Von Lukas Vogelsang — Weniger ist nicht mehr, sondern weniger. Wenig kann gut sein, zum Beispiel im Design, im Strassenverkehr, im Stromverbrauch – im Journalismus ist es das aber bestimmt nicht. Fehlende Recherchen sind schlecht, zu wenig journalistische MitarbeiterInnen sind schlecht, zu wenig LeserInnen sind schlecht. Wer das Gegenteil behauptet, liest keine Zeitungen oder gehört in die Chefetagen der Medienunternehmen: Diese Manager wollen mit weniger Aufwand viel verdienen. In der Sparwut haben sich die Tageszeitungen zu Tode gespart.
Am Sonntag spüren wir das besonders. Die Sonntagspresse bringt oft Themen, welche die SDA (Schweizerischen Depeschenagentur) nicht schon vorgekaut hat. Das heisst, die «unter-der-Woche»-Tageszeitungen hatten keine Ahnung, und schreiben deswegen aufgrund der Sonntagsartikel ihre Artikel dazu erst am Montag in ihren Blättern. Netterweise oft mit dem Hinweis, wer das Thema gefunden hatte. Die Sonntagspresse publiziert daraufhin eine Woche später noch mehr spannende Themen, denn während die Tageszeitungen mit der Aufarbeitung und mit den verzweifelten Recherchen beginnen, sind die SonntagsjournalistInnen bereits an neuen Geschichten. Das ist ganz einfach der Grund, warum die Sonntagszeitungen – oder generell die Wochenzeitungen – in den letzten Jahren mehr LeserInnenzuwachs vorweisen können. Das mit der Medienvielfalt haben die Ringiers, Tamedias, NZZs, AZ-Medien und der Rest nicht wirklich begriffen. Nur in den Sonntagsausgaben: Nach den ausgiebigen Recherchen servieren die Journis eine gute Geschichte nach der anderen, gut aufgearbeitet einen Knüller, halbe Spionagegeschichten ans sonntägliche Frühstücksbuffet, und wir bleiben bildlich an der Zeitung kleben. Intelligenterweise will jeder Verlag seine eigene Tageszeitung (die anderen haben das ja auch!) und eine Sonntagszeitung (die anderen haben das auch!). Anstatt zum Beispiel das Geld in besseren Tagesjournalismus zu investieren, sich auf etwas zu spezialisieren und der Sonntagspresse die Themen wegzufressen, rennen alle wie Lemminge hintereinander her und kopieren einander gegenseitig die Presseerzeugnisse. Saublöd. Es ist schlicht und ergreifend nicht spannend, wenn alle Tageszeitungen alle Themen gleich ablichten. Egal welche Zeitung ich zur Hand nehme – ich habe alle Themen bereits irgendwo mitbekommen. Wieso sollte ich also noch eine Tageszeitung abonnieren?
Da sitzen also an der Pressekonferenz 20 Journis, und alle berichten am nächsten Tag, was die Presseverantwortlichen ihnen am Vortag zum Frass vorgelegt haben. Warum noch 20 Personen hingehen ist mir ein Rätsel – die Textversionen unterscheiden sich schlussendlich nicht gross. Um Fragen stellen zu können muss man dazwischen noch denken können. Im redaktionellen Alltag ist das kaum mehr möglich. Die ausgedünnten Redaktionen sind bereits am hyperventilieren, um das tägliche Pensum einigermassen befriedigend über die Runde zu bringen. Die echten Geschichten bleiben liegen – die Sonntagspresse wird diese Themen übernehmen. Und so verlieren die Tageszeitungen täglich an Erfolg, Selbstbewusstsein, Relevanz, und ersticken sich selber.
Medienvielfalt ist nicht Medienvielzahl. Die Medienvielzahl ist nur da, um die Konkurrenz zu schwächen und um die Werbemärkte zu destabilisieren – ein anderer Vorteil ist darin nicht zu erkennen. Denn ob das Layout grün, blau oder rot ist, spielt keine grosse Rolle. Es ginge um den Inhalt.
Foto: zVg.
ensuite, Januar 2013