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Menschen & Medien: Das Orchestrieren der Werbung

Von Lukas Vogel­sang — Hol­ly­wood macht es uns schon lange vor mit den Block­busters: Bevor ein neuer Film in den Kinos anläuft, wird min­destens ¾ Jahre zuvor eine immense Wer­bekam­pagne ges­tartet. Entsprechend wer­den in den ersten Spielt­a­gen diese Wer­bekosten wieder einge­spielt – inner­halb weniger Monate reichen die Ein­nah­men für einen gigan­tis­chen Gewinn. Die Telekom­mu­nika­tions­branche macht es uns eben­so klar: Durch Wer­bung gewin­nt man KundIn­nen. Da galt mal die Regel dass, um einen Kun­den zu gewin­nen, rund 100 – 200 Franken nicht zu wenig sind. Deswe­gen gab es Geschenke, neue mobile Geräte und Gesprächsgutscheine. Selb­st auf einem Bauern­markt hört man zwis­chen­durch einen Mark­tschreier, der seine Pro­duk­te inmit­ten der vie­len Mark­t­stände hör­bar bewirbt, und dadurch den einen oder anderen Kun­den gewin­nt. Wenn Wer­bung nicht funk­tion­ieren würde, warum gäbe es dann 15-minütige TV-Wer­bung? Nur um zu begrün­den, dass die Wer­bein­dus­trie sich selb­st füt­tere, kann nicht wirk­lich stim­men.

In der Kul­tur – aber auch in anderen Branchen – beklagt man sich über fehlende Umsätze oder fehlen­des Pub­likum. Allerd­ings spart man bei Flaute als erstes bei der Wer­bung – und macht deswe­gen noch weniger Umsatz und gewin­nt noch weniger Pub­likum. All­ge­mein herrscht die dumme Mei­n­ung, dass ein «gutes Pro­dukt für sich sel­ber spricht», also die Wer­bung nur für eine Gewinnop­ti­mierung ste­ht. Die Schiz­o­phre­nie liegt in der Logik: Weniger Wer­bung, weniger Pub­likum – und nie­man­dem fällt es auf.

Früher hat­ten wir gle­ich mehrere Kul­tur­pub­lika­tio­nen in jed­er Stadt. Diese bemüht­en sich, bess­er zu sein als die anderen. Ein nor­maler und gesun­der Konkur­ren­zkampf herrschte – die Ver­anstal­terIn­nen prof­i­tierten davon. Dann wur­den diese Pub­lika­tio­nen einges­part. Wer jet­zt denkt, dass die übrigge­bliebe­nen Kul­tur­magazine mehr Wer­bung erhiel­ten, liegt falsch, wir erleben dies im Ver­lag von ensuite täglich. Das neue Mot­to lautet: Ich inseriere nicht um meine Pro­duk­te, meine Ver­anstal­tung zu bewer­ben, son­dern spiele den Gön­ner, der den Ver­lag unter­stützt. Entsprechend eige­nar­tig kommt dann die Werbe­strate­gie daher. Oft­mals sind diese Inser­ate kaum entz­if­fer­bar, und dienen der reinen Illus­tra­tion. Ein Wer­bekonzept geht über die Grafik hin­aus, ver­sucht, einen Erken­nungswert zu schaf­fen, eine Iden­tität zu kreieren, welche die Betra­chter zu fes­seln ver­mag. Man sagt, dass ein Inser­at min­destens 3 Mal gese­hen wer­den muss, damit es wirkt. Ich sehe viele Anzeigen nur ein­mal – oder meine es zumin­d­est, weil ich mich nicht daran erin­nern kann. Schlechte Wer­bung eben.

Liebe Wer­bev­er­ant­wortliche, bitte denkt daran, dass Ihr in einem Mag­a­zin, in ein­er Zeitung, in Radio oder Fernse­hen Wer­bung macht, weil ihr an die ZuschauerIn­nen oder LeserIn­nen her­ankom­men wollt. Ich habe oft das Gefühl, dass ihr das vergesst.

Noch schlim­mer sind allerd­ings Banken oder Ver­sicherun­gen, bei denen man auf Anfrage für Wer­bung in die Spon­sor­ing-Abteilung ver­bun­den wird, was zu ein­er entsprechen­den Absage führt, weil diese dafür nicht zuständig ist. Macht Sinn, oder? Ich habe immer­hin noch Ver­ständ­nis, dass diese Fir­men nicht auf kul­tur­af­fines Pub­likum angewiesen sind, auch wenn Kul­tur und Kun­st zu den Luxu­s­gütern zu zählen sind. Aber bei den Kul­turver­anstal­terIn­nen? Es gibt keinen besseren Ort, um Wer­bung zu machen und neues Pub­likum zu gewin­nen, als in einem Kul­tur­magazin. Wenn man nicht erst 14 Tage vorher seinen Event bewirbt und in let­zter Minute noch eine Anzeige zusam­men­bastelt, funk­tion­iert der Wer­be­ef­fekt gut. Und es reicht ja, wenn man einen Monat früher mit der Wer­bung begin­nt. Ich per­sön­lich würde bei einem Kinofilm zwei Monate früher anfan­gen. In Monats­magazi­nen ist das nicht so teuer.
Und Ver­anstal­terIn­nen, welche es ohne Wer­bung ver­suchen, wer­den auch weniger zurück­er­hal­ten. So ein­fach ist das. Wie oft habe ich sel­ber keine Ahnung mehr, wo und wann ein Event stat­tfind­et? Ich winke dann im wahrsten Sinne des Wortes dem Ver­passten hin­ter­her – zu spät.

Car­toon: www​.fauser​.ch
ensuite, Sep­tem­ber 2013

 

Artikel online veröffentlicht: 31. Mai 2019