Von Lukas Vogelsang — Die Publisuisse SA in Bern hat eine interessante Broschüre mit dem Titel «Medien der Zukunft 2017» erstellt. Darin sind «Erkenntnisse zu Medienlandschaft, Marketing und Kommunikation» verarbeitet. Das klingt nicht nur spannend, das Thema ist es wirklich. Seit Jahren beschäftigen wir Medien uns mit der Zukunft – das Wahrsagen passt aber nicht ganz zu unserer Funktion: Wir recherchieren Dinge oder erfinden sie. Aber es gelingt uns nie wirklich, seriöse Prognosen zu erstellen. Durch den Zerfall des journalistischen Bewusstseins, wird dies immer deutlicher.
Sicher, wir können die «Zeichen der Zeit» deuten, wie aber jede vernünftig interessierte Person diese ebenfalls deuten kann. Bei den Medien gehört dies einfach zum Berufsalltag.
Wichtig bei Studien und Marktforschung sind die vorangehenden Fragen. Die Ergebnisse sind nur soweit brauchbar, wie die vorausgehende Intelligenz es erlaubt. Das scheint einfach – doch das ist es nicht. Die Publisuisse hat an viele Dinge gedacht. Zum Beispiel werden die Befragten in Gruppen aufgeteilt: MedienexpertInnen und KonsumentInnen. Die Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig das ist: «71% der befragten Medienexperten sind der Ansicht, dass Printmedien zugunsten der elektronischen Medien an Alltagsrelevanz verlieren werden. 28% der befragten Konsumenten glauben, dass klassische Printausgaben von Zeitungen und Zeitschriften im Jahr 2017 kaum noch Bedeutung in ihrem Alltag haben werden.»
Eine interessante Gegenüberstellung: Die Meinungsmacher-Gilde hat bereits jetzt in Gedanken die Printprodukte sterben lassen. Sie glaubt nicht mehr ans Papier. Allerdings nur 28% von den KosumentInnen haben sich dieser Meinung bisher anschliessen können. Ich glaube, die MeinungsmacherInnen müssen noch mehr Druck ausüben, damit die KonsumentInnen im Kanon einstimmen. Für mich stellt sich hier die Frage, warum man nicht versucht, die 28% zum Print zurückzugewinnen. Ich fände dies wesentlich einfacher und billiger.
Auch geht die Studie davon aus, dass der Zugang zum Internet «mobiler» wird: «44% der Befragten wollen das Internet in Zukunft vermehrt auch mobil nutzen. Bis zum Jahr 2017 ist mit einer Zunahme des Anteils mobiler Internetnutzung um 23% zu rechnen.» Damit sind vor allem Smartphones und Tablets, iPads, Laptops, Ultrabooks und wie sie alle heissen gemeint. Hier stellen sich mir folgende Fragen:
1. Es werden schon länger mehr Laptops verkauft als Desktop-Computer. Dadurch ist die «mobile Internetnutzungszunahme» bereits durch die fortgeschrittene W‑Lanisierung durch die Laptop-Generation gegeben. «Mobil» heisst, ohne Kabelanschlüsse. Welche Geräte sind also genau mit «mobiler Internetnutzung» gemeint? 2. Die mobilen Telefone sind heute praktisch alle Internet-kompatibel. Man muss von «nur» 23% reden, wenn wir bis 2017 blicken. Theoretisch haben die Smartphones eine Lebensdauer von ca. 2 Jahren – danach sind sie technologisch überholt, und das Telekom-Anbieter-Abo schenkt uns ein neues Gerät. Müsste so gesehen nicht schon im 2012, spätestens 2013 eine Steigerung von mindesten 50% stattfinden? Immerhin macht kein neues Gerät heute noch Sinn ohne Internetanbindung.
Was mir fehlt sind die Anfangswerte. Ohne diese kann ich mir kaum ein präzises Bild vorstellen. Die Werte, die mir Publisuisse schmackhaft machen will, sind nicht aussagekräftig. Die wichtigste Frage wird in der Studie nämlich auch nicht gestellt: «Wozu wollen die Menschen ins Internet?» Was suchen sie denn da? Warum soll das Internet immer wichtiger werden, wenn schon jetzt die Inhalte weniger aussagekräftig sind? Ich verstehe die Tendenz, dass der Newsjournalismus ins Internet abwandert. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass man beim Lesen der Glückspost oder der Schweizer Illustrierten ähnlich selig wird, wie wenn man diese Magazine in der Hand hält. Ich glaube, das Kaffeesatzlesen überlassen wir denen, die daran glauben. Ich tue es nicht.
Cartoon: www.fauser.ch
ensuite, Januar 2012