Von Lukas Vogelsang - Wir glauben schon alles, was man uns serviert. Bei der Lasagne ist uns auch nicht aufgefallen, dass Pferdefleisch drin war – bis uns jemand darauf aufmerksam machte. Wir glauben immer, dass die Menschen nur das Beste für uns, und nicht für den eigenen Profit wollen. Deswegen verdient die Nigeriaconnection noch immer Geld mit ihrem SPAM. Wir glauben grundsätzlich, was man uns sagt. Das ist in der Fülle von Informationen, welche wir tagtäglich zu verarbeiten haben, auch einfacher. Prüfen? Das ist kompliziert und anstrengend.
Mit Olympia ist mir dies wieder bewusst geworden, als ich den Moderatoren-Schwätzern zuhörte, die noch den hoffnungslosesten Zustand mit einem «mutigen Angriff» beschrieben. Was will man auch 3 Mal 20 Minuten lang erzählen? Oder was soll man sagen, wenn Simona Meiler als letzte im Rennen versucht zu retten, was noch zu retten sein könnte, und in ein Tor fährt? «Angriff!» – Spannung muss sein, Emotionen gewinnt man hauptsächlich durch übertriebene Zustandsbeschreibungen. Da beginnt unser Herz erst zu schlagen – alles was darunter liegt, muss scheinbar scheintot sein. Die SVP funktioniert genau so, und es ist sogar Blochers Geheimwaffe: Selbst bei plus 0.3 Prozent Stimmen redet er von «starken Gewinnern», welche das Volk hinter sich wissen. Was für ein Quatsch – nur leider wird sowas geglaubt.
Sehr betrüblich ist dieser belämmernde Zustand, wenn man bedenkt, dass es wesentlich mehr PR-Agenturen gibt als JournalistInnen, welche tagtäglich Gutschwätzermeldungen verbreiten. Aber auch die öffentlichen Ämter reden sich fusslig beim Vertuschen von gravierenden Missständen. So hat in Bern die Kultursekretärin Veronica Schaller mal kurzerhand bekanntgegeben, dass sie das alle zwei Jahre stattfindende Musikfestival einsparen will – und auf den Vorwurf, warum man nicht vorher mit den Institutionen darüber spricht, meinte Sie: «Sobald ich die Adressen der Vorstandsmitglieder erhalte, wird die Einladung zu einem Gespräch verschickt.» (BZ, 18.2.2014). Es ist wohl unnötig zu erklären, dass das Musikfestival von der Abteilung Kulturelles jährlich 50’000 Franken für ein Sekretariat erhält und durchaus fähig wäre, eine solche Einladung entgegenzunehmen. Aber Hauptsache, eine schlechte Meldung wird mit gutschwätzerischem Blabla überspielt. Kaum einer LeserIn fällt sowas auf. Kaum jemand reagiert auf diese Lügen. Wieso auch.
Das sind Bagatellen. Klar. Wollen sie, liebe LeserInnen, jetzt die anderen Geschichten hören? Wie sie von den Banken, PolitikerInnen, VerkäuferInnen übers Ohr gehauen werden? Oder hat es noch nicht gereicht, dass wir SchweizerInnen mit unserer Superarmee nicht einmal fähig sind, aus-serhalb von Bürozeiten ein Militärflugzeug zu fliegen? Wir haben einen kleinen Vorgeschmack mit der NSA-Affäre erhalten – jetzt hat der Facebook-Zuckerberg die «WhatsApp» gekauft und besitzt ein paar Millionen Telefonnummern, und damit auch die Lokalisierungsmöglichkeiten, und auch sonst ziemlich viel Einsicht auf unsere Privatleben. Prost Gutschwätzergefasel. Und gebt dem Putin weiterhin die Goldmedaille für die Olympischen Spiele in Sotschi 2014, und vielleicht bezahlt er dann noch die 700 Arbeiter, die noch immer vergeblich auf ihren Lohn warten. Mit den 50,8 Milliarden Dollar ist Sotschi teurer als alle 21 bisherigen Winterspiele zusammen. Es ist anzunehmen, dass sich die Falschen an diesem Gold bereichert haben. 50 Milliarden für zwei Wochen Schneespiele ist wohl die böseste Ignoranz auf Erden, wenn daneben in der Ukraine Demonstranten über den Haufen geschossen werden, in Syrien noch immer Krieg gegen das eigene Volk geführt wird, oder in Afrika noch immer Geld für Brunnen und Schulen erbettelt werden muss. Mit 50 Milliarden könnten wir die Welt retten, und nicht den lächerlichen Stolz von einem einzigen Präsidenten. Gutschwätzer!
Es ist nötig, dass wir wachsamer werden und nicht jeden Blödsinn unverdaut in uns reinstopfen. Sonst werden wir selber zu Gutschwätzern unseren Kindern gegenüber. Und dafür sollten wir uns echt schämen.
Cartoon: www.fauser.ch
ensuite, März 2014