Von Sabine Hunziker — Als bekannter SVP-Politiker engagiert sich Daniel Regli auch gegen die straffreie Abtreibung. Nun hat er ein neues Buch über die Zürcher Kultur geschrieben.
Es soll ein Fest werden: im Jahr 2016 wird die wichtigste Kunstbewegung in der Schweiz 100 Jahre alt. Dadaismus live in Zürich mit Ausstellungen, Gastspielen, Lesungen und prominenten Gästen. Der Gemeinderat unterstützt dieses Jubiläum zum weiteren Mal mit einer sechsstelligen Summe. Doch nicht ganz alle im Rat sind zufrieden: einer davon ist Daniel Regli2. Der Titel seines neuen Buches «Dada, Rietberg und der Züricher Kultur-Infarkt» verspricht Aufklärung darüber, was bei Dada und überhaupt dem ganze Zürcher Kunst-/Kulturbetrieb nicht rund läuft. Gross ist die Überraschung, wenn man dann die Seiten blättert: Reglis Schrift ist ein Lebenswerk seines bisherigen politischen Schaffens mit einer Vielzahl Themen, die mit Dada/Rietberg auf den ersten Blick wenig zu tun haben, sondern seine gesamtgesellschaftliche Kulturkritik beinhalten.
Um Reglis Argumentation im Buch aber richtig einordnen zu können, folgen erst einige Eckdaten zum Autor. 1957 geboren, verbrachte Daniel Regli seine Jugend in Engelberg OW und besuchte das Gymi. Im Vordunstkreis der 80er Bewegung schlug er sich zeitweise als Schauspieler, Psychiatrie-Pfleger, Möbelhändler oder Lastwagenfahrer etc. durch3, bis er mit 21 Jahren tief in den Drogen steckte. Ein Freund, der auch drogenabhängig war, nahm ihn mit zu der evangelikalen Gruppe «New Life». Damals gab es noch wenig Hilfsangebote für Drogenkonsumenten, da die Öffentlichkeit erst ab den 1980er Jahren auf die Problematik aufmerksam wurde. Regli fand zu Gott, er wurde Teil der Gruppe und arbeitete u.a. als Pastor4. In ihrem Glaubensbekenntnis schreibt heute New Life Bern: (Auszug) «Wir glauben daran, dass die Hölle existiert und auch Satan. Der Mensch ist von Natur her zum Guten nicht mehr in der Lage»5. Ende 1999 trat Regli von der Freikirche in die reformierte Landeskirche über. Er studierte Allgemeine Geschichte, Kirchengeschichte und Publizistik an der Universität Zürich (1988–1992). 1993 promovierte er und trat in die Politik ein6. Aus der CVP wurde er aber ausgeschlossen. Grund dafür soll ein von ihm verfasster Leserbrief gewesen sein. Er äusserte sich 2003 positiv zur Abwahl von Ruth Metzler aus dem Bundesrat, einer Parteikollegin also – weil sie den legalen Schwangerschaftsabbruch nicht ablehnte7. Schon zuvor hing wohl der Haussegen mit der Christlichdemokratischen Volkspartei etwas schief: 2002 verglich Regli bei einer Kampagne gegen die Fristenlösung die Zahl der abgetriebenen Kinder mit der Anzahl der Opfer der Amokläufer in Zug und Erfurt sowie den Terroranschlägen vom 11. September8. 2005 wechselte Regli zu der SVP. Verbindungen dahin hatte er spätestens seit einem seiner Ämter: Präsident des Quartiervereins Affoltern. Der Stadtteil Affoltern ZH ist eine Hochburg der SVP9. Und so wird aus dem Präsidenten des Quartiervereins bald ein Zürcher Gemeinderat. 2009 nimmt Daniel Regli Einsitz im Parlament10 und ist u.a. Präsident der Familienlobby und des «Marsch fürs Läbe»11. Die Lobby für die Familie, als gemeinnütziger, kirchlich überkonfessioneller Verein, macht sich stark dafür, dass möglichst viele Menschen den Reichtum des Lebens erlernen und ergreifen können12. Mit weit offenem Hemd und Goldkette auf nackter Brust erklärt Daniel Regli zur «Europride» 2009: «Homosexuelle können Christen sein, so wie Christen auch stehlen, ehebrechen und lügen können. Für mich ist jemand, der sagt, ich will Christ sein und meine Homosexualität leben dürfen, genauso