Von Lukas Vogelsang — Es ist mal wieder Zeit, über die Online-Angebote der Medien zu lästern: Um eine gut funktionierende Tages-Zeitung finanzieren zu können, braucht es ca. 80’000 Abonnenten, und eine 2/3 Umsatzbeteiligung der Werbe-branche. Das Online-Angebot ist bei grossen Medienbetrieben immer noch gratis – allerdings qualitativ auch ein paar Etagen unter einer 20 Minuten-Ausgabe. Das kleine Tagblatt der Schaffhauser Nachrichten, mit notabene einer Printauflage von ungefähr 23’000 Exemplaren und einer Online-Frequenz pro Monat von ca. 55’000 Besuchern, macht jetzt den grossen Tagesblättern was vor: Online-Inhalte müssen bezahlt werden – dafür sollen diese auch besser werden, als etwa der Newsnetz-Brunz von Tamedia. Nun hat allerdings der Newsnetz-Brunz eben grad mal 1’803’000 LeserInnen pro Monat – findet es aber nicht nötig, journalistisch besser zu werden. Stefan Wabel, der das Projekt bei den Schaffhauser Nachrichten aufbaut, meint dazu: «[…] Wir als regionale Tageszeitung sehen mittelfristig zu wenig Potenzial, um ein zeitgemässes multimediales Angebot im Internet mit Einnahmen aus der Werbung zu decken». Das Tamedia-Newsnetz sieht das wohl gleich: Das Online-Business ist auch mit ein paar Tonnen Usern immer noch nicht rentabel.
Genau dasselbe könnte Mark Elliot Zuckerberg, der Gründer von Facebook erzählen. Facebook ist ein sogenanntes «Soziales Netzwerk», welches asozial versucht, Menschen untereinander in Kontakt zu halten. Das «Ach, hallo, du bist auch da!» zeugt allerdings nicht wirklich von einer höheren sozialen Kompetenz, und das gesamte Netz ist mehrheitlich ein «me-too»-, «sehen und gesehen werden»- oder «Rette mich, ich bin Single»-Ameisenhaufen. Das sozusagen soziale Netzwerk wies Ende September 2010 287 Millionen aktive Mitglieder und User aus. Auch hier sind die Mitgliedschaft und die gesamte Benutzung gratis. Verdienen kann Zuckerberg nur durch Werbeverkäufe, also durch die kleinen Bildchen am Rand des Bildschirms. Haben Sie diese mal gesehen, geschweige denn gedrückt? Trotzdem wird das Unternehmen Facebook auf rund 50 Milliarden Franken geschätzt. Eine surreal anmutende Zahl. Man muss allerdings wissen, dass das Unternehmen in den ersten 7 Jahren rund 1,7 Milliarden Franken Beteiligungsgeld eingesammelt hat – also nicht wirklich Geld verdient hat. Interessant ist auch, dass Zuckerberg nur über 24% Besitzanteile verfügt, aber selber kein nennenswertes Geld investiert hat. Zudem: Facebook ist nicht an der Börse, also sind die Werte sowieso nur Fantasiewerte – etwa genauso spekulativ wie bei einem Kunstwerk. Wirklich «erarbeitet» haben soll Facebook im 2010 innerhalb von neun Monaten 355 Millionen Franken. Allerdings sei im 2008 – also noch nicht ganz auf dem Höhepunkt – der Jahresumsatz bei 300 Millionen gelegen…
Das Schlimmste an der Sache ist, dass ein Grüppchen von Halbstarken mit den Jahrgängen 1982 – 1984 die effektiven Besitzer von Facebook sind. Mit einem Nichts haben sie der graumelierten Investorenbande das Geld aus dem Sack gezogen, und sich kurzerhand in Milliardäre verwandelt. Das superschnelle Geld, ohne Teller zu waschen, und man munkelt ja, dass nicht mal die Idee von Zuckerberg selber kommt. Aber was ist bei diesen horrenden, inexistenten Geldbergen schon wahr?
Die Frage stellt sich, warum unsere unterdessen graumelierten Mediengurus in der Schweiz nicht fähig sind, eine ähnliche Geschichte aufzubauen? Hier wird ohne Nichts auch nichts gebaut – höchstens abgebaut. Die eben noch so stattlichen Medienhäuser haben sich sattgefressen und sind unfähig geworden, sich zu bewegen. Es fehlt an Ideen und an jungem Nachwuchs, der intelligente Konzepte nachwirft. Da sind die Schaffhauser Nachrichten geradezu höchst innovativ und man möchte Ihnen jeden Teilerfolg gönnen. Doch es ist nicht anzunehmen, dass dieses Modell rentabel sein wird.
PS: Fühlen Sie sich angesprochen? Haben Sie viel Geld und möchten Sie einen jungen, innovativen Schweizer Medienbetrieb unterstützen? Melden Sie sich unbedingt bei info@ensuite.ch.
Cartoon: www.fauser.ch
ensuite, Januar 2011