Von Lukas Vogelsang — «Die Medien spielen eine entscheidende Rolle», sagte Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann anlässlich des «Swiss Media Forum» am 12. Mai 2011 in Luzern. Welch ein Satz. Er spielte damit auf die Situationen in Ägypten und Tunesien an, wo Menschen sich über Internet oder SMS informierten und austauschten, den Widerstand organisierten. Unter Medien versteht der Bundesrat die technologische Seite – nicht die inhaltliche. Unter Medien versteht man nicht mehr «Journalismus», sondern die modernen technischen Gadgets. So hat auch jeder zweite Bundestagsabgeordnete in Deutschland ein iPad – natürlich über irgendwelche Steuer-gelder finanziert. Vor wenigen Tagen wurde eine Studie veröffentlicht, die belegt, dass Tablets nur Modeerscheinungen sind, wie einst die Netbooks. Wissen Sie noch was ein Netbook ist? Bryan Jones vom Computerhersteller Dell meinte, er bezweifle, dass die Tablets-Geräte wirklich als Primär-Computer für die Produktivarbeit in Unternehmen ausreichen. Für die Mehrheit der Leute sei es nicht möglich, damit Arbeiten mit hoher Produktivität zu erledigen.
Immerhin: Rund 200 zusätzliche Stellen will die Tamedia in den kommenden zwei Jahren im Online-Bereich schaffen, die Hälfte davon im redaktionellen Gebiet, wie Tamedia-CEO Martin Kall anlässlich des Swiss Media Forums in Luzern bekanntgab, und Unternehmenssprecher Christoph Zimmer via Twitter bestätigte. (Quelle: medienspiegel.ch) Das Grossunternehmen Tamedia hat in den letzten Jahren eben erst ein paar hundert MitarbeiterInnen entlassen und Druckereien geschlossen, dafür im 2010 wieder einen fetten Gewinn eingestrichen.
Mit dem richtigen «Medium» kann uns also in Zukunft noch mehr Information erreichen: noch mehr Informationen und noch mehr Informationen. Ich habe zwar keine Ahnung, wohin ich mit diesen Informationen noch gehen, geschweige denn, wie ich sie unter den Umständen noch verarbeiten soll. Ich weiss auch nicht, welches Gerät ich denn haben müsste, denn die Kompatibilität hinkt den Gedanken hinten nach. So können wir uns zwar im Internet bewegen, doch sehr viele Seiten sind zu den speziellen Geräten nicht kompatibel. Die Seite wird entsprechend nicht richtig dargestellt.
Medien: Mit dem Einzug von Mobiltelefonen vor ca. 12 Jahren hat sich die Welt wesentlich verändert. In unserer Redaktion kriegen wir aber noch immer Fax-Spam (Money-Report) und nutzen hauptsächlich das Bürotelefon. Das war schon vor 30 Jahren so. Die mobilen Dienste sind für die Produktion zu aufwändig und zu kostenintensiv. In der IT-Branche gilt: Alle 3 Monate spätestens ein neues Produkt oder ein Update. Als «Medienbetrieb» können sie dieses Tempo in der Produktion gar nicht einhalten, geschweige denn die Konsumenten so rasch dazu bewegen, jeden technologischen Furz gleich mitzumachen. HTC, der Smartphone-Pionier-Gigant, bringt so viele Mobilephones heraus, dass die Firma einmal daran zerbrechen wird. Die Geräte haben eine Supportlebensdauer von knapp einem halben Jahr. Danach sind sie veraltet.
Die e‑Mail ist die wesentlich grössere Errungenschaft der Menschheit. Allerdings hat sich diese Technologie nie wirklich verändert. Die relevanten e‑Mail-Programme (lesen, schreiben, organisieren) kann man an einer Hand abzählen. Deren Kompatibilität zu anderen Systemen ebenfalls. Und wie viele Prozente vom gesamten e‑Mail-Verkehr sind unter-
dessen Spam? Und wie ist das mit der Effizienz?
Das «Medium» Facebook hat einen ersten Tod vor knapp 1,5 Jahren erstaunlicherweise überstanden. Irgendwie konnte sich die Idee doch noch durchsetzen. Aber Geld verdient man damit nur über Investoren. Ob sich das mal rechnet, also Geld abwirft? Das scheint kaum möglich, trotzdem glauben alle fest daran, und beten zu den Göttern, damit das Geld sich doch noch vermehre.
Und damit kämen wir zur Internet- und IT-Blase, welche unweigerlich in der Luft zu riechen ist. «Die Medien spielen eine entscheidende Rolle» – dieser Satz wird uns noch in den Ohren hallen. Die «Medien» sind tot. Es lebe der Journalismus.
Cartoon: www.fauser.ch
ensuite, Juni/Juli 2011