wie jemand der sagt, ich will Christ sein und trotzdem stehlen, ehebrechen und lügen können»13. Unbekannte sendeten den Veranstaltern des Lesben- und Schwulenfestivals Hassbriefe mit Aussagen wie «schwule Arschlöcher»14 – der Vereinspräsident distanzierte sich natürlich davon15. Der «Kulturkampf» gegen die autonome LGBT-Lobby (LesboGayBiTranssex), welche die Christliche Moral untergraben will, die rote Unterwanderung der Hilfswerke wie Caritas, oder Inhalte zum Thema Islam Mohammed, Vater des islamistischen Terrors, ist heute ein wichtiger Arbeitsinhalt der der Familienlobby16. Daniel Regli nahm auch ein Engagement bei der Zeitung «Schweizerzeit»17 an, und beschäftigt sich hier weiter mit dem Kampfbegriff. Schweizerzeit ist eine bürgerlich konservative Zeitung für Unabhängigkeit, Föderalismus und Freiheit18. Thomas Zaugg von «Zeit Online» schreibt 2011 eine Rezension über die «publizistische Speerspitze der SVP». Ein Beitrag: der SVPler Patrick Freudiger meint, dass nicht die SVP zu den Feinden der Zivilisation gehöre, sondern schon eher die Sozialdemokratie19. Nicht alle sind aber mit der Arbeit Reglis einverstanden. Unter anderem die Katholische Volkspartei (KVP) bemängelt die Ausführungen von Daniel Regli als diskriminierend, verletzend, und distanziert sich von fremdenfeindlichen Kulturrhetorikern. Solche Aussagen gehören für sie nicht zur katholischen Soziallehre20. Nach der KVP wird der Lebensschutz vom politisch rechten Rand und homophoben und islamophoben Kreisen geführt. Schweizerzeit ist Tummelplatz der Ideologen, namentlich von Pfarrer Stückelberger21. Stückelberger war, wie Bischof Marian Eleganti, Redner am «Marsch fürs Läbe 2013», dem mittlerweile breit vernetzten Bündnis von konservativ-christlichen Vereinigungen und Mitgliedern von grossen Regierungsparteien wie SVP, CVP und kleineren Parteien wie der EDU.
Eleganti selber gehörte 15 Jahre einer vom österreichischen Priester Seidnitzer gegründeten ultrakonservativen Gruppierung an. Seidnitzer wurde suspendiert und betrieb danach ein nicht anerkanntes Priesterseminar. 1990 teilte sich das Priesterwerk, und Marian Eleganti kam zu den Missionsbenediktinern. Andere gingen nach Rom zu Pavel Hnilica. Dieser hatte in der damaligen Tschechoslowakei eine Gruppe organisiert, um den katholisch-antikommunistischen Widerstand in Osteuropa zu stärken22. Im selben Bereich arbeitet auch das Hilfswerk CSI, dessen Gründer Hansjürg Stückelberger ist. 1977 gegründet, veranstaltete CSI Schweigemärsche für Verfolgte in der Sowjetunion, oder kaufte Christen, die im Bürgerkrieg als Sklaven in den nördlichen Sudan verschleppt worden waren23. Wie Regli engagiert sich Stückelberger neu islamkritisch, gründete die Zeitschrift «Zukunft.CH», welche «eine schleichende Einführung der Scharia verhindern will». Das Blatt ist Mitglied von «Marsch fürs Läbe», und schreibt über Probleme wie Wertezerfall oder Sexualisierung in den Schulen24. In seinem Buch «Europas Aufstieg und Verrat – Eine christliche Deutung der Geschichte», einem Plädoyer für das Christentum, beschreibt er die Französische Revolution als Katastrophe25. Auch Daniel Regli hat – im Selbstverlag – Titel wie «Die 68er-Falle», «Kirche und Schwert: Radikales Christsein in Gesellschaft und Politik», oder «Befreiung aus dem Homogefängnis: Ein ehemaliger Homosexueller berichtet von Sexsucht, Prostitution und Aids» veröffentlicht. Regli meint dazu: «Verblendet tappten die Massen ins Paradies, welches ihnen die Vordenker wie Rousseau, Marx, Marcuse, Sartre und Beauvoir versprochen hatten. Nun grassieren Süchte, Psychosen, Abtreibung und Familienzerfall»26.
