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…mit Aussicht auf Fleischbällchen

Von Bar­bara Roel­li — «Wolkig mit Aus­sicht auf Fleis­chbällchen» oder in Englisch: «Cloudy with a Chance of Meat­balls». So heisst ein Film aus den USA. Genre: Trick­film. Sein Name geht einem wie eine Wet­ter­vorher­sage über die Lip­pen – spätestens bei «Fleis­chbällchen» schaut man aber irri­tiert gen Him­mel.

So wie es die Bürg­er der Insel Affen­fels in der Geschichte tun. Dann näm­lich, wenn die Wolken plöt­zlich in süssem Rosa erglühn und vom Him­mel­szelt her wohlge­formte Ham­burg­er schweben. Leicht wie Fed­ern kom­men sie auf die Erde nieder, wo sie in Zeitlupe eine Lan­dung voll­brin­gen, der man stun­den­lang zuschauen kön­nte. Die Ham­burg­er knallen näm­lich nicht auf den Boden, son­dern lan­den weich wie Gum­mibälle, um dann auseinan­der zu fall­en. Die bei­den Teile der Ham­burg­er­brötchen rollen artis­tisch über den Boden, fein geschnit­tene Tomat­en und Gurken­scheiben leg­en sich san­ft auf Wiesen und Strassen. Und der gebratene Fleis­chtaler dreht eine ele­gante Pirou­ette, bevor er schliesslich zu liegen kommt. Essen, das vom Him­mel kommt – wie ist das möglich? Das Staunen weicht der Freude, und bald füt­tern die Bürg­er von Affen­fels ihre offe­nen Mün­der mit dem schmack­haften Segen. Hin­ter dem Essen, das schein­bar wie durch ein Wun­der aus dem Him­mel fliegt, steckt der Held der Geschichte: ein junger Tüftler und Erfind­er namens Flint Lock­wood. In der Schule wird er gehänselt, weil er sich mit Herzblut wis­senschaftlichen Din­gen wid­met. Seine Erfind­un­gen wie Sprüh­dosen­schuhe oder Papageien­rat­ten wer­den von nie­man­dem ernst genom­men. Doch er weiss, dass er ein­mal etwas ganz Gross­es erschaf­fen wird. Und das ist die Erfind­ung ein­er Mas­chine, die Wass­er in Essen umwan­delt. Als Flint die Mas­chine aktiviert, kat­a­pul­tiert sie sich grad selb­st in den Him­mel und bleibt dort steck­en. Flint ist frus­tri­ert und glaubt, dass seine Erfind­ung gescheit­ert ist. Bis zu jen­er Szene im Film, als es vom Him­mel Ham­burg­er reg­net.

Endlich ist Affen­fels von seinem Schick­sal befre­it. Denn die Insel lebt von der Sar­di­nen­fis­cherei, und seine Bevölkerung ist gezwun­gen, sich tagaus, tagein von Sar­di­nen zu ernähren. Mit Flint Lock­woods Erfind­ung jedoch, ist mit der ein­töni­gen Ernährung endlich Schluss. Flint tippt die genetis­che Rezep­tur der Speisen in den Com­put­er ein und voilà – die Fres­salien fall­en vom Him­mel. So hat er mit der Zeit eine lange Wun­schliste mit Leib­speisen der Bevölkerung abzuar­beit­en.

Und so wird aus der Insel Affen­fels Schlaraf­fen­fels. Die Wet­ter­mod­er­a­torin vor Ort spricht von ein­er «Früh­stücks­front, die auf die Insel zukommt»: Die Bewohn­er brauchen nur ihre Teller aus dem Fen­ster zu hal­ten, und schon füllen sich diese mit knus­prig gebraten­em Speck, glänzen­den Spiegeleiern und frisch geröstetem Toast. Ein Ander­mal schneit es, und auf den Däch­ern der Häuser tür­men sich Kugeln von Erdbeer‑, Schoko­laden- und Pis­tazienglace. Die Kinder wer­fen sich Kopf voran in die süsse Masse und for­men Kugeln daraus, als seien es Schnee­bälle. Natür­lich pro­duziert die Mas­chine im Him­mel viel mehr Ess­waren, als die Bevölkerung über­haupt ver­til­gen kann. Und so erfind­et Flint eine soge­nan­nte Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Mas­chine, die alle Essen­sreste auf­sam­melt und in ein Depot trans­portiert.

Das Böse in der Geschichte verkör­pert der prof­it­geile Bürg­er­meis­ter von Affen­fels. Er will aus der Insel ein Touris­ten­mek­ka machen und wirbt mit heis­sen Käsedipp-Quellen und einem Park, in dem Kinder in Bon­bons baden kön­nen. Sein Cre­do lautet: «Verbessern heisst ver­grös-sern!» Und so find­et er es umso bess­er, als die Speisen langsam begin­nen, gross und gröss­er zu wer­den. Diese Ver­wand­lung macht er übri­gens am eige­nen Leib mit.

Der­weil zeigt der «Gefahrom­e­ter» von Flints Mas­chine, dass die Speisen über­mu­tieren. So fliegen sie mit unnatür­lichen Pro­por­tio­nen vom Him­mel – Steaks schwap­pen nicht nur über den Teller‑, son­dern bald auch über den Tis­chrand. Zweime­ter-Hot­dogs liegen in den Gärten der Leute herum, und bald leg­en sich Pan­cakes über ganze Häuserdäch­er; und das samt flüs­siger But­ter und kle­brigem Ahorn­sirup. Flint merkt, dass seine Erfind­ung auss­er Kon­trolle ger­at­en ist und will die Mas­chine stop­pen. Doch der Bürg­er­meis­ter hat sich eigen­mächtig an den Com­put­er geset­zt und zum Schreck­en von Flint – ein «All you can eat-Buf­fet» bestellt.
Was sich dann am Him­mel zusam­men braut sieht bedrohlich aus. Ein schar­fer Pfef­fer- und Salzwind bläst den Bewohn­ern um die Ohren und ein gigan­tis­ch­er Spaghet­ti-Tor­na­do kommt vom Meer her auf die Insel zu …

Ein Szenario, dass an den Wel­tun­ter­gang erin­nert. Irri­tieren­der­weise kommt die Bedro­hung vom Essen, das als etwas Gutes gilt und zu Beginn des Films auch das Glück per se ist. Doch Flint Lock­woods Wun­der­mas­chine, die den nim­m­er­sat­ten Men­schen jeden Wun­sch erfüllt, mutiert zuse­hends zum Riesen­fleis­chk­loss, der im Him­mel sein Eigen­leben entwick­elt. Und was man aus der Geschichte lernt? Näm­lich, was passiert, wenn Men­schen Fehler bege­hen und grös-sen­wahnsin­nig wer­den. Also nichts Neues. Dafür ken­nt man nach dem Film die Kampftech­nik gegen aggres­sive Gum­mibären und weiss, wie man Toast­brot-Boote mit Käs­esegeln bastelt.

Foto: Bar­bara Roel­li
ensuite, März 2010

Artikel online veröffentlicht: 16. Oktober 2018