Von Lukas Vogelsang — Schon beim Einführungskurs für JournalistInnen am MAZ (Medienausbildungszentrum in Luzern) lernt man die Gefährlichkeit des Journalisten-Berufes und dessen überlebensnotwendige Grundlagen kennen. Ein ungeschriebenes Gesetz besagt zum Beispiel: «Schreibe so über andere Menschen, dass diese sich 1. darin wiedererkennen können, und dass 2. du ihnen danach auf der Strasse in die Augen sehen kannst – sie dir auch.» Heisst das jetzt, dass man händchenhaltend über den Feind berichten muss? Nein. Aber vielleicht sollte man sich mit dem Gegenüber «ganzheitlich» auseinandersetzen und eine Art Respektbeziehung aufbauen. Die Recherche sollte über den eigenen Sichthorizont erfolgen.
Warum diese dröge Einleitung? Das ensuite Jubiläum vom letzten Monat erlaubt einen spannenden journalistischen Rück- und Einblick. Der «Bund» und die «Berner Zeitung» hatten über ensuite berichtet. Das heisst, sie wollten über das Jubiläum berichten, schafften es aber nur, ensuite auf meine Person zu reduzieren. Aber nicht ich jubilierte! Das Magazin ist 100 geworden!
Für beide Zeitungen war meine Person wichtiger (danke der Ehre), doch unterliessen es beide wiederum mich vorzustellen. Bin ich wirklich bei allen LeserInnen vom Bund und von der BZ ein Begriff? Das krabbelt am Bauch… Bei der BZ schrieb der Christoph Hämmann über mich, ohne mich zu kennen. Das haben wir, nachdem ich aus der Zeitung erfahren durfte, dass ich viele Tippfehler mache im Editorial, und dass ensuite 44 Seiten aufweise, am Telefon nachgeholt. Nun, 44 Seiten sind technisch gar nicht machbar im Zeitungsdruck – unser Seitendurchschnitt ist bei 64 oder 72 Seiten. Hämmann erklärte mir am Telefon dann, dass ein Korrektorat eigentlich nur 80 % der Fehler erkennen könne. Seine öffentliche Litanei über meine Tippfehler hätte er sich besser gespart – inhaltliche Fehler überwiegen immer.
Für mich hatte der Artikel der BZ einen negativen Unterton. Nach unserem Telefongespräch und einem kleinen Tratsch mit seinem Chef, den ich zufällig kenne, sandte mir Hämmann per Mail die Aufklärung gleich selber zu: (das ist der unkorrigierte Originaltext aus dem Mail) «Was Ihre aktuelle Performance betrifft: 1. Doch, ich habe die paar Seiten Ihrer Medienmitteilung gelesen – sonst hätte ich mich in meinem Artikel nicht auf den Inhalt des 100. Hefts beziehen können. Allenfalls hätte es noch mehr BZ-LeserInnen erzürnt, wenn ich mich über das Poster des Chefredaktors amüsiert hätte, das Ihrem Versand beilag. Oder wenn ich das Interview des Redaktors Schüpbach mit dessen Chefredaktor Vogelsang, in dem Ersterer Letzteren als Heiligen Lukas inszeniert, mit Teleblocher verglichen hätte. Ja, das habe ich gestern alles gelesen. 2. […] 3. Jetzt also auch noch «Bund»-Bashing… Bitte, lassen Sie es gut sein. Sie und ich sprachen über Tippfehler — ein anderes spannendes Thema wären unverständliche Satzkonstruktionen u.ä. — und ich erwähnte ähnliche Debatten im Kulturblog und eine Autorin und einen Autoren, die nicht Angestelle beim «Bund» bin.» Christoph Hämmann ist übrigens bekennender «ewiger Bund-Abonnent» (SP-Seite http://psbe.ch / 09.11.2009 Spitze Feder: Wie viel Wifag darf es sein?)
Beim Bund wollte es Alexander Sury besser machen und befragte mich und zusätzlich die eine oder andere Person zu unserem Jubiläum. Herausgekommen ist allerdings ein Kraut- und Rübenprogramm. Also spätestens, als uns die Berner Abteilung Kulturelles in Surys-Artikel nicht zum Jubiläum gratulieren wollte, weil ich etwas geschrieben hätte, was denen nicht passte, hätte es bei Sury klingeln müssen. Das war die Geschichte: Ein von mir kritisiertes Amt äussert sich öffentlich, dass nur wer «gut über sie schreibt» ein Recht auf Anerkennung erhält. Damit ist wohl auch – wie in unserem Fall – die finanzielle Unterstützung gemeint? Ist kritische Kultur also wirklich nicht erlaubt? Interessant war für mich ebenfalls zu hören, dass die Abteilung Kulturelles uns «eine befristete Unterstützung auf drei Jahre gewährte». Davon hörte ich zum ersten Mal aus der Zeitung!
Das Konzept von Sury war nett gemeint, aber journalistisch war es versaut. Dass er mit Christian Pauli von der Dampfzentrale und einer 7‑jährigen Geschichte versuchte, einen Schatten über mich zu werfen (Domainnamen, welche ich vor sieben Jahren eingekauft hatte, und für die bis heute von niemandem ein Anspruchsantrag bei uns vorliegt) ist unter jedem Niveau. Mehr als Absicht kann da nicht drin sein – die Zeit war hier nicht das Problem.
Es ist enttäuschend, wenn der Tagesjournalismus qualitativ so am Boden ist. Kann jetzt mal jemand etwas über ensuite und dessen Jubiläum schreiben?
Cartoon: www.fauser.ch
ensuite, Mai 2011