In «Dada, Rietberg und der Zürcher Kultur-Infarkt» wird im ersten Kapitel über die Kunstrichtung Dada informiert: Die Dadaisten hätten einen grossen Teil ihrer Kunst abgekupfert. Auch ihre Weiterentwicklung, beispielsweise in Berlin, bestand in der Hauptsache aus einem Saufgelage. In Paris, schliesslich, wurde Dada dann von den Surrealisten plattgewalzt. Man finde durchaus attraktive Bilder oder Collagen als Formen der Kunstprodukte dieser Bewegung. Die Botschaft aber sei wirr, negativ und destruktiv gewesen. Auch die Neodadaisten von 2002 im «Cabaret Voltaire» an der Spiegelgasse 1 würden diese Tradition weiterführen und T‑shirts mit dem Bild der RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt verkaufen, oder organisierten Sexualworkshops27. Ein zweiter Teil des Buches handelt vom Rietbergmuseum, das eine Sammlung von Eduard von der Heydt angenommen hat und ausstellt, einem Mitglied der NSDAP und mit deren Führung verklüngelt28. Danach nimmt Regli die Themen seines politischen Lebenswerks auf, mit Kapitelüberschriften wie «Marx und die Abschaffung der Familie», «LGBT und die Sexualisierung der Kinder», oder «Mohammeds Harem – die 9‑Jährige im Ehebett»29. Die genaueren Inhalte dazu sind in der Biographie des Autoren oben erläutert. Der Erhalt der altbewährten Werte ist Daniel Regli wichtig: Dada und Rietberg sind für ihn nur Symbole für den eigentlichen Zustand der Gesamtkultur in der Gesellschaft. Auf der Homepage zur eidgenössischen Volksinitiative «Ja zum Schutz vor Sexualisierung im Kindergarten und in der Primarschule», einem seiner aktuellen Projekte, findet man folgende Zusammenfassung und das Schlussfazit: «Die eiternde, übelriechende Wunde wird vor der ganzen Gesellschaft ausgebreitet. Die LGBTs wollen endlich gleichberechtigt und gesellschaftlich gewürdigt sein. Was über Jahrhunderte als psychische Krankheit, Identitätskrise oder Sünde taxiert wurde, soll nun von der Gesellschaft als normal und gut akzeptiert werden. Und wehe demjenigen, dem unachtsam ein abschätziges Grinsen entweicht! Er riskiert maximal eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte»30. Und «Dass LGBT usw. auch die Zürcher Kinder für ihr Anliegen gewinnen wollen, ist kein Geheimnis. Redundant äussert die Lobby … den Wunsch, in Schulen über die Lebensführung der LGBTI-Menschen zu unterrichten»31. Doch zurück zu Dada: in der Basler Zeitung findet die Aufarbeitung Daniel Reglis Lob: Unter dem Titel «Unzucht und Bolschewiki-Propaganda» stellt eine Autorin Observationsdokumente der damaligen Polizei über die Mitglieder des Dadaismus vor. Hier kommt Regli zu Wort und findet, der Dadaismus sei unsinnig es lohne sich nicht dafür eine Jubiläumsveranstaltung durchzuführen. Dazu meint jemand im Forum zum Artikel: «Bin zwar SP, muss Daniel Regli aber recht geben»32.
Daniel Regli hat den Beitrag durchgesehen und inhaltlich korrigiert. Er bedauerte lediglich, dass sein Beitrag zum Thema Rietberg nicht näher ausgeführt wurde, kündete aber an, dass dazu wahrscheinlich eine Initiative lanciert werde.
Die Autorin verurteilt jegliche Art rassistischer, sexistischer, homophober und anderer menschenfeindlicher Aussagen und Handlungen.
