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Menschen & Medien: No Cash? No Cash!

Von Lukas Vogel­sang - Alle Welt wet­tert gegen die Schweiz, wir seien eine Steueroase. Und wir win­seln unter dem inter­na­tionalen Druck, dabei soll­ten wir eigentlich stolz sein darauf. Andere Län­der bieten sich als üblere Dinge an: Umweltver­schmutzungs­gärten, Pädophilen­paradiese, Touris­ten­mörder­löch­er, Atom­sümpfe oder ein­fach Krisenkriegs­berge. Da ist die Schweiz als Steueroase doch eine Prachts­fe­rien­des­ti­na­tion. Ich würde das als «Schweiz Touris­mus» zele­bri­eren – das holt uns hui aus dem Finan­zloch und beschert uns gute Über­nach­tungszahlen.

Doch ohne Cash, kein Cash. Schon vor einem Jahr wurde uns von Ringi­er prophetet, dass sie «Cash» ins Inter­net ver­ban­nen wollen. Trend zu Mul­ti­me­dia – das ist der Slo­gan. Und in diesem Jahr kommt er wieder: «Cash Dai­ly» wird mul­ti­me­di­al. Es fragt sich allerd­ings, wie lange sich «Cash» als Titel noch hal­ten kann. Eine rein mul­ti­me­di­ale Lösung lebt ja auch nur vom Wer­begeld. Und genau dieses bleibt im mul­ti­me­di­alen Markt noch weit weg. Das weiss unter­dessen sog­ar die SRG. Eine gesunde Zeitung lebt von einem Drit­tel Abon­nen­ten und zwei Drit­tel Wer­bung. Daran wird sich auch in Zukun­ft nichts ändern. Es ist eine Formel wie zum Beispiel der «Gold­ene Schnitt». Und es klin­gelt bere­its: Gratiszeitun­gen haben keine Abon­nen­ten!

«Cash Dai­ly» wurde im Herb­st 2006, also vor zweiein­halb Jahren, ges­tartet. Ringi­er hat das Gratis­blatt noch genau im End­sta­dion der Invest­mentzeit ster­ben lassen. Wir erin­nern: Ein Medi­en­ti­tel braucht drei Jahre, um auf dem Markt beste­hen zu kön­nen. Die Wochen­zeitung «Cash» wurde 1989 gebaut und hat bis 2000 Geld einge­spielt. Danach kamen die roten Jahre, die Zeitung ging bergab – vielle­icht wegen ihr auch die Wirtschaft. Es ist doch ein inter­es­san­ter Gedanke, eine zu kurze Wäscheleine noch zweimal zu schnei­den, um festzustellen, dass sie nicht länger wird. Wer einen solchen Kurs denkt, muss scheit­ern. Mit «Cash Dai­ly», dem täglichen Gratis­blatt, kon­nte sich der Inser­atemarkt nicht vervielfälti­gen. Die Frage war nur, wie lange hält der Ver­lag das aus? Zuerst strich man die Wochen­zeitung, jet­zt die Tageszeitung – mor­gen die Mul­ti­me­di­al­ität. Das Prob­lem ist, dass die Ver­lage am Pub­likum vor­beipro­duzieren. Sie denken nur noch in Kosten­stellen, der redak­tionelle Inhalt ist schon länger gestor­ben.

Aber ich bedauere die cashlose Zeit, die jet­zt kom­men wird. Irgend­wann in mein­er Nachju­gend­phase war ich sog­ar Abon­nent von Cash. Ich ver­suche nach mein­er Kaufmän­nis­chen Aus­bil­dung eine Ahnung zu kriegen, was «Busi­ness» eigentlich ist. Mit «Cash» unter dem Arm fühlte ich mich gesund. Gele­sen habe ich sie zwar nie wirk­lich — oder zumin­d­est nicht ver­standen. Aber ich trauere jedem Ver­such von ern­sthaftem Wirtschaft­sjour­nal­is­mus nach. Die heuti­gen Tageszeitun­gen for­mulieren grund­sät­zlich nur vor­bere­it­ete Pres­se­texte neu. Sie kön­nen einen Test machen: Jede Fir­ma, über die in ein­er Tageszeitung berichtet wird und in dem die Worte Restruk­turierung, Opti­mierung und Gewinn vorkom­men, wird ein halbes Jahr später verkauft oder an der Börse gehan­delt. Was in der Zeitung pub­liziert wird, verän­dert den Aktienkurs. Jede Pos­i­tivmel­dung hat also die Absicht, an der Börse eine Kursverän­derung her­vorzu­rufen oder aber den Markt zu testen! Auch das gibt es… Wirtschaft­sjour­nal­is­mus müsste Fra­gen stellen, Betriebe analysieren und hin­ter die Kulis­sen schauen. Doch wir LeserIn­nen erhal­ten immer nur die Chefs und PR-Abteilun­gen zu hören. Der Rest wird uns pein­lichst ver­schwiegen.

«Cash» ist tot und die auf­muntern­den Worte von Marc Walder, Geschäfts­führer Ringi­er Schweiz, dass cash.ch, cash TV, WebTV und die mobilen App­lika­tio­nen für Wirtschaftsin­for­ma­tio­nen «ger­adezu prädes­tiniert für eine Ver­bre­itung via Inter­net und mobile Anwen­dun­gen» sind, hat mehr mit Glauben und Wün­schen zu tun, als mit Wis­sen. So viel Geld kann ein virtuelles Busi­ness nicht mehr ein­spie­len. Wenn wir also «Cash» in Erin­nerung behal­ten wollen, so müsste etwas Beständi­ges zurück­bleiben. Ein Musikalbum wäre schon ein Anfang…

Car­toon: www​.fauser​.ch
ensuite, April 2009

Artikel online veröffentlicht: 18. August 2018