Von Lukas Vogelsang — Sehr interessantes Studierfeld, dieses Bermuda-Dreieck. Es erklärt das mysteriöse Verrecken der Medien und des seriösen Journalismus. Die drei Bermuda-Ecken bestehen aus Werbung und dem aggressiven Werbeverhalten fast aller Werbenden («Schreib — und zwar gut — über uns oder wir entziehen dir die Inserate!»), den säuselnden PR-Agenturen («Wir hätten hier noch eine ganz spannende und erfolgreiche Geschichte über unsere hochflorierende Aktiengesellschaft…») und den «Publika» (Gratiszeitungen, Gratisinternet, Gratisnewsletter, Gratislesen, Gratisgratis…). Irgendwo zwischen diesen drei Ecken liegen haufenweise verunglückte JournalistInnen und niemand weiss, wo genau diese Unglücksstelle liegt. Ein Phänomen.
Der Journalismus ist vom Aussterben bedroht. Dabei wäre alles ganz einfach, schliesslich prahlen die Medien mit ihren Analysen und Hintergrundberichterstattungen, den 24-Stunden-Recherchen. Wir könnten zum Beispiel eine Unglückssituation provozieren — und das natürlich ganz wissentlich und absichtlich. Unter den Titeln: «Aufgedeckt: Das Geheimnis des Journalisten-Bermuda-Dreiecks!», «Die 10 Gründe, warum die Medien sterben.», oder vielleicht besser: «Das Grauen: Sie kämpften um das nackte Überleben! Lesen sie auf Seite 3!» könnten wir eine perfekte Fallstudie des Scheiterns und der Unglaubwürdigkeit des journalistischen Berufstandes erstellen. Ich höre in meinen Ohren das Echo der JournalistInnen, die noch vor Jahren zunftbeschwörend ihren Pressekodex hochhielten. Doch irgendwie machten sie das für sich selbst. Die Leserschaft hat in letzter Zeit nicht wirklich etwas davon gespürt. Man kann nicht deutlich genug wiederholen, dass die Medien und die JournalistInnen sich selbst hinrichten. Tagtäglich. Wir brauchen keine Gewerkschaften für diesen Beruf, wir brauchen Gewerkschaften für die Leserschaft!
Eine Studie des «Project for Excellence in Journalism» beschreibt es tröstlich: «Mehr und mehr kristallisiert sich als grösstes Problem traditioneller Medien nicht mehr die Frage heraus, wo sich die Leute ihre Informationen holen, sondern wie für diese bezahlt werden soll. Es zeichnet sich ab, dass die Werbewirtschaft nicht zusammen mit den KonsumentInnen in den Bereich der Online-Nachrichten übersiedelt. Nachrichtenangebote und Werbung scheinen sich fundamental zu entkoppeln.» Es besteht also die Hoffnung, dass die Medienbetriebe bald grosse inhaltliche Anstrengungen machen müssen, um den Werbemarkt anzukurbeln. Das ist in erster Linie durch kostenpflichtige Medienportale und inhaltlich wertvolle Artikel möglich. Welch gute Aussichten…
Es ist in der Tat kein Wunder, wenn die Leserschaft den Gratis-Angeboten nachjagt. Der Blödsinn, den uns die offiziellen Medienhäuser offerieren, ist ja nicht ernst zu nehmen. Kaum ein neuer Bundesrat im Amt, schreibt noch am gleichen Tag irgend ein «Journi-Lööli»: «Jetzt ist der Sitz von Sowieso ganz wacklig!» Nur um die Aufmerksamkeit auf was anderes zu lenken: Sich selbst. Bundesrat Merz lässt grüssen, in den letzten Monaten war er das Sommer-Schmid-Loch – hat leider nicht wirklich geklappt: Der Mann hat immer noch mehr Qualitäten zu bieten, als sich in die Pfanne hauen zu lassen. Und die Moammar-al-Qadhafi-Story wurde so was von schrecklich falsch und lächerlich für unsere JournalistInnen, dass man sich nicht mehr schämen muss – einfach nur vergessen.
Unter diesem Medienverständnis ist es zu wünschen, dass der Beruf des Journalisten im Bermuda-Dreieck verschwindet. Tragisch sind dann eher die Worte von Michael Hirschorn, einer amerikanische Medien-Ikone, der meint: «Zu guter Letzt wäre der Tod der ‹New York Times› – oder zumindest ihrer Printausgabe – ein sentimentaler Moment und ein schwerer Schlag für den amerikanischen Journalismus. Aber eine Katastrophe? Langfristig vielleicht nicht einmal das.»
Cartoon: www.fauser.ch
ensuite, Oktober 2009