Von Fabienne Naegeli – Durch das Innere der Berner Monbijoubrücke mit «Bruder Tod»: Nach der Auseinandersetzung mit dem Thema Revolution im Stück «Neuland» (2012) begibt sich die Berner Gruppe «Vor Ort» auf die Spuren des Todes und der damit verbundenen Ängste und Faszinationen. Angelehnt an Astrid Lindgrens Familienbuch «Die Brüder Löwenherz» erzählt das Site-Specific-Theaterstück «Bruder Tod» die Geschichte von zwei erwachsenen Brüdern und deren Begegnung mit dem Tod, die ihrer Vorstellungen vom Jenseits.
Aufgrund eines Herzfehlers ist der eine Bruder schwer krank. Der Tod ist seit Geburt sein ständiger Begleiter. Diese Konfrontation mit der Endlichkeit des Lebens und der Ungewissheit des Danach verursacht bei den Geschwistern Ängste und Fragen. Haben wir nur ein Leben, und gibt es mehr als ein Jenseits? Gemeinsam stellen sie sich der Angst vor der Dunkelheit auf der anderen Seite, der Einsamkeit und dem Loslassen, kämpfen gegen Böses, versuchen Hoffnungen aufrecht zu halten und begeben sich auf eine Reise durch fremde Welten.
Seit 2010 erkundet «Vor Ort» das Berner Stadtgebiet, und lässt das Publikum ihrer Inszenierungen kaum bekannte und schwer zugängliche Orte entdecken. Historische Hintergründe und Assoziationen zu den Spielplätzen beeinflussen ihre Stücke. «Bruder Tod» beginnt in einem sterilen, kalten Krankenzimmer, führt durch den zwischenweltlichen Innenraum der Monbijoubrücke in die endlos wirkende Spirale eines Parkhauses, und nimmt ein versöhnliches Ende im Himmel. Bassklarinetten-Klänge begleiten die beiden Experten in Todesfragen auf ihrem Weg durch diesen Tunnel ins Licht, und beleben die Betonlandschaft auf wundersame Weise.
«Bruder Tod» ist weder ein Geisterbahn-Stück noch ein Melodrama, sondern widmet sich mit starker Bildsprache einem Thema, das zunehmend von unserer Gesellschaft ausgeschlossen und tabuisiert wird.
Foto: zVg.
ensuite, Oktober 2013