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Menschen & Medien: Zahlen über Zahlen…

Von Lukas Vogel­sang — Nein, auf Zuschauer­sta­tis­tiken ist kein Ver­lass. Jedes Jahr studiere ich die Jahres­berichte und stelle fest, dass die Zahlen, die man mir glam­ourös verk­lick­ern will, für mich unver­ständlich bleiben. Eine Buch­hal­tung ist ein­fach­er zu ver­ste­hen.

Beim Jahres­bericht Konz­ertThe­ater­Bern ist mir dies wieder ein­mal bewusst gewor­den. Die Bern­erzeitung schrieb dazu: «In der Spielzeit 2012/13 besucht­en laut ein­er Mit­teilung vom Mittwoch im Durch­schnitt 320 Per­so­n­en die Vorstel­lun­gen. Das sind 28 mehr als in der Sai­son 2011/12. Trotz­dem sank die Zuschauerzahl von rund 126’000 auf rund 122’000. Der Grund dafür ist, dass wegen des Starts von KTB nur 381 statt 431 Vorstel­lun­gen stat­tfan­den.»

Nun, ich begann zu rech­nen und kam bei diesen 50 fehlen­den Vorstel­lung und den damit 4’000 BesucherIn­nen auf eine durch­schnit­tliche Besucherzahl von 80. Wer aber die durch­schnit­tlichen und öffentlich kom­mu­nizierten Besucherzahlen hinzuzieht kommt auf ganz andere Resul­tate: 292 (Spielzeit 11/12) wür­den bei 50 Vorstel­lun­gen 14’600 Besuch­er aus­machen. Bei 320 sog­ar 16’000. Diese Dif­ferenz von 4’000 ist also ziem­lich eigen. Jens Bred­er vom Konz­ertThe­ater­Bern meinte dazu: «Aber was sagt das? Diese Zahl nen­nt lediglich den the­o­retis­chen Pub­likum­szuwachs, den man bei gle­ich­bleiben­der Zuschauer­fre­quenz in 11/12 erre­icht hätte, wären 50 Vorstel­lun­gen mehr (also 481) gespielt wor­den. Ein the­o­retis­ches Gedanken­spiel ohne Wert.» Stimmt. Allerd­ings, wenn wir diese Math­e­matik noch etwas weit­er­spie­len kom­men wir auf die Idee, dass die durch­schnit­tliche Besucherzahl von diesem Jahr gar nicht stim­men kön­nte. Heisst: Dass diese 50 Vorstel­lun­gen mehr durch­schnit­tliche BesucherIn­nen aufgewiesen hät­ten als 80, und damit der effek­tive Besucher­durch­schnitt tiefer liegen kön­nte: statt 320 etwa vielle­icht nur 285? Das erfol­gre­ich geze­ich­nete Bild kön­nte also real umgekehrt aus­ge­fall­en sein. Ich gebe Jens Bred­er in diesem Falle abso­lut recht: Was sagen diese Zahlen also aus? Oder bess­er: Was sagen uns die Zahlen, die Konz­ertThe­ater­Bern her­aus­gibt?

Ein anderes Phänomen sind die Aus­las­tungszahlen. Oft­mals heisst es «ausverkauft», oder wird in Prozen­ten die Aus­las­tung von Ver­anstal­tun­gen oder Fes­ti­vals, Tick­etverkäufen propagiert. Es gibt The­ater­fes­ti­vals, welche mehr als 3/4 der Tick­ets an die Spon­soren «verkauft» haben. Für reg­uläre BesucherIn­nen ist also nur ein extrem reduziertes Kontin­gent ver­füg­bar. Ausverkauft? Nicht so, wie wir uns das vorstellen. Das Gurten­fes­ti­val ist auch immer ausverkauft – aber für alle Tage gibt es noch Tick­ets bis wirk­lich kurz vor Fes­ti­val­be­ginn. Warum? Weil man Tick­et-Kontin­gente in ver­schiede­nen Zeitab­schnit­ten verkauft. Man erin­nere sich auch an das Her­bert Gröne­mey­er-Konz­ert in Bern, welch­es ein zweites Mal ange­set­zt wurde, weil ange­blich der Vorverkauf so umw­er­fend gut lief. Es war schlussendlich ein Fiasko, und die zweite Show wurde abge­sagt. Ein­drück­lich zeigt uns auch die Bern­er Dampfzen­trale, wie man die Aus­las­tungssta­tis­tik inter­es­sant gestal­ten kann: Man verklein­ert ein­fach die Zuschauer­tribüne vom Tur­binen­saal, und hat statt ein­er ursprünglichen 398-Plätze-Halle nur noch unge­fähr 180 Plätze frei. Das sieht schnell nach ausverkauft aus.

Glauben Sie also nie, was in Geschäfts­bericht­en ste­ht. Da ist immer Son­nen­schein. Auch Pressemit­teilun­gen müssen über­set­zt, hin­ter­fragt und kon­trol­liert wer­den. Son­st sind es nur Schön­wet­ter­mel­dun­gen, um InvestorIn­nen und Sub­ven­tion­s­ge­berIn­nen bei Laune zu hal­ten. Und warum das alles wichtig ist? Es geht um Geld und damit um Inter­essens­be­grün­dun­gen, die mit falschen Angaben ein falsches Licht erzeu­gen. So ein­fach ist das.

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ensuite, Jan­u­ar 2014