Von Lukas Vogelsang — Haben sie, liebe LeserInnen, die Medienberichte etwas verfolgt? So zum Beispiel die AKW-Verwaltungsrats-Verteidigungsreden der BKW versus die PR-Maschine der Gegner-Innen? Haben sie bemerkt, wie die Presse jede Bewegung wie Windrädchen dokumentiert hat? Mit viel Farbe natürlich – die politischen (Miss)-Bildungen waren gut spürbar. Da heisst es an einem Tag dies, am anderen Tag sagt irgend ein Verwaltungsrat das – danach kommen Gutachten, die ganz anderes erzählen, diese werden am Folgetag wieder dementiert und runtergespielt, bis eine Universität auch noch was sagt, dann sieht alles wieder anders aus. Inzwischen hat man fast stillschweigend ein AKW stillgelegt, wegen Sanierungsarbeiten, dabei wollte man nicht den Studien recht geben, aber der Chef selber spricht jetzt von Bedenken, auch wenn er den Gegnern nicht Recht geben will, und so weiter… Ping-Pong. Allerdings ist auffallend, wie jeden Tag die Informationen noch einen Zacken mehr zu bieten haben. Als wäre es ein Wettbewerb, jubeln die Medien über so viel Newsgehalt und publizieren was die Kanäle nur so hergeben können. Wirklich, rund um Fukushima zum Beispiel wechselten sich die News schneller ab, als das «Zugabe-Video» ganz unten auf der Webseite der Berner Zeitung. Ich schaffe es nicht einmal, dieses mitzuverfolgen.
Um zu illustrieren, was ich meine, habe ich auf www.bernerzeitung.ch kurz eine unrepräsentative Artikelauswahl zusammengestellt, und gebe hier chronologisch deren Titel wieder. Das Stimmungsbarometer widerspiegelt wohl den Aktienverlauf:
- 24.10.2008 AKW Mühleberg: Regierungsrat zweifelt nicht an Sicherheit
- 11.02.2009 Risse im AKW Mühleberg
- 12.05.2009 Note «hoch» für Atomkraftwerk Mühleberg
- 10.08.2009 KKW Mühleberg mit neuem Produktionsrekord
- 05.01.2010 Kernkernkraftwerk Mühleberg vermeldet Produktionsrekord (zweite Rekordmeldung innerhalb von fünf Monaten: 1. 3091 kWh 2. 3092 kWh! / Anm. Redaktion)
- 11.10.2010 AKW-Gegner pochen auf Akteneinsicht
- 17.01.2011 In Mühleberg ist neben dem AKW auch ein Zwischenlager geplant
- 15.03.2011 Mühleberg-Sicherheit vor Gericht
- 05.04.2011 Kantonsrat greift nicht in AKW Mühleberg ein
- 22.04.2011 Gutachten stuft AKW Mühleberg als unsicher ein
- 24.04.2011 Chef der AKW-Prüfer ist mit Mühleberg-Betreiber verbandelt
- 14.06.2011 Tausende AKW-Gegner demonstrieren in Mühleberg
- 29.06.2011 «Die Simulation zeigte Resultate, an denen wir keine Freude hatten.»
- 29.06.2011 BKW schaltet Mühleberg ab – und rüstet für 10 Millionen nach
In der Nachlese stolperte ich vor allem über folgende Passage in einem Interview mit BKW-Chef Kurt Rohrbach (www.bernerzeitung.ch / 29.06.2011). Auf die Frage: «Wie lange müssen Sie Mühleberg betreiben, um diese 30 Millionen Franken wieder reinzuholen?» meinte Kurt Rohrbach: «So genau haben wir das nicht berechnet. Es ist aber sicher weniger als ein Jahr.» [10 Millionen kosten die Investitionen in die Sicherheit – 20 Millionen soll der Stromausfall und Einkauf von Strom kosten / Anm. Redaktion]. Eine explosive Aktienprognose: Kaufen sie BKW-Aktien, wir machen brutal asoziale Gewinne. Die Antwort hat beim Journalisten wohl nicht mal ein Wimpern-Zucken ausgelöst. Er fährt das Interview unbeirrt weiter. Ich bezeichne sowas als Kunstwerk in unserer überkommunikativen Welt. Das sind Glanzleistungen der menschlichen Intelligenz.
PR-Berater sind ein voller Erfolg. Es gibt Kulturinstitutionen, die, statt Werbung zu schalten, einfach gute PR-Berater anstellen. Die kosten schlussendlich fast gleich so viel wie die Inseratebuchungen, sind aber effektiver, weil diese netten Menschen am Telefon die Presse viel stärker persönlich bearbeiten, und damit wesentlich mehr redaktionellen Platz ergattern können. Was in der Zeitung steht wird geglaubt. Jedenfalls mehr als einem Inserat. Redaktionelle Texte kommen näher an die Leserschaft, als ein Inserat, welches vielleicht gesehen wird. Und man kann wesentlich mehr Botschaften in einer gut platzierten Medienmitteilung unterbringen, als in einem Inserat. Dazu kommt der einfache Fakt, dass viele sogenannte «JournalistInnen» diese Mitteilungen verarbeiten und tatsächlich publizieren! Die stellen keine Fragen, sondern sind froh, ein Thema gefunden zu haben. Und die Medien fragen sich ernsthaft, warum sie an Glaubhaftigkeit verloren haben?
Wann kommt der Plagiatstest für journalistische Artikel in Bezug auf Medienmitteilungen und Pressesprechertexte?
Cartoon: www.fauser.ch
ensuite, August 2011