Von Luca D’Alessandro — Vor zwei Jahren wurde die Idee erstmals lanciert, am 3. und 4. Juni geht sie in die zweite Runde: die Tanzgalerie im Bierhübeli in Bern. Unter dem Titel «Das bewegte TV-Programm» stellen über hundert Tänzerinnen verschiedenen Alters unter der Leitung der Berner Tanzpädagogin Babuche Gruber von Tanzart, in Zusammenarbeit mit Isabel Devaux, Filmepisoden aus dem Alltagsfernsehprogramm dar.
Babuche Gruber legt in ihrem Konzept der Tanzgalerie Wert auf die Verbindung aus bildender Kunst und Tanzchoreografie. «Als ich 2008 die Tanzgalerie zum ersten Mal plante, wollte ich eine Show haben, die über das klassische Veranstaltungsmuster Tanz-Applaus-Tanz-Applaus hinausgeht», sagt Gruber. «Schliesslich kam ich auf die Idee, mittels Tanz ein Bild zu malen. Schülerinnen und Schüler zeichneten auf der Bühne aus der Bewegung heraus ein Kunstwerk.» Die Performance sei auf positive Resonanz gestossen, «deshalb fand ich, dass in der nächsten Edition der Tanzgalerie etwas Ähnliches geschehen sollte.» Das ensuite — kulturmagazin hat nachgefragt.
Babuche Gruber, die nächste Tanzgalerie steht kurz bevor. Sind Sie im Stress?
Ja und wie! Stellen Sie sich den Aufwand vor, hundert Tänzerinnen in zwanzig Choreografien unterzubringen. Das geht ans Mark, macht gleichzeitig viel Freude, was mich und Isabel sehr motiviert.
Was wird im Vergleich zur ersten Edition im 2008 neu sein?
Die Vereinigung von Tanz und Bild wird bestehen bleiben. Das Prinzip bleibt also gleich. Was jedoch die Methode angeht, möchte ich diesmal anders vorgehen. Im Gegensatz zur Erstdurchführung soll ein Tanz aus den Bildern heraus entstehen.
Wie das?
Zuerst kommt das Bild, dann die Choreografie. Der Moderator, Willy Beutler, steht vorne auf der Bühne und zappt sich virtuell durch verschiedene TV-Programme durch, welche an die Leinwand projiziert werden: Schweizer Fernsehen, MTV oder ProSieben. Auf jedem der Sender läuft ein anderes Programm – die Inhalte der verschiedenen Programme werden auf der Bühne tänzerisch dargestellt.
Lässt sich dieses Konzept anhand eines Beispiels verdeutlichen?
Klar. «Six Feet Under» – eine US-amerikanische Fernsehserie, in deren Mittelpunkt die Familie Fisher und ihr Bestattungsinstitut steht. Sie wissen, welche Serie ich meine?
Ich habe davon gehört, kann sie thematisch gerade nicht einordnen.
Die Serie gilt als unkonventionell und verbindet schwarzen Humor mit dramatischen Elementen. Jede Folge beginnt in der Regel mit einem Todesereignis.
Nicht gerade einfach, ein solches Thema bühnentauglich zu machen.
Ja, ich stellte mir die Frage, wie sich «Six Feet Under» überhaupt darstellen liesse, ohne ins Lächerliche zu fallen oder pietätlos zu wirken. Ich machte mir Gedanken über die Kostüme und die passende, bleiche Schminke – schliesslich stellen die Tänzerinnen auf der Bühne Leichen dar. Dennoch sollte der Tanz schön sein und eine logische Verbindung zum Thema haben. Man kann nicht einfach ein Tänzchen à la Bonheur entwerfen und glauben, man werde dem Drehbuch von «Six Feet Under» irgendwie gerecht. Der Tanz braucht eine klare Vorgabe, eine thematische Bewegungschronologie, die mit dem Bühnenbild im Einklang steht. Im Endeffekt müssen Kostüm, Schminke, Background und Tanzchoreografie eine Einheit bilden.
Wie sieht diese Einheit aus?
Die Kostüme haben einen rosastich und sind leicht flatterig. Sie haben etwas Engelhaftes. Die Choreografie beginnt mit der Musik der Serie und den Tänzerinnen, die ganz steif und gerade auf die Bühne kommen. Zuerst nur ein, zwei, danach werden es immer mehr, bis der eigentliche Tanz losgeht. Ich habe mir lange Zeit den Kopf zerbrochen, das Ganze ist eine echte Herausforderung, zumal die Bühne sehr klein ist, gerade mal sechs auf sechs Meter.
Eine Herausforderung, die sich bezahlt macht. Die Tanzgalerie vor zwei Jahren war nahezu ausverkauft.
Das ist erfreulich, schon nur wegen des Einsatzes aller Beteiligten. Wenn man denkt, dass im Hintergrund zahlreiche Menschen freiwillig mitarbeiten. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass am Ende eine reibungslose Show entsteht. Es ist schon vorgekommen, dass sich andere Veranstalter an unserem Konzept inspiriert und eine Show im ähnlichen Stil gemacht haben.
Ist das schlimm?
Eigentlich nicht, im Gegenteil. Das zeigt, dass die Idee der Tanzgalerie gut ankommt. Kopieren ist in der Tanzbranche grundsätzlich nicht so verpönt wie in der Musik. Ich mache das manchmal ja auch. Zum Beispiel habe ich einmal in einer internationalen Show eine Requisitenidee gesehen, die mich schlichtweg umgehauen hat. Diese Requisite habe ich in eine meiner Choreografie einfliessen lassen – und meine Schüler und Schülerinnen setzen diese hervorragend um. Ja, ich bin überzeugt, die diesjährige Tanzgalerie wird die Erwartungen übertreffen.
Foto: Felix Peter
ensuite, Juni/Juli 2010