Daniel Regli
Partei und Fraktion: SVP
Im Züricher Gemeinderat seit: 25.06.2009
Beruf: Historiker / Publizist
Geburtsjahr: 1957
Fussnoten
1 Siehe www.jesus.ch unter 126737-daniel_regli_die_68errevolte_wird_zur_falle.
2 Siehe Tagesanzeiger, Zürich als Dada-Stadt sichtbar machen. Zürcher Gemeinderat bewilligt 390‘000 Franken für das 100- Jahr Jubiläum des Cabaret Voltaire, November 2010 und siehe Neue Zürcher Zeitung, Ein Dada-Hauch und ein wenig Politkabarett. Der Zürcher Gemeinderat bewilligt 400‘000 Franken für das Jubiläumsjahr 2016 und debattiert über Antikunst, Januar 2013
3 Siehe www.peterlang.com unter Autor Daniel Regli
4 Siehe Tagesanzeiger, Daniel Suter: Die Weltverbesserung beginnt im Quartier, März 2007
5 Siehe www.newlifebern.ch unter Download Glaubensbekenntnis new life Bern
6 Siehe www.peterlang.com unter Autor Daniel Regli und Siehe Tagesanzeiger, Daniel Suter: Die Weltverbesserung beginnt im Quartier, März 2007
7 Siehe www.jesus.ch unter 126737-daniel_regli_die_68errevolte_wird_zur_falle und siehe NZZ am Sonntag: Kampf gegen barbarische Gesellschaft. Ein SVP Gemeinderat führt die Abtreibungsgegner hinter dem Marsch fürs Läbe an, September 2012
8 Siehe Tagesanzeiger: Fristenlösung, Mai 2002
9 Siehe Tagesanzeiger, Georg Gindely: In Affoltern ändert sich auch die politische Landschaft, März 2008
10 Siehe Tagesanzeiger: Gemeinderat Zürich, Juli 2009
11 Siehe www.gemeinderat-zuerich.ch unter Mitglied_Detail
12 Siehe www.familienlobby.ch
13 Siehe Tagesanzeiger, Peter Aeschlimann: Die 10 schrägsten Politikervideos im Netz, August 2009
14 Siehe Tagesanzeiger, Stefan Häne: Attacken gegen Schwule. Euro-Pride reagiert mit Strafanzeige, April 2009
15 Siehe Tagesanzeiger: Die Reaktion der Familienlobby, Mai 2009
16 Siehe www.familienlobby.ch unter Kulturkampf LGBT und Texte zu Zeitfragen
17 Siehe www.schweizerzeit.ch unter Starttseite_News: Mohammed, Vorbild für islamische Terroristen
18 Siehe www.schweizerzeit.ch
19 Siehe www.zeit.de unter DIE ZEIT Archiv_Jahrgang: 2011_Ausgabe: 36 : Zeitung Schweizerzeit, Die Welt ist Flaach
20 Siehe www.kvps.ch unter Unter der Moderation eines Kriegsrhetorikers, September 2011
21 Siehe www.kvps.ch unter Bistumsverantwortliche in der Evangelikalenfalle, September 2013
22 Siehe Tagesanzeiger, Michael Meier: Die dunkle Vergangenheit von Bischof Eleganti, Februar 2010
23 Siehe www.csi-schweiz.ch und de.wikipedia.org/wiki/Christian_Solidarity_International
24 Siehe www.zukunft-ch.ch
25 Siehe www.amazon.de unter Geschichtswissenschaft_Staatenwelt_Europa
26 Siehe Daniel Regli: Dada, Rietberg und der Zürcher Kultur-Infarkt, 2013
27 Siehe Daniel Regli: Dada, Rietberg und der Zürcher Kultur-Infarkt, 2013
28 Siehe Daniel Regli: Dada, Rietberg und der Zürcher Kultur-Infarkt, 2013
29 Siehe Daniel Regli: Dada, Rietberg und der Zürcher Kultur-Infarkt, 2013
30 Siehe www. schutzinitiative.ch unter 1220/lgbti-und-die-sexualisierung-der-kindheit
31 Siehe www. schutzinitiative.ch unter 1220/lgbti-und-die-sexualisierung-der-kindheit
32 Siehe Basler Zeitung, Anita Merkt: Unzucht und Bolschewiki-Propaganda , Oktober 2013
Foto: zVg.
ensuite, Januar 2014