt Reak­tio­nen wie «nein, wirk­lich?», «das ist nicht wahr» – und man denkt, sie tue so, um den Ein­druck von Aufmerk­samkeit, Anteil­nahme sicherzustellen – auf keinen Fall den der Gelassen­heit, Gle­ichgültigkeit.

Foto: zVg.
ensuite, Novem­ber 2010

Artikel online veröffentlicht: 28. November 2018