Von Lukas Vogelsang — Diesmal dreht sich diese Kolumne nicht um Medien. Oder wenigstens nur halb. Nein, diesmal geht’s um eine Veranstaltung der HKB (Hochschule der Künste Bern), an welcher ich teilnehmen durfte. Das Thema klang irgendwie spannend, und die Gästeliste schien mir vielversprechend. Unter dem Titel «Qhoch3 – eine Tagung zur Qualität», lud «Y – Institut für Transdisziplinarität» der HKB am 5. und 6. November in die Cinématte in Bern ein. Einen Monat vor Beginn wurde die Werbetrommel gerührt, und man musste sich anmelden. Das klang nach vollem Haus. Doch am ersten Tag wurde klar, dass dies alles nur Leerlauf war. Die Menschen, die den Weg in die Berner Matte gefunden hatten, waren ein peinlich kleines Grüppchen. Nicht einen einzigen «konventionellen», oder eben, subventionierten Veranstalter aus Bern konnte ich ausfindig machen – also, eigentlich waren mir alle anwesenden ZuhörerInnen ziemlich fremd. Aber das will ja nichts heissen über die Qualität der Veranstaltung – und Qualität, das war ja gerade das Thema. Ob etwas viel oder wenig, kurz oder lang – alles stellt eine Art Qualität dar, es kommt also auf andere Faktoren an.
Für die Diskussionsrunde vom Freitag wurden spannende Personen geladen: Hedy Graber vom Migros-Kulturprozent in Zürich, Stefan Hornbostel vom Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung in Bonn, Katharina Schlieben und Soenke Gau, ehemals Shedhalle Zürich. Hier wurde punkto Qualität schon mal eine gute Auswahl getroffen. Auch der Samstag mit seinen ProtagonistInnen klang vielversprechend.
Vielleicht nenne ich erst mal die positiven Qualitäten, bevor ich wie ein Werwolf alles zerfleische: Die Wahl des Lokals war super. Die Cinématte eignet sich hervorragend für solche Anlässe. Es hat Beamer, Leinwand, Verdunklungsmöglichkeiten, Verstärkeranlage, und vor allem ein herrliches Ambiente. Man fühlt sich da wohl, und wer nicht grad in der vordersten Reihe sitzen muss, kann sich auf einem Sofa in den hinteren Rängen richtig breit machen. Die Aare zur Seite, eine stilvolle Bar und Personal, welches sich noch als Gastgeber versteht, runden den Ort ab. Es braucht also viel, eine Tagung an diesem Ort missglücken zu lassen. Die HKB schafft sowas.
Qualität ist ein schwieriges Thema – dessen bin ich mir durchaus bewusst. Und wenn man sich dieser Sache wissenschaftlich nähert, ist das keine dumme Idee. Aber ich fragte mich ernsthaft, ob die Qualität der Veranstaltung einen Teil der Tagung darstellen wollte. Vorweg: Nach 2.5 Stunden lief ich noch während der Diskussion aus dem Raum, um für mich eine Pinkelpause zu organisieren, frische Luft zu schnappen, Beine zu vertreten, etwas zu trinken, den Kopf durchzulüften… Die Veranstalter-Innen hatten keine Pausen eingeplant, der Umgang mit der Technik war nicht hochschulwürdig, und der Spannungsbogen, die Dramaturgie der Veranstaltung lag schon nach 10 Minuten flach am Boden. Ein brummender Scheinwerfer und ein sehr langweiliges und unbewegliches Beamer-Standbild taten sich schwierig in Konkurrenz mit dem wunderschönen, warmen Herbsttag, der sich draussen anbot. Dankbar bin ich der schwangeren Zuhörerin, die nach 1.5 Stunden verzweifelt selber das Fenster öffnete. Ein Highlight an diesem Nachmittag.
Man würde sowas überleben, wenn der Inhalt getragen hätte. Aber gerade da hatte die Tagung nicht viel Spannendes zu bieten. Es wurde an der Oberfläche gesurft – die «umfassende» Diskussion über Qualitätsfragen in der Kultur habe ich nicht miterlebt. Die einzelnen Voten der SprecherInnen waren sicher noch ergiebiger als die anschliessende Gruppendiskussion. Das hätte man aber auch auf Papier abgeben und draussen in der Herbstsonne lesen können. Die Diskussion über Qualität erstickte an der Subventionsfrage: ob man auch schlechte Qualität subventionieren dürfe? Das war mein Moment der Flucht.
Qualität ist ein Oberbegriff, der ohne zusätzliche Kriterien gar nichts aussagt. Qualität und Kultur sind Oberbegriffe: Beide sagen in sich eigentlich nichts aus. Wenn beide Begriffe in einem Satz stehen, haben wir sogar weniger gesagt, als möglich ist. Wir produzieren eine Art «schwarzes Wortloch». Etwa so fühlte sich für mich die Tagung «Qhoch3» an.
Den zweiten Tag der Veranstaltung genoss ich an der Sonne.
Cartoon: www.fauser.ch
ensuite, Dezember